Der Fall Laconia

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Auszug aus einem Schreiben an die Mitglieder des FTU e.V. im September 2011 – Autor Horst Bredow – Stifter und Gründer des Deutschen U-Boot-Museum

Im Oktober 2010 besuchte uns das Filmteam „TEAMWORX“ und bat um Unterstützung bei einem Projekt, das sie gemeinsam mit einer englischen Produktionsfirma bearbeiten: Die Darstellung des „Falles Laconia“. Jetzt, fast ein Jahr später, erhielten wir das Ergebnis auf DVD – sowohl in englischer als auch in deutscher Fassung und um es gleich vorweg zu sagen: Beide Fassungen sind hervorragend, historisch einwandfrei, fair und sauber in ihrer Darstellung.

Ich möchte diese filmische Dokumentation zum Anlass nehmen, um darzustellen, worum es sich handelt, da ich annehmen muss, dass die Jüngeren unter unseren Mitgliedern dieses Geschehen um die Laconia nicht kennen. Wenn nun dieser Film im November 2011 in die Kinos kommt, sollen unsere Freunde des FTU e.V. aber schon Bescheid wissen. Hier nun die Fakten:

01.09.1942

Der brit. Truppentransporter Laconia verlässt die Reede von Kapstadt, um nach England zu gehen. Das Kommando über den 19.695 BRT großen Transporter der Cunard White Star-Linie Liverpool, hat Kapitän Rudolph Sharp. An Bord befinden sich:

Besatzungsmitglieder und Offiziere

    463

Angehörige der britischen Streitkräfte

286

Italienische Kriegsgefangene

             1.809

Polnische Soldaten als Bewacher

103

Zivilisten, Frauen und Kinder

80

Gesamt Personen

2.741

12.09.1942

Die Laconia erhält um 22:07 von U 156 (Hartenstein) zwei Torpedo-Treffer und bleibt schwer beschädigt liegen. Das Schiff fuhr ohne Geleit und die an Bord befindlichen Personen verlassen das Schiff unter tragischen Umständen. Um 23:23 sinkt das Schiff auf 05°05’S 11°38’W, Kapitän Sharp geht mit seinem Schiff in den Tod.

Als man auf U 156 das schreckliche Ausmaß der Katastrophe erkennt, vor allem, dass Frauen und Kinder sowie viele italienische Gefangene an Bord waren – die damals als Bundesgenossen Deutschlands zu den Achsenmächten gehörten -, leiten Kommandant Hartenstein und sein 1. WO Mannesmann sofort eine Rettungsaktion ein. Hartenstein lässt seinen Funker einen offenen Funkspruch absetzen mit dem Inhalt, dass er auf den Verlust des Schiffes Laconia hinweist und alle in der Nähe befindlichen Schiffe bittet, an der Rettung teilzunehmen. Dabei versichert er, dass er keines dieser Schiffe angreifen wird. In einem Funkspruch an Dönitz meldet er die Zusammenhänge, Dönitz versteht die seemännische und humane Haltung Hartensteins und ordert U-Boote aus der Gruppe „Eisbär“ – nämlich Erich Würdemann mit U 506 und Harro Schacht mit U 507 zum Untergangsort.


14.09.1942

Ohne die Geretteten, die in den geschleppten Rettungsbooten Platz gefunden hatten, befinden sich an Bord von U 156 insgesamt 236 Schiffbrüchige. U 507 (Schacht) übernimmt 152 Italiener, 2 brit. Offiziere, 2 Frauen und 86 britische Soldaten an Bord und in Schlepp.

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16.09.1942

Um 11:25 wird der Rettungsschlepp U 156 von einem US-Flugzeug überflogen. Hartenstein hatte U 156 über Funk neutralisiert und aus Laken waren große Rot-Kreuz-Flaggen angefertigt worden, die über die Geschütze des Bootes gedeckt waren. Dabei wurde das US-Flugzeug mit Scheinwerfern angemorst und über die Lage informiert. Um 12:32 überflog ein weiteres US-Flugzeug das Rettungsgeleit und bombardierte es. Dabei wurden im Schlepp befindliche Gerettete getötet und U 156 so schwer beschädigt, dass alle nicht zur Besatzung gehörenden Personen von Bord gehen und versuchen mussten, auf einem der Rettungsboote Platz zu finden.

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17.09.1942

U 156 erhält den Befehl, die Rettungsaktion einzustellen, um nicht Boot und Besatzung noch weiter zu gefährden und den Rückmarsch anzutreten. Die Schäden konnten bei weiteren Unterwasserfahrten zum Teil mit Bordmitteln behoben werden. U 507 konnte die Geretteten an französische Streitkräfte der Vichy-Regierung übergeben.

Die Folge des Angriffes auf dieses Rettungsgeleit war der Befehl des Admiral Dönitz, der ihm später beim Nürnberger Prozess angelastet wurde, weitere Rettungsaktionen dieser Art zu unterlassen. Dazu noch folgende Anmerkung:

p218_1_03Dem späteren US-Nato-General R.C. Richardson, seinerzeit Commander der 1. st. Composite Squadron US Airforce, bleibt es vorbehalten, in einer sinnlosen und menschenverachtenden Aktion Angriffe gegen Schiffbrüchige und somit gegen seine eigenen Verbündeten anzusetzen. Die verantwortlichen US-Airforce-Offiziere konnten erst im Jahre 1963 ermittelt werden. Von vielen Zuschriften ehemaliger Gegner, die immer wieder die Fairness und Anständigkeit der deutschen U-Bootfahrer dankbar und lobend hervorheben, die aber meist ganz individuelle Vorgänge beschreiben und sich bedanken, sticht in dem Zusammenhang „Laconia“ vor allem einer heraus, den ich hier nicht vorenthalten möchte.

Hier die Übersetzung ohne weiteren Kommentar – der Brief der Ms. Carole Paton aus Liverpool spricht für sich selbst:

Liverpool, 11 Juni 1993
Mr. Horst Bredow
U-Boot-Archiv – 2190 Cuxhaven 12, Altenbruch, Germany

Dear Mr. Bredow –
U 156 – Sinken des Cunard-Liners „LACONIA“ 12. September 1942

Ich habe das Bedürfnis, Ihnen zu schreiben im Hinblick auf Informationen, die für mich Licht in einen Vorgang gebracht hat, der meinungsbildend war, und über den ich Näheres bei einer Gedächtnisveranstaltung zur Schlacht im Atlantik, die im Mai dieses Jahres hier in Liverpool stattfand. Ich möchte Sie bitten, diese Mitteilung an die ehemaligen deutschen U-Bootfahrer weiterzugeben.

Mein Onkel war Bootsmann auf der Laconia und hat ihre Versenkung leider nicht überlebt. Damals wurde meiner Familie nur mitgeteilt, dass das Schiff im Südatlantik von einem deutschen U-Boot torpediert worden sei und dass mein Onkel Willie nicht überlebt habe. Während dieser Gedächtniswoche „Schlacht im Atlantik“ sah ich zufällig im Fernsehen das Interview eines Überlebenden der Laconia.

Dieser Mann berichtete, wie ein deutsches U-Boot aufgetaucht sei, die Überlebenden mit Proviant und Wasser versorgt und die Rettungsboote in Schlepp genommen habe. Dies erschien mir so unwahrscheinlich, dass ich mich entschloss, weitere Nachforschungen anzustellen, um selbst die Wahrheit herauszufinden. Was ich im Laufe meiner Nachforschungen entdeckte, sollte meine Meinung über die ehemaligen deutschen U-Bootfahrer des 2. Weltkrieges völlig verändern! Ich konnte nicht nur den Bericht dieses Laconia-Überlebenden bestätigen, sondern mir wurde allmählich die ganze Wahrheit um das Geschehen am 12. September 1942 deutlich.

Werner Hartenstein, Korvettenkapitän und Kommandant von U 156 gefallen am 08.03.1943
Werner Hartenstein, Korvettenkapitän und Kommandant von U 156
gefallen am 08.03.1943

Ich erfuhr, wie Korvettenkapitän Hartenstein (U 156) unter sehr beträchtlichem Risiko für sich und seine Besatzung den bisher einmaligen Beschluss fasste, die Überlebenden der Laconia zu retten. Ich erfuhr auch, wie Admiral Dönitz diese Rettungsaktion unterstützte und den Kommandanten KptLt. Würdemann (U 506) und Korvettenkapitän Schacht (U 507) befahl, heranzuschließen und zu helfen. Gemeinsam retteten sie aus Haireichen Gewässern des Südatlantiks mehr als 1000 Überlebende, darunter viele Frauen und Kinder, wobei sie mehrfach von alliierten Flugzeugen angegriffen wurden. Ich habe seither zwei Laconia-Überlebende eingehend gesprochen und den Bericht eines anderen gelesen.

Aus den Aussagen aller drei wurde klar, dass alle Überlebende – ungeachtet ihrer Nationalität und ob sie Freunde oder Feinde waren – von den U-Boot-Besatzungen mit äußerster Aufmerksamkeit und Freundlichkeit behandelt wurden. Aus diesem Grunde glaube ich nicht, dass Werner Hartenstein nur aus der Tatsache entstand, dass die Laconia (auch) italienische Kriegsgefangene an Bord hatte. Darüber hinaus habe ich einen unabhängigen, von einem französischen Marine-Historiker geschriebenen Bericht über den Zwischenfall gelesen, der die unparteiische Darstellung der Geschehnisse auf beiden Seiten in zeitlicher Abfolge schildert.

Von daher bin ich in der Lage, das Dilemma zu ermessen, in dem sich Werner Hartenstein und seine Kameraden befunden haben müssen. Wie viel einfacher wäre es gewesen, den Schauplatz zu verlassen, ohne etwas zu tun. Es ehrt sie sehr, dass sie nicht die einfache Lösung gewählt haben. Im Angedenken an meinen Onkel Willie und alle die, die mit ihm starben, schreibe ich, um alle ehemaligen U-Bootfahrer ein sehr lange überfälliges Dankeschön für die von den Kommandanten und Besatzungen von U 156, U 506 und U 507 ergriffenen Maßnahmen zu sagen.

Ich sehe sie als Männer an, auf die Deutschland berechtigt stolz sein kann. Jedermann sollte sich ihrer als Männer von Ehre erinnern. Es tut mit leid, nicht das Gleiche von dem Piloten und der Besatzung des Liberator-Bombers der Vereinigten Staaten sagen zu können, die U 156, das klar erkennbar mit einer Hilfeleistungs-Aktion beschäftigt war, wiederholt angriffen.

Ich sehe es als bedauerlich an, dass 51 Jahre vergangen sind, bis die Wahrheit bekannt wurde. Es ist nicht klar, warum die lobenswerten Handlungen dieser Männer den Familien der Opfer der Laconia nicht mitgeteilt worden sind. Vielleicht war es ein Versehen. Andererseits mag erwogen worden sein, dass die deutsche U-Bootwaffe in einem guten Licht zu zeigen, dem damaligen Propaganda-Feldzug, der offensichtlich sorgfältig aufgebaut worden war, weitgehend entgegengewirkt hätte.

Das Unangenehme an der Propaganda ist natürlich, dass sie noch lange, nachdem die Feindseligkeiten beendet sind, weiter geglaubt wird und ich fühle, dass sie vermutlich alle in der Folge darunter gelitten haben. Viele Überlebende der Laconia scheinen jedoch über Jahre hinweg versucht zu haben, die wirklichen Geschehnisse des 12. September 1942 bekannt werden zu lassen. Ohne diesen einen von ihnen würde meine Familie die Wahrheit nicht erfahren haben. Nachdem ich auch noch die Memoiren von Admiral Dönitz gelesen habe, kann ich sagen, dass ich jedenfalls über die deutschen U-Boot-Operationen während des zweiten Weltkrieges nun viel besser im Bilde bin. Es scheint mir, dass der – offenbar nun „berühmte“ von Admiral Dönitz nach dem Angriff auf seine U-Boote erteilte „Laconia-Befehl“ nicht erfolgt wäre, wenn die Alliierten mit dem gleichen Maß an menschlichem Mitgefühl reagiert hätten, wie die U-Boot-Kommandanten.

Ich stehe mit einem Überlebenden in Verbindung, der zu der Gedenkwoche viele Meilen weit angereist war. Er war bei dem Untergang der Laconia 14 ½ Jahre alt, das damalige Geschehen hat sich aber tief bei ihm eingebrannt und er erinnert sich lebendig an die Freundlichkeit, die ihm von Kommandant Hartenstein entgegengebracht wurde. Als er erfuhr, dass ich Ihnen schreiben wollte, bat er mich, sehr herzlich zu grüßen und auch seine Dankbarkeit zu übermitteln.

Ich habe für einige Wochen versucht, herauszufinden, an wen ich meinen Brief richten soll. Schließlich gab mit Mr. Paul Hedgecock RNR Ihren Namen und Ihre Adresse. Für ihn sind Sie es, der die deutschen U-Bootfahrer in Deutschland und in der Welt vertritt.

Bitte, teilen Sie den deutschen U-Bootfahrern mit, was ich Ihnen schrieb und seien Sie versichert, dass wir bei unseren Gedenkveranstaltungen der furchtbaren Verluste der deutschen U-Bootfahrer ebenso im Herzen behalten wie die unserer eigenen Seeleute.

Yours very sincerely

Unterschrift Carole Paton



siehe auch unsere Buchbesprechung  Mit U 156 auf Feindfahrt und der Fall „Laconia

Quelle: Text und Bildmaterial – Deutsches U-Boot-Museum

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