Quecksilbertransporte

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Quecksilbertransporte auf U-Booten der Kriegsmarine

Am 26.09.2013 erhalten wir vom Referenten des britischen Verteidigungsministeriums (MoD UK) für Unterwasserbergungen und Wrackuntersuchungen, mit dem wir schon seit einigen Jahren hilfreiche Kontakte bei der Identifizierung von Wracks deutscher U-Boote aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg haben, eine erneute Anfrage zu möglichen Quecksilber-Transporten auf U-Booten der Kriegsmarine. Das MoD UK war nämlich in die nun be-ginnende Bergungs- bzw. Versiegelungsoperation für das Wrack von U 864 bei der Insel Fedje vor dem norwegischen Bergen involviert und fragte aus diesem Anlass nach unseren Erkenntnissen über weitere, mögliche Mitnahmen von Quecksilber-Ladungen auf U-Booten der Kriegsmarine. Waren solche Ladungen auf versenkten U-Booten, stellen sie durch Freisetzung des Quecksilbers nach Durchrosten der Transportbehälter eine erhebliche Gefahr für die Umwelt das, wie es einige Fälle von Quecksilber-Einlässen in das Meer in der Vergangenheit auf dramatische Weise schon bestätigt haben.

In unseren Recherchen konnten wir ermitteln, dass Quecksilber als Kielladung auf einigen U-Booten der Kriegsmarine mitgeführt worden, die zu Stützpunkten im japanisch besetzten Südostasien gefahren sind, bzw. fahren sollten. In größeren Mengen wurde Quecksilber dann in den speziell zu Transport-U-Booten umgerüsteten Booten in den Jahren 1944 und 1945 auf dem Weg nach Südostasien mitgeführt, dies in Umsetzung der deutsch-japanischen Vereinbarungen zum Austausch von kriegswichtigem Material und Technik. Einige dieser U-Boote erreichten ihre Bestimmungsstützpunkte, andere wiederum wurden auf der Fahrt versenkt, wie z.B. U 864, oder hatten bei Kriegsende mit der Ladung an Bord kapituliert.

In unserer Antwort an das MoD UK listeten wir dann im Einzelnen jene Boote auf, die nach unseren bisherigen Erkenntnissen mit Sicherheit Quecksilber-Ladungen an Bord hatten sowie solche mit vermutlichen Ladungen dieser Art, aber auch die, von denen noch Vorbereitungen bei Kriegsende für entsprechende Transporte bekannt geworden sind. Ein nicht zu lösendes Problem bei den Untersuchungen ist, das diese Transporte unter größter Geheimhaltung vorbereitet und durchgeführt worden sind, nicht einmal die betroffenen Besatzungen wussten genau, was in den Metallbehältern an Bord gebracht wurden. Diejenigen, die tatsächlich genauere Kenntnisse davon hatten, war zu strengster Verschwiegenheit verpflichtet worden. Es gibt also kaum Unterlagen dazu, diesbezügliche Aussagen von sogenannten Zeitzeugen nach dem Krieg sind nur mit allergrößter Vorsicht zu genießen.

1. U-Boote mit bekannt gewordenen Quecksilberladungen

  • Am 30.03.1944 läuft das in Deutschland am 15.02.1944 an eine japanische Besatzung übergebene Typ IXC/40 U-Boot U 1224 als japanisches U-Boot RO-501 in Kiel mit dem Endziel Japan aus, an Bord auch einige Metallflaschen mit Quecksilber, genauere Daten dazu sind aber bislang unbekannt. Auf seiner Überführungsfahrt wird RO-501 am 13.05.1944 etwa 500 sm westlich der Kapverden von US-Seestreitkräften versenkt.
  • Am 08.04.1944 verlässt das Typ IXD2 U-Boot U 859 Marviken in Norwegen mit dem Ziel japanischer Stützpunkt Penang in Malaysia. Kurz vor Erreichen seines Zielstützpunktes wird das Boot am 23.09.1944 durch ein britisches U-Boot versenkt. In den 1960er Jahren konnten bei einer größeren Unterwasser-Operation rund 32 Tonnen Quecksilber geborgen werden.
  • Am 07.02.1945 verlässt das Typ IXD2 U-Boot U 864 Bergen mit dem Ziel Südostasien, wird aber schon am 09.02.1945 bei der Insel Fedje vor Bergen durch ein britisches U-Boot versenkt. Die genauere Untersuchung des Wracks durch Norwegen hat inzwischen eine Ladung von rund 67 Tonnen Quecksilber in insgesamt 1.857 Metallflaschen als Kielballast identifiziert, die nun entweder geborgen oder unter Wasser versiegelt werden sollen.
  • Am 16.04.1945 verlässt das Typ XB U-Boot U 234 Kristiansand für eine Transportfahrt nach Südostasien. Mit dem Befehl zur Einstellung von Kampfhandlungen und der Aufforderung zur Kapitulation übergibt sich das U-Boot US-Seestreitkräften und wird von diesem nach dem eskortierten Einlaufen am 16.05.1945 im amerikanischen Marinestützpunkt Portsmouth, New Hampshire genauer untersucht. Aus der durch die US Navy dann erstellten Ladeliste können wir heute entnehmen, dass U 234 u.a. auch 24,1 Tonnen Quecksilber in insgesamt 613 Metallflaschen als Kielballast an Bord hatte. Durch diese Ladeliste wird auch erkennbar, dass eine solche Metallflasche zwischen 30 und 40 kg wog.

2. U-Boote, die auf Einsatz-Unternehmungen nach Südostasien gewisse, aber bislang unbestätigte Mengen an Quecksilber als Kielballast mitgenommen haben

  • Am 20.04.1944 verlässt das Typ IXD2 U-Boot U 861 Kiel, um die Gruppe der deutschen „Monsun“ U-Boote in Südostasien zu verstärken. Es erreichte Singapur am 22.09.1944 mit berichteten Quecksilber-Flaschen an Bord.
  • Am 03.06.1944 verlässt das Typ IXD2 U-Boot U 862 Narvik, ebenfalls, um die Gruppe der „Monsun“ U-Boote zu verstärken. Es erreicht 09.09.1944 den Stützpunkt Penang in Malaysia. Auch hierzu gibt es Berichte über mitgeführte Quecksilber-Flaschen als Kielballast.
  • Am 30.03.1945 verlässt das Typ IXD2 U-Boot U 873 Kristiansand, ursprünglich ebenfalls zu einer Transportfahrt nach Südostasien vorgesehen, dann jedoch zu einer Langstrecken-Unternehmung auf die westliche Seite des Atlantik umbefohlen. Zur Kapitulation aufgefordert ergibt sich das U-Boot am 11.05.1945 US-Seestreitkräften und läuft eskortiert am 16.05.1945 im Stützpunkt Portsmouth der US Navy ein. In den US-Berichten von der Inspektion der Ladung an Bord wird u.a. auch Quecksilber genannt.

3. U-Boote, die erkannt in Vorbereitungen für Transportfahrten mit Quecksilber an Bord nach Südostasien gewesen sind

  • Am 09.05.1945 kapitulierte das Typ IXD2 U-Boot U 874 im norwegischen Horten. Bei der Überführung nach Großbritannien zur Vernichtung im Rahmen der „Operation Deadlight“ wurde das U-Boot im August 1945 in Birkenhead bei Liverpool eingedockt und u.a. sein Kielballast mit Quecksilberflaschen entfernt.
  • Am 09.05.1945 kapitulierte auch das Typ IXD2 U-Boot U 875 im norwegischen Bergen. Auch dieses U-Boot wurde nach der Überführung nach Großbritannien im September 1945 in Birkenhead eingedockt, um u.a. seinen Kielballast aus Quecksilberflaschen zu entfernen.

4. Weitere U-Boote, die nach Südostasien verlegten und die möglicherweise auf dem Transit gewisse Mengen an Quecksilberfaschen mitgenommen hatten, wozu es aber bislang keine bestätigten Berichte gibt. Dabei sind mit folgenden Auslauftagen in Europa und Einlauftagen in Südostasien zu betrachten: U 1062 ( 03.01.44 bis 19.04.44), U 843 (19.02.44 bis 11.06.44), U 181 (16.03.44 bis 08.08.44), U 196 (16.03.44 bis 10.08.44), U 537 (25.03.44 bis 02.08.44), U 195 (21.08.44 bis 28.12.44), U 219 (23.08.44 bis 11.12.44) , sowie U 851, das am 26.02.44 ausgelaufen war, aber seit 27.03.44 nördlich der Azoren vermisst wird.

Recherche und Textbeitrag: Peter Monte – Deutsches U-Boot-Museum