Vesikko – CV 707

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Vesikko (CV 707) – das „inoffizielle“ unter den aus dem Zweiten Weltkrieg erhaltenen deutschen U-Booten

von Kai Steenbuck im Oktober 2015 – Mitglied des FTU

In Helsinki zieht ein Museums-U-Boot der finnischen Marine namens Vesikko zahlreiche Besucher, darunter auch den Autor, an. Dieser Artikel schildert zunächst die Entstehungsgeschichte dieses durch ein Wirtschaftsunternehmen, das doch zum größten Teil von der Reichsmarine finanziert und kontrolliert wurde, in Finnland gebauten Bootes, das faktisch der Prototyp des Unterseeboottyps II der Kriegsmarine ist. Über die Teilnehmer der praktischen Erprobungen des Bootes durch deutsche Besatzungen soll der personelle Bezug zur kurze Zeit später entstehenden deutschen U-Boot-Waffe gezeigt werden. Die Person Christoph Aschmoneit stellt einen Bezug zum U-Boot-Archiv her. Der letzte Teil des Artikels dreht sich, nachdem ein Abriss der Geschichte des Bootes bis hin zum Museumsboot gegeben wurde, um die Form, in der sich Vesikko heute dem Besucher präsentiert.

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Nach den Artikeln 188-191 des Versailler Vertrages war es Deutschland nicht gestattet, jedwede U-Boote zu bauen oder zu besitzen, die bereits vorhandenen U-Boote mussten an die Siegermächte ausgeliefert werden. Die deutschen U-Bootwerften jedoch hatten ein ausgeprägtes Interesse daran, das im Zuge des Ersten Weltkriegs gewonnene, große U-Boot-Know How finanziell nutzbar zu machen und so wurden bereits 1920 von der Friedrich Krupp Germaniawerft in Kiel-Gaarden und der AG Vulcan Stettin Konstruktionszeichnungen für zwei mittlere U-Boote nach Japan verkauft. Um ein anvisiertes, umfangreicheres U-Boot-Projekt mit Argentinien, das maßgeblich von als zivile Berater tätigen ehemaligen U-Bootoffizieren eingefädelt wurde, möglichst effizient realisieren zu können, gründeten die Germaniawerft und die AG Vulcan zusammen mit der AG Weser im Juli 1922 ein Joint Venture zu gleichen Teilen.

Um die Bestimmungen des Versailler Vertrages zu umgehen, musste dies offiziell unter dem Namen Ingenieurskantoor voor Scheepsbouw (IvS) in Den Haag geschehen. Das Geschäft in Argentinien kam aber ebenso wie andere Geschäfte in Italien und Spanien letzten Endes doch nicht zustande und nicht nur um größere finanzielle Schwierigkeiten beim IvS zu vermeiden stieg die damals stark limitierte aber dennoch am U-Boot-Know How interessierte Reichsmarine im Juli 1925 über die Tarnfirma Mentor Bilanz in das Unternehmen ein. Die Reichsmarine gründete auch eine weitere Tarnfirma, die Technische Beratungs- und Beschaffungsgesellschaft (Tebeg GmbH), deren Aufgabe es war, durch das IvS eine angestrebte Wiederaufrüstung Deutschlands mit U-Booten konzeptionell vorzubereiten. Ab August 1927 entbrannte in Deutschland die sogenannte Lohmann-Affäre um vornehmlich durch illegale Schiffsverkäufe gefüllte schwarze Kassen und verdeckte Rüstungsprogramme in der Marine, die von einem Reporter des Berliner Tageblatts im Zuge der Insolvenz der Filmgesellschaft Phoebus-Film AG aufgedeckt worden sind. Im Zuge dieser Affäre drohte auch Mentor Bilanz kompromittiert zu werden und wurde vorsorglich durch die dafür eigens neu gegründete Tarnfirma Ingenieurbüro für Wirtschaft und Technik (Igwit GmbH) ersetzt.

1926 konnte sich das IvS den Auftrag über den Bau von zwei mittleren U-Booten für die Türkei auf einer holländischen Werft bei Rotterdam, die eigens für diesen Zweck vom Krupp-Konzern übernommen wurde, sichern. In den Verträgen wurde festgelegt, dass Personal des IvS an allen Probefahrten der Boote teilnehmen durfte und dass das IvS zusammen mit der Bauwerft das Probefahrtpersonal auswählen würde, wodurch sich die Reichsmarine wertvolle U-Boot-Erfahrungen aus erster Hand sicherte. Ebenfalls 1926 konnte ein Vertrag mit der finnischen Marine über den Bau von drei mittleren, kombinierten Torpedo- und Minen-U-Booten geschlossen werden. Insbesondere wegen der harten klimatischen Bedingungen Finnlands im Winter, dauerte die Realisierung dieses Projektes zwar über dreieinhalb Jahre, das IvS selbst war mit den von ihm entwickelten U-Booten, die wie die Boote für die Türkei ausgiebig von deutschen Besatzungen, die von der Reichsmarine bestimmt worden sind, erprobt wurde, aber sehr zufrieden.

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Nach mehrjährigen und zähen Verhandlungen, die auf deutscher Seite der damals bei der Marineleitung tätige Korv.Kpt. Wilhelm Canaris führte, wurde im Februar 1929 auf einer spanischen Werft unter der Bezeichnung E 1 mit dem Bau eines hochseetüchtigen, mittleren U-Boots, das man später an die spanische Marine verkaufen wollte, begonnen. Durch diese Tätigkeit geriet auch Canaris, der von 1935-1944 die Abwehr, den militärischen Geheimdienst der Wehrmacht leitete, im Zuge der Lohmann-Affäre in den Fokus der Presse. Nach dem Stapellauf wurde auch dieses Boot mehrere Monate von einer durch die Reichsmarine ausgewählten Besatzung intensiv erprobt. Der politische Umsturz des Jahres 1931 verhinderte einen Verkauf nach Spanien und so wurde das Boot erst 1935, dann an die türkische Marine verkauft. In der Reichsmarine gab es Bestrebungen, die minimale Größe eines U-Bootes für einen operativ sinnvollen Einsatz auf deutscher Seite auszuloten. Die finnische Marine konnte 1929 dazu bewegt werden, den Bau eines schon vorher beim IvS projektierten, sehr kleinen Bootes zum Einsatz auf dem Ladogasee, dem größten See Europas, in Auftrag zu ge-ben. Dieser offiziell nur 99 t große Bootsentwurf wurde allerdings als deutlich zu klein für den Einsatz in der Reichsmarine beurteilt. Das Boot wurde unter dem Namen Saukko (Fischotter) am 16. Dezember 1930 für die finnische Marine in Dienst gestellt und war zu diesem Zeitpunkt das kleinste militärisch genutzte U-Boot der Welt.

Nach den Erfahrungen mit Saukko visierte die Reichsmarine ein ca. 250 t großes, mit drei nachladbaren Bugtorpedorohren armiertes U-Boot als kleinsten in Nord- und Ostsee operativ sinnvoll einsetzbaren Entwurf an. Nach den positiven Erfahrungen mit den drei mitt-leren U-Booten des Vetehinen-Typs beauftragte die finnische Marine am 9. Oktober 1930 das IvS mit dem Bau eines solchen Bootes auf der Crichton-Vulcan-Werft in Turku unter der Bezeichnung CV 707. Aufgrund der ungüns-tigen finnischen Rahmenbedingungen war auch die Bauzeit dieses Bootes relativ lang, von 1931 bis zum Stapellauf am 10. Mai 1933.

Nachdem am 20. Juni 1933 die Übernahmefahrt durchgeführt wurde, konnten die praktischen Erprobungen von CV 707 durch Personal der Reichsmarine beginnen. Kommandant der Erprobungen war zunächst Kptl. a.D. Werner Fürbringer, ein U-Boot-Kommandant der Flandern-Flotille im ersten Weltkrieg und Spezialist für kleine Boote. Zu-dem kommandierte er zuvor bereits einige Probe- bzw. Überführungsfahrten von IvS-Booten. LI war Mar.Ob.St.-Ing.a.D. Heinrich Papenberg, der als Leitender Ingenieur des gesamten IvS angesehen werden kann.
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Wie Fürbringer war er zuvor auch als LI auf Fahrten der IvS-Boote eingesetzt. Später erfand er den nach ihm benannten „Papenberg“, ein Instrument zur exakten Tiefenmessung zum Halten von Seerohr- bzw. Schnorcheltiefe, das zumindest auch noch auf den U-Booten der Klasse 206 der Bundesmarine zum Einsatz kam. Die Mannschaft bestand aus zehn Teilnehmern eines im Januar 1933 an der Marineschule Mürwik begonnen U-Bootlehrgangs. Für sie sollten die Erprobungen zugleich den praktischen Teil ihrer Ausbildung darstellen.

Vier dieser Lehrgangsteilnehmer waren angehende U-Boot-Offiziere, die zu dieser Zeit alle Oblte.z.S. waren. Kurt Freiwald kommandierte später in der Zeit vor dem Krieg U 7, U 21 und U 33 und erhielt nach einer Zeit in Stabsverwendung im November 1943 das Kommando über U 181. Er führte zwei Fernunternehmungen mit diesem Boot durch. Nach dem Krieg diente er in der Bundesmarine, aus der er als Flottillenadmiral ausschied. Klaus Ewerth wurde 1935 der erste Kommandant von U 1 und fiel nach verschiedenen weiteren Kommandos am 20. Dezember 1943 beim Totalverlust seines Bootes U 850. Harald Grosse erhielt, nachdem er Kommandant von U 8, U 34 und U 22 in der Vorkriegszeit war, das Kommando über U 53 und fiel am 24. Februar 1940 mit seiner gesamten Besatzung auf der ersten Feindfahrt. Von den angehenden U-Boot-Offizieren wurde nur Alfred Behr später kein U-Boot-Kommandant. Sein weiteres Schicksal konnte bisher nicht ermittelt werden.

Zu denen kamen vier Ingenieuroffiziere, die Oblte. (Ing) Albert Müller, Heinrich Schmidt, Wolfgang Winkler und Hans Droeschel. Nur Hans Droeschel wurde später LI eines U-Bootes, von U 2 von 1937-1940. Die Besatzung wurde durch die beiden Baubeamten Christoph Aschmoneit und Heinz Friese komplettiert. Christoph Aschmoneit schlug, nachdem er ein Schiffbaustudium an der Technischen Hochschule Danzig mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, 1929 die Beamtenlaufbahn bei der Reichsmarine ein. Er erhielt eine militärische Grundausbildung und fuhr auf dem Linienschiff Schleswig-Holstein und dem Segelschulschiff Niobe. Nachdem er auch noch seine Beamtenausbildung an der Reichsmarinewerft Wilhelmshaven absolviert hatte, wurde er Regierungsbaumeister. In dieser Funktion nahm er am U-Bootlehrgang und damit auch an den Erprobungen von CV 707 teil.

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Am 1. April 1935 wurde Aschmoneit, inzwischen zur Marineleitung versetzt, Marinebaurat. Er wurde Anfang Juni 1935 Teil des neu gegründeten Erprobungsausschuss für Unterseeboote, aus dem später das Unterseebootabnahmekommando (UAK) hervorging. Ab Anfang Oktober arbeitete Aschmoneit beim Konstruktionsamt der Marineleitung in Berlin. Hier erhielt er 1940 Kenntnis von auf U-Booten der holländischen Marine montierten Diesel-Zu- bzw. Abluftmasten. Er forcierte trotz geringer Resonanz seitens der Kriegsmarine die weitere Untersuchung des Systems. Es wurden beim UAK noch praktische Versuche mit dem holländischen Boot O 26 (UD 4) angestellt, diese mussten aber auf Weisung des BdU.org KAdm. von Friedeburg gegen den Einspruch Aschmoneits Ende 1941 abgebrochen werden, da der Einsatz des Mastes in den rauen Gewässern des Nordatlantiks zum damaligen Zeitpunkt noch wenig praktikabel erschien. 1943 wurde Aschmoneit dann Ministerialrat und Abteilungsleiter und konnte bei einem von ihm persönlich geleiteten Tieftauchversuch von U 2506 vom Typ XXI am 26. April 1945 seine praktischen Fähigkeiten noch unter Beweis stellen.

Nach dem Krieg ging er einer kurzen Beamtentätigkeit in Wilhelmshaven nach, später schloss er sich dem Deutschen Verbindungsdienst für die Rheinschifffahrt an. Diese auf Initiative der französischen Besatzungsmacht gegründete Organisation hatte die Aufgabe, Wracks aus dem Rhein zu bergen und diesen so zum einen wieder schiffbar zu machen und zum anderen Schiffsraum für die zivile Binnenschifffahrt zurückzugewinnen. Neben Aschmoneit waren bei dem hauptsächlich durch ehemalige Marineangehörige besetzten Dienst unter anderen auch noch Heinrich Lehmann-Willenbrock und Karl-Friedrich Merten beschäftigt. Es folgten verschiedene Tätig-keiten im Schifffahrtswesen, denen Aschmoneit bis 1957 nachging. Ab 1950 arbeitete er zusammen mit dem ehemaligen U-Boot-LI und U-Boot-Konstrukteur Ulrich Gabler Vorschläge für den Aufbau einer neuen U-Bootwaffe für die deutsche Marine aus und wurde Anfang Januar 1958 als Leitender Regierungsdirektor in die Bundeswehrverwaltung eingestellt. In Zusammenarbeit mit dem von Gabler gegründeten Ingenieurkontor Lübeck (IKL) ent-wickelte und entwarf er die U-Bootklassen 201 und 205 der deutschen Marine. Ab 1961 leistete Aschmoneit bei der norwegischen Marine Amtshilfe bei der Konstruktion eines U-Boot-Typs, den diese beim IKL auf Grundlage der Klasse 205 bestellt hatte. Für diese Tätigkeit wurde ihm vom norwegischen König der Sankt-Olaf-Orden, der dritthöchste Orden Norwegens, verliehen. Für seine Verdienste um die deutsche Marine wurde ihm außerdem 1967 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen. Nach seiner Tätigkeit für die norwegische Marine ging Aschmoneit in den Ruhestand, war aber noch an den Planungen für die U-Bootklasse 206 der deutschen Marine beteiligt und in beratender Stellung für die HDW in Kiel tätig. Am 14. Februar 1984 verstarb er in Kiel. Christoph Aschmoneits Nachlass wird – nur teilweise ausgewertet – hier im Archiv in Haus 11 verwahrt, vgl. hierzu auch unser Das Archiv von 2011 S. 41ff. Sein Kollege Ulrich Gabler fasste 1984 in der Zeitschrift Marineforum zusammen: Christoph Aschmoneit – ein Leben für den deutschen U-Bootbau. Sein weithin anerkannter Bezug zur Praxis und die Nähe zur Truppe fußten sicher zu Teilen auch auf die Erfahrungen der Probefahrten auf CV 707 im Jahre 1933.

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Bei den Probefahrten, die im Schärenmeer vor Turku stattfanden, sollten vor allem die praktischen Eigenschaften des Bootes, wie zum Beispiel die Höchstgeschwindigkeit über beziehungsweise unter Wasser oder die Tauchzeit ermittelt sowie Bewertungen hinsichtlich der Seetüchtigkeit und Steuerbarkeit und anderer Aspekte vorgenommen werden. Im August 1933 erlitt Fürbringer einen Herzinfarkt und musste durch Kptlt.a.D. Robert Bräutigam, einem Mitglied des UAK im ersten Weltkrieg, abgelöst werden. Bei den Erprobungen zeigten sich beide Kommandanten durchaus zufrieden mit ihrer Mannschaft aus „angelernten“ U-Bootoffizieren, bei der jeder alles machen musste. Von finnischer Seite wird angeführt, dass die Erprobungen stets unter Aufsicht eines finnischen U-Bootoffiziers stattfanden, dieser taucht in deutschen Überlieferungen allerdings nicht auf. Grundsätzlich wurde CV 707 sehr positiv bewertet, die vorzüglichen Unterwasser-Steuereigenschaften wurden besonders von Fürbringer sehr hervor-gehoben. Negativ wurde die für ein Boot dieser Größe lange Tauchzeit von 45 s bis auf 9 m Tiefe beurteilt, die bis zum Typ II B zwar um zehn Sekunden reduziert werden konnte, aber immer noch deutlich über den ursprünglich auch für CV 707 geforderten 30 Sekunden lag. Außerdem befürchtete man, dass die geringe Reichweite den operativen Wert des Bootes schmälern könnte. Andere von den Erprobungsbesatzungen befürwortete Änderungen am Boot, für die eine Anpassung der Abmessungen oder Einrichtungen nicht notwendig war, konnten bei der Konstruktion des Typs II noch Berücksichtigung finden.

Nachdem CV 707 also auf Herz und Nieren geprüft wurde, gelang es dem deutschen Marineberater und Kontaktmann für die finnische Marine Korv.Kpt.a.D. Karl Bartenbach nach Verhandlungen mit dieser das Boot noch bis in das Jahr 1934 hinein für weitere, dann nur noch so genannten Probefahrten nutzen zu dürfen. Tatsächlich lag das Hauptaugenmerk bei diesen Fahrten auf der praktischen Ausbildung von weiteren angehenden U-Bootoffizieren. Unter diesen angehenden U-Bootoffizieren waren Hans Looff, der im Krieg das Kommando von U 122 übernahm, mit dem er seit Juni 1940 als verschollen gilt. Werner von Schmidt wurde Kommandant von U 40 und U 166, später Chef der 8. U-Bootflotille in Danzig und schließlich gegen Kriegsende Leiter des UAK in Kiel. Hermann Michahelles wurde vor dem Krieg Kommandant von U 2 und U 35, er kam 1937 bei einem Autounfall ums Leben. Hans Meckel wurde vor dem Krieg Kommandant von U 3, im Krieg führte er mit U 19 drei Feindfahrten durch, er musste allerdings aus nervlichen Gründen sein Kommando niederlegen und überlebte in Stabsverwendung den Krieg. Der Ingenieuroffizier Hans Looschen wurde mit der Indienststellung LI auf U 1 und später auf U 26, den Ausbruch des Krieges erlebte auf dem Zerstörer Z 1 Leberecht Maas. Sein weiteres Schicksal bleibt ungewiss.

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Nach den Erprobungen musste CV 707 einer Überholung unterzogen werden und wurde durch finanzielle Engpässe bei der finnischen Marine erst Anfang 1936 für 19 Millionen Finnmark dem finnischen Staat verkauft. Es wurde der finnischen U-Bootflotte zugeteilt und am 1. April 1936 auf den Namen Vesikko getauft, dies ist die finnische Bezeichnung für den europäischen Nerz, der Finnland kein natürliches Vorkommen hat. Als Finnland am 30. November 1939 von der Sowjetunion angegriffen wurde und damit der Winterkrieg begann, wurde Vesikko noch am selben Tag mit einem weiteren finnischen U-Boot in das Seegebiet vor Hanko am Ausgang des finnischen Meerbusens beordert, um sich nähernde sowjetische Kriegsschiffe abzufangen. Diese wurden zwar noch gesichtet, die finnischen Boote konnten sich allerdings nicht mehr in Angriffsposition manövrieren, da sie Geschützfeuer ausweichen mussten. Am 17. Dezember wurde Vesikko ausgesandt um ein sowjetisches Schlachtschiff anzugreifen, das finnische Stellungen bei Koivisto, dem heute russischen Primorsk am östlichen Ende des finnischen Meer-busens, beschoss. Als in diesem Seegebiet kein sowjetisches Schlachtschiff mehr gefunden werden konnte und die Temperatur außerdem auf -19°C abgesunken waren, was das U-Boot tauchunklar machte, wurde die Operation abgebrochen. Da die Witterungsverhältnisse weitere U-Bootoperationen verhinderten, begab sich Vesikko in sein Winterquartier und kam in diesem Konflikt nicht mehr zum Einsatz. Der Winterkrieg endete am 13. März 1940 mit dem Friedensvertrag von Moskau, bei dem Finnland entgegen der ursprünglichen sowjetischen Kriegsziele zwar seine Integrität wahrte, aber größere Gebietsabtretungen, vornehmlich dem größten Teil Kareliens, hinnehmen musste. Nach dem Krieg war die Anzahl von Übungsfahrten durch anhaltenden Treibstoffmangel bei der finnischen Marine auf ein Minimum begrenzt.

Im Sommer 1941 wurde Vesikko in Vahterpää, ca. 90 km nordöstlich von Helsinki stationiert. Nach Ausbruch des Fortsetzungskriegs am 25. Juni 1941 sollte Vesikko wie sämtliche finnischen U-Boote den östlichen Teil des Finnischen Meerbusens patrouillieren. Hierbei konnte es am 3. Juli 1941 östlich der Insel Hochland den von Tallinn aus ostwärts reisenden, ca. 4100 BRT großen sowjetischen Frachter Vyborg mit drei Torpedos versenken. Einer anschließenden, mehrstündigen Wasserbombenverfolgung durch sowjetische Sicherungsfahrzeuge konnte das Boot unbeschadet entkommen. Im Herbst führte Vesikko von Helsinki aus 3 Unternehmungen vor der estnischen Küste durch, auf denen keine Ziele gesichtet wurden. In den Jahren 1942 und 1943 diente es mit einem Wasserbombenabwurfgestell ausgestattet in der Ålandsee und dem finnischen Meerbusen als Sicherung für die von sowjetischen U-Booten bedrohte finnische Handelsschifffahrt. Da die sowjetische Schifffahrt – militärisch und zivil- durch deutsch-finnische Sperren aus Minen sowie Netzen, die im Frühjahr 1943 gelegt wurden auf das äußere, östliche Ende des finnischen Meerbusens beschränkt war, wurden in diesem Jahr von Vesikko keine gegnerischen Schiffe gesichtet. Als nach längerem Stellungskrieg Anfang Juni 1944 eine sowjetische Offensive auf der karelischen Landenge eröffnet wurde sicherte das Boot Evakuierungstransporte von dort. Als der Waffenstillstand von Moskau den Fortsetzungskrieg am 19. September 1944 beendete, wurde Vesikko sofort in den Hafen zurückbeordert.

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Nach einer letzten Fahrt im Dezember 1944, auf der das Boot nicht gegen den neuen Kriegsgegner Deutschland eingesetzt wurde, wurde Vesikko, wie auch die anderen U-Boote der Finnischen Marine außer Dienst gestellt. In den zwischen den ehemaligen Verbündeten des Deutschen Reiches und den Siegermächten 1947 geschlossenen, auf der Pariser Friedenskonferenz 1946 verhandelten Verträgen, wurde Finnland untersagt, seine U-Boote zu behalten und so wurden alle Boote der finnischen Marine mit Ausnahme von Vesikko 1953 zum Abwracken nach Belgien verkauft. Wenn es ihnen wieder erlaubt wäre, U-Boote zu besitzen, so die Hoffnung der finnischen Marine, so könnte man dieses, inzwischen auf der Valmet Oy in Helsinki gelagerte Boot noch zu Ausbildungszwecken nutzen. Als sich diese Hoffnungen jedoch 1959 zerstreuten, sollte auch Vesikko zum Abwracken verkauft werden. Dies konnte allerdings von Veteranen und vom Institut für Militärgeschichte der finnischen Streitkräfte verhindert werden. Es wurde erwirkt, dass das Boot dem Militärgeschichtlichen Museum der finnischen Streitkräfte überstellt wurde. Von diesem wurde es in mehrere Teile zerlegt nach Soumenlinna transportiert und dort wieder zusammengesetzt und restauriert. Nach der insgesamt über zehn Jahre in Anspruch nehmenden Restaurierung konnte Vesikko am 9. Juli 1973 als Museumsboot der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Vesikko liegt heute auf Suomenlinna, einer im 18. Jahrhundert auf fünf kurz vor Helsinki liegenden Inseln gebauten Festung. Die Anlage, von den Einheimischen auch „Gibraltar des Nordens“ genannt, steht auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes und zieht für sich im Jahr Hunderttausende von Besuchern an.

Das Boot steht auf Betonsockeln direkt am Ufer einer der Inseln. An der Backbordseite wurden vorn im Bugraum und achtern am Ende des E-Maschinenraum Türen als Ein- und Ausgang installiert. Vesikko präsentiert sich von außen in sehr gutem Gesamtzustand, der Außenanstrich wurde fachgerecht und authentisch durchgeführt und das hölzerne Deck zeigt keine Zeichen von Zerfall. Bis auf die Türen befindet sich Vesikko rundum, insbesondere die äußeren Torpedoklappen und der Turm, in absolut originalem Zustand. Auch von innen befindet sich Vesikko in gutem Zustand.

Es fehlen kaum Armaturen und der Innenanstrich wurde sorgsam ausgeführt. Die Dieselmotoren wurden allerdings durch hölzerne Attrappen ersetzt, lediglich die Kipphebel sowie einige andere Teile stammen noch von den ursprünglichen Maschinen. Diese Attrappen sind recht originalgetreu ausgeführt, zusammen mit der etwas dunkleren Beleuchtung in diesem Bereich führt dies dazu, dass man schon dagegen klopfen muss, um zu erkennen, dass es sich nicht um echte Motoren handelt. Das WC des Bootes musste zugunsten des Ausganges ausgebaut werden, es wurde konserviert und wird nun zeitweise separat ausgestellt. Im Bugraum wurden sämtliche Kojen backbord für den Eingang entfernt, die Offizierskojen wurden durch Sitzbänke ersetzt, auf denen auch der Kassierer seinen Platz findet. Das Boot ist während seiner Öffnungszeiten ständig von zwei Personen besetzt, einem Kassierer und einer Person, die dem Publikum für Fragen oder nähere Erläuterungen zur Verfügung steht.

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Hierbei handelt es sich fast ausschließlich um junge Studenten der Universität der Streitkräfte, die sich mit dieser Tätigkeit etwas dazu verdienen. Für sie wurde von der Museumsleitung ein umfangreicher Aktenordner angelegt, in dem sich ein Kanon von Informationen – geschichtlich wie technisch – rund um Vesikko befindet, den die Mitarbeiter lernen müssen. Es befinden sich auch einige Bände an Fachliteratur an Bord, in denen spezielleren Fragen nachgegangen werden kann. Führungen werden aufgrund der Enge im Boot nicht veranstaltet, ein Mitarbeiter beobachtet das Publikum und tritt bei Interesse an die Besucher heran und erläutert ihnen die Dinge von ihrem Interesse. Vesikko befindet sich im Gegensatz zu den anderen aus dem Zweiten Weltkrieg erhaltenen deutschen U-Booten in staatlicher Hand, der Eintrittspreis ist mit 5 € für einen Erwachsenen entsprechend erschwinglich.

Im Jahr 2011 wurde mit aufwändigen Renovierungsarbeiten begonnen, so wurde beispielsweise der Stand des Bootes erhöht um Wasserkontakte zu minimieren und ein authentischer Anstrich, der dem des Jahres 1943 entspricht, aufgetragen. Zum 80-jährigen Jubiläum des Bootes 2013 konnten die Arbeiten, die ca. 400 000 € kosteten, abgeschlossen werden. Die finanzielle Lage des Bootes ist nach Angaben des Militärgeschichtlichen Museums insgesamt gut.


Literatur:
Rössler, Eberhard (1996). Geschichte des deutschen U-Boot-Baus. Bonn: Bernard & Graefe. ISBN 3-7637-5800-3
Rössler, Eberhard (1999). Uboottyp II. Die „Einbäume“. Vom Original zum Modell. Bonn: Bernard & Graefe. ISBN 3-7637-6023-7

Weblinks:
Website über das Boot mit historischem Videomaterial
https://www.vesikko.fi/

Sieben 360°-Panorama-Aufnahmen von Vesikko
https://www.kolumbus.fi/mika.ajomaa/Panorama_2.html

Kai Steenbuck, November 2015
email: steenbuck@foni.net