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U 480 und die Geheimnisse um die „Tarnkappen“ U-Boote der Kriegsmarine

Meist zu später Stunde wird seit 2009 auf einigen TV-Kanälen wie ARTE oder National Geographic, aber auch im britischen ITV, wiederholt die Dokumentation „Vom Jäger zum Gejagten – U 480, das erste Stealth U-Boot der Geschichte“ der Autoren John Ruthven und Peter Bardehle gezeigt, die unter Verwendung von Taucheraufnahmen des erst 1998 entdeckten Wracks von U 480 die Geschichte dieses Bootes mit seiner ungewöhnlichen Außenhautbeschichtung aus Gummi zeigen und dabei nun auch dessen tatsächliches Ende zwischen dem 29.01 und 24.02.1945 nach einem Treffer in einem Minenfeld südwestlich der Scilly Islands aufklären konnte, da man bis-lang von einer Vernichtung des U-Bootes durch zwei britische Kriegsschiffe (24.02.1945 durch die Fregatten HMS Duckworth und HMS Rowley) ausging. Die jetzige Fundstelle von U 480 liegt um über 300 sm von der bislang angenommenen Versenkungsposition entfernt.

U 480 war das erste U-Boot der Kriegsmarine, welches mit einer besonderen Außenhautbeschichtung als Teil des Projektes „Alberich“ im August 1944 in den Fronteinsatz geschickt wurde und dabei zwischen dem 21. und 25.08.1944 im Englischen Kanal insgesamt 2 Kriegsschiffe und 2 Handelsschiffe versenken konnte, ohne jemals entdeckt zu werden. Neben U 480 hat es bei mindestens 10 weiteren U-Booten Versuche mit der „Alberich“-Außenhautbeschichtung gegeben und einige davon haben auch Fronteinsätze erlebt, doch nur 2 solcher U-Boote (U 485 und U 1105) sind erst nach Kriegsende zerstört worden.

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Indienststellung von U 480 am 06.10.1943
Indienststellung von U 480 am 06.10.1943

Überlieferte Berichte in Form von erhaltenen Kriegstagebüchern oder persönlichen Erinnerungen überlebt habender Besatzungsmitgliedern weisen bei einigen anderen U-Booten, die mit einer solchen ungewöhnlichen Außenhautbeschichtung in den Einsatz geschickt wurden, ähnlich positive Erfahrungen wie U 480 im August 1944 in der „Nicht-Entdeckung“ durch U-Jagdschiffe trotz intensiver Verfolgung auf. Bekannt sind uns in diesem Zusammenhang Berichte von U 485, U 1105 und U 1107.

Das Projekt „Alberich“ ist in seiner Offenlegung nicht neu und es gibt dazu seit Jahrzehnten in vielen Fachbüchern Informationen, auch sind dazu zahlreiche Artikel erschienen und in den einschlägigen Foren im Internet sind dazu immer wieder Diskussionen zu beobachten. Auch hat das U-Boot Museum dazu eine Reihe von persönlichen Erinnerungen von ehemaligen Besatzungsmitgliedern von „Alberich“-U-Booten in seiner Sammlung. Mit der TV-Dokumentation hat die Geschichte um „Alberich“ jedoch neue Nahrung erhalten und, wie immer in solchen Fällen, haben sich auch einige Mythen dazu entwickelt, die diese Boote modernistisch nun zu „Stealth“-Waffen machen oder sie in die Reihe der „Wunderwaffen“ des Dritten Reiches stellen wollen. Der Name „Alberich“ für das Projekt einer besonderen Außenhautbeschichtung eines U-Bootes aus aufgeklebtem, synthetischem Gummi in Plattenform aus 2 Schichten von je 2 – 2,5 mm Stärke zur möglichst völligen Unterdrückung von eigenen Unterwasserechos bei Schallortung durch Sonaranlagen (Im Zweiten Weltkrieg: ASDIC) von Überwasser U-Jagdschiffen ist der nordischen Sagenwelt entnommen. Dort war der Zwergenkönig Alberich, der auch als „Oberon“ Eingang in die König Arthus-Sage gefunden hat, in der Lage, sich im Kampf durch Überwerfen eines Tarnkappenmantels unsichtbar zu machen.

p235_1_02Erste Versuche, mit einer Gummibeschichtung die Erfassung des U-Bootes durch Sonar-Ortung von U-Jagdschiffen zu mindern und möglichst ganz zu verhindern, gab es bereits im Frühjahr 1940 mit dem Typ II B U-Boot U 11. Im Frühjahr 1941 wurden dann weitere Erprobungen mit dem Typ IX C U-Boot U 67 durchgeführt, aber das Hauptproblem, nämlich das teilweise Ablösen der Gummibeschichtungen bei höheren Fahrtstufen, bestimmtem Seegang oder Grundberührung, konnte nicht gelöst werden. Nach weiteren Versuchen mit dem niederländischen Beute-U-Boot UD 4 im Herbst 1941 erhielt der Neubau des Typ VII C U-Bootes U 480 bei der Bauwerft, den Deutschen Werken in Kiel, im Sommer 1943 als 3. U-Boot von vornherein eine Gummibeschichtung.

U 480 war dann auch das erste Frontboot mit dieser neuartigen Außenhaut. Danach wurden weitere Neubau-U-Boote mit der Gummischicht versehen, u.z. die beiden Typ VII C U-Boote U 485 (Indienststellung: 23.02.1944) und U 486 (Indienststellung: 22.03.1944) bei den Deutschen Werken, sowie die Typ VII C U-Boote U 1105 (Indienststellung: 03.06.1944) bei Blohm & Voss in Hamburg, U 1106 (Indienststellung: 05.07.1944) und U 1107 (Indienststellung: 08.08.1944) bei den Nordseewerken in Emden, sowie die VII C U-Boote U 1304 (Indienststellung: 06.09.1944) und U 1307 (Indienststellung: 17.11.1944) bei der Flensburger Schiffbau Gesellschaft. Im Juli 1944 wurde beschlossen, bei den in Serienfertigung gehenden Typ XXIII U-Booten ebenfalls eine Gummibeschichtung vorzusehen, was aber sowohl wegen der Engpässe bei den verwendbaren Gummisorten als auch schiffbaulichen Infrastrukturdefiziten (Wetterunabhängige Schiffbauhalle für den Beklebungsvorgang) scheiterte, so dass erst Anfang 1945 mit U 4704 (Indienststellung: 14.03.1945) und U 4708 (Das U-Boot wurde noch in der Bauwerft im März 1945 durch Bombenangriffe zerstört) bei der Germania-Werft in Kiel die ersten solcher U-Boote ausgerüstet werden konnten.

Damit haben nach den bisherigen Erkenntnissen insgesamt 14 U-Boote der Kriegsmarine solche Gummibeschichtungen erhalten, die ersten nur im Versuchsstadium, ab U 480 auch teilweise im Fronteinsatz.

p235_1_03Die Britische Abwehr wusste früh von die-sem Projekt, aber interessanterweise sind bislang keine Analysen der Royal Navy aus den Kriegsjahren 1944 und 1945 bekannt, die direkt auf erfolgreiche Einsätze von „Alberich“ U-Booten Bezug nehmen und daraus Folgerungen ziehen. Denn, bereits im Januar 1944 hatten die Briten aus Agentenmeldungen und Befragungen von in Gefangenschaft geratenen U-Bootbesatzungsmitgliedern gesicherte Erkenntnisse über die Versuche mit der Gummi-Außenbeschichtung an U-Booten, waren sich aber nicht ganz sicher über den tatsächlichen Zweck dieses Projektes. Und, im November 1944 erstattet der britische Befehlshaber der U-Boote (Admiral „Submarines“) der Marineführung einen zusammenfassenden Bericht zu den bisherigen Erkenntnissen über die Maßnahme „Gummibeschichtung“ an deutschen U-Booten und folgert, dass diese mit hoher Wahrscheinlichkeit ein technisches Verfahren zum Schutz vor ASDIC-Ortung sei. So haben nicht ganz ohne Grund sowohl die Briten als auch die Amerikaner bei Kriegsende sehr schnell entschieden, das bei der Kapitulation in die Hände gefallene „Alberich“-U-Boot U 1105, den berühmten „Schwarzen Panther“, nicht sofort zur Verschrottung durch Versenkung zu bestimmen, sondern erst eingehend zu untersuchen und ggf. weitere Tests mit ihm zu unternehmen. U 1105 ist nach Versuchen bei der US Navy erst am 18.11.1948 in der Chesapeake Bay vor Virginias Küste endgültig versenkt worden.

Fazit:

OlzS Hans-Joachim Förster - Kommandant U 480 - gefallen am 24.02.1945
OlzS Hans-Joachim Förster – Kommandant U 480 – gefallen am 24.02.1945

Mit der internationalen TV-Dokumentation von 2009 konnten zwar die Umstände des Untergangs von U 480 geklärt werden, die danach entstandene Diskussion pflegte dann aber teilweise den Mythos von deutschen „Stealth“-U-Booten und diese als einen weiteren Bestandteil deutscher „Wunderwaffen“, die erfolgreichen Einsätze von U 480 oder U 1105 mögen dazu beigetragen haben. Aber, ist allein schon die Bezeichnung „Stealth“ falsch, denn sie ist durch den Zusammenhang mit der Anti-Radar-Technik belegt, sollte man vorsichtig sein, die „Alberich“-Ausstattung nun auf die Schiene der „Wunderwaffen“ des Dritten Reiches zu setzen. Zweifellos war dies eine bahnbrechende Entwicklung und sie hat durchaus Erfolge im Einsatz aufzuweisen. Aber, die Technik war viel zu aufwändig in der Herstellung, zu anfällig im Einsatz durch Schäden am Gummikörper mit dann weitgehendem Verlust der beabsichtigten Tarnung, und sie ist in der weiteren Entwicklung im U-Bootbau nicht weiter verfolgt worden. Interessanterweise hat die Kriegsmarine bei ihrer neuen, als technisch-operativen Durchbruch erhofften Hauptwaffe zu Ende des Krieges, dem Elektroboot vom Typ XXI, nie eine „Alberich“ – Beschichtung vorgesehen. „Alberich“ war also eine Episode und sie war zweifellos eine bemerkenswerte, technische Leistung, sie ist aber eben nicht weiter verfolgt worden.

Auch haben die siegreichen Alliierten bei der Untersuchung des im Mai 1945 übernommenen „Alberich“-U-Bootes U 1105 dessen revolutionäre Außenhautbeschichtung weder zur Grundlage eigener Entwicklungen in der Royal Navy noch in der US Navy gemacht. Die Unterwassertarnung bei U-Booten wird heute durch die Form des Bootskörpers und im Wesentlichen durch eine mit speziellen Materialien geglättete Außenhaut erreicht. Und schließlich, „Alberich“ – U-Boote wurden letztlich doch von U-Jagdkräften der Alliierten aufgespürt und versenkt, und zwar von einem Gegner, der zu mehr als 40 % für die Versenkungen deutscher U-Boote verantwortlich war: Dem Flugzeug, gegen das eine Anti-Sonarausrüstung nur wenig half.

Literatur:

  • Naval Historic Branch Ministry of Defence UK – FDSN1/89
  • Eberhard Rössler: „Geschichte des deutschen Ubootbaus„, Band 1, Bernhard & Graefe, 2.Auflage, Koblenz 1986

Weblinks:

Text und Bildmaterial – Deutsches U-Boot-Museum

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