Schicksal der U-Boote

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Das Schicksal der deutschen U-Boote im zweiten Weltkrieg

Der nachstehende Bericht stammt von unserem ehemaligen Mitglied Kurt Kinkele anlässlich eines Vortrages aus dem September 2004. Kurt Kinkele – geb. am 03.06.1922 – war selbst Offizier auf den Booten U 438, U 456, U 458 und U 73 und beschreibt die damalige Situation und seine eigenen Erlebnisse an Bord.


Wenn ich heute – 63 Jahre später in einen Seehafen komme und das Gemisch von Öl und Seewasser rieche, steigen sofort Bilder aus der Kriegszeit in meinem Gedächtnis auf. Erinnerungen an meine Marinezeit. An die U-Boote auf denen ich gefahren bin. An meine Jugend. Bevor ich darüber berichte und zum allgemeinen Verständnis, kann ich Ihnen jedoch nicht ersparen einiges über den militärhistorischen Verlauf der U-Bootsgeschichte darzulegen. Die deutschen U-Boote versenkten im zweiten Weltkrieg fast 3.000 Schiffe mit ca. 14,5 Mio Tonnage. Winston Churchill schrieb in seiner Geschichte des zweiten Weltkriegs – „Der U-Bootkrieg war unser schlimmstes Übel. Es wäre weise von den Deutschen gewesen, alles auf diese Karte zu setzen.“

Dabei hatte die deutsche Marine bei Kriegsbeginn nur um die fünfzig U-Boote, die meisten davon kleine und Schulboote. Das langfristige Flottenbauprogramm hatte als Schwerpunkt nicht den U-Bootsbau, sondern den Aufbau einer starken Überwasserflotte, bestehend aus Schlachtschiffen, Panzerschiffen, Kreuzern und Zerstörern. Ganz im Geiste von Großadmiral Räder, dem Chef der Marine. Der Führer der U-Boote war Karl Dönitz, der ganz andere Vorstellungen vom Seekrieg hatte. Er hatte die kleine U-Bootarmada seit 1936 aufgebaut und trainiert. Doch entsprach seine Bedeutung in der Flottenführung seinem Dienstgrad. Kapitän zur See.

Wir hatten zu Kriegsbeginn drei U-Bootstypen, von denen zwei den ganzen Krieg über das Gros der kämpfenden U-Bootflotte bildeten.

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Typ VII

Typ VII a – c stellte nach Karl Dönitz die beste Synthese zwischen sich widersprechenden Forderungen dar: Ein U-Boot durfte nicht so groß werden, dass seine tauchtechnischen Eigenschaften und seine Manövrierfähigkeit litten, es durfte aber andererseits nicht so klein sein, dass sein Aktionsbereich einen Einsatz im Atlantik unmöglich machte. Diese Boote waren 67 m lang und 6 m breit. Aufgetaucht verdrängten sie 769 t, getaucht 871 t. Ihre Besatzung betrug rund 50 Mann, 4 davon Offiziere. Sie hatten im Bug 4 Torpedorohre, im Heck ein Torpedorohr. Wenn Sie je einmal nach Kiel kommen, sollten Sie sich U 995 anschauen, das dort aufgebockt und als Museumsboot in der Nähe des Marineehrenmals Laboe steht.

Auch der Film Das Boot spielte auf einem VII C-Boot. Von diesem Typ wurden im Laufe des Krieges über 600 Boote gebaut. Es ist die zahlenmäßig größte U-Bootsklasse die je in einem Land gebaut worden ist. Insgesamt konnte ein Boot vom Typ VII bis zu 14 Torpedos mit sich führen. Die Kanone auf seinem Vordeck hatte das Kaliber 8,8. Später wurde sie durch Flak-Geschütze ersetzt. Eine Vierlingsflak 2 cm hinter dem Turm und 2 2 cm Zwillingsgeschütze auf dem Turm. Das Boot wurde bei Überwasserfahrt von zwei Dieselmotoren mit zusammen 2.800 PS getrieben, bei Unterwasserfahrt von zwei Elektromotoren. Über Wasser konnten die Boote vom Typ VII etwa 17 kn, rund 31 Stundenkilometer, erreichen. Unter Wasser war die Höchstgeschwindigkeit 7,6 kn, etwa 14 Stundenkilometer. Diese Geschwindigkeit konnten die Boote jedoch nur kurze Zeit fahren, dann waren die Batterien erschöpft. Deshalb fuhren sie getaucht meist sehr viel langsamer. Der Aktionsradius betrug bei Marschfahrt 10 Knoten, 8.500 sm, bei Höchstfahrt 3.250 sm. Die Tauchzeit 30 s.

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Typ IX

Typ IX waren große Tauchboote für ozeanische Verwendung. 230 Stück wurden im Laufe des Krieges in Dienst gestellt. Sie hatten 1.120 t über und 1.540 t unter, Wasserverdrängung. Sie konnten 5.000 sm bei Höchstfahrt und 13.450 sm bei Marschfahrt erreichen. Die nochmals vergrößerten Boote dieses Typs, mit 1600 / 2150 t – für den Ostasien-Einsatz als Monsunboote bezeichnet- konnten eine Fahrstrecke von 32.000 sm bewältigen. Tauchzeit 35 – 45 s.

Die Taktik

Schon im ersten Weltkrieg war Dönitz aus persönlichem Erleben heraus zu der Erkenntnis gekommen, dass man der Konzentration der Handelsschiffe im Geleitzug eine Konzentration der U-Boote am Konvoi entgegensetzen müsse. Aus dieser Überlegung entwickelte Dönitz schon vor dem Kriege die Gruppen- oder Rudeltaktik. Das Ziel war eine Gruppe aus mehreren, taktisch straff geführten U-Booten gleichzeitig an den Konvoi heranzubringen, um dadurch die Sicherung des Geleitzugs zu zersplittern und den einzelnen Booten größere Erfolgschancen zu verschaffen. Dies sollten sie nicht nur im Unterwasserangriff, sondern im Überwasser-Nachtangriff nutzen. Die Boote waren wegen ihrer niedrigen Silhouette und der dadurch bedingten geringen Sichtbarkeit im Dunkeln, dafür bestens geeignet. Für Dönitz war klar, dass er für einen erfolgreichen Tonnagekrieg gegen England etwa 100 Boote im Operationsgebiet benötigte. Nach der Regel 1/3 der Boote im Kampf, 1/3 im An- und Abmarsch, 1/3 im Hafen, hätte das einen Bestand von 300 Frontbooten erfordert. Bei Kriegsbeginn hatte er 23 atlantikfähige Boote. Man kann den deutschen U-Bootskrieg gegen Handelsschiffe in acht Phasen einteilen.

Phase I: September 1939 bis Juni 1940 (die ersten neun Monate)

Hitler erhoffte nach dem erfolgreichen Polenfeldzug den Krieg beenden zu können. Er gab einschränkende Befehle um vor allem Frankreich nicht unnötig zu reizen. Das erste versenkte Schiff die Athenia war jedoch nicht wie der Kommandant von U 30 angenommen hatte ein Hilfskreuzer, sondern ein bewaffneter Passagierdampfer. Seine warnungslose Versenkung ließ auf britischer Seite den Eindruck entstehen, dass Deutschland beabsichtigte den U-Bootskrieg sofort uneingeschränkt zu führen. Das nahmen die Engländer zum Vorwand die bereits vorbereitete Bewaffnung aller Handelsschiffe und ihre Einbeziehung in das Nachrichten und Abwehrsystem der Admiralität durchzuführen. Das Konvoisystem wurde eingeführt. Die deutschen U-Boote versenkten in dieser Phase I 361 Handelsschiffe mit 1,4 Mio. BRT und beschädigten 15 Schiffe mit 98.000 BRT. Außerdem erzielten sie große Erfolge mit der Versenkung des Flugzeugträgers Courageous und dem kühnen Eindringen nach Scapa Flow von U 47 unter Kaptlt. Prien der dort das Schlachtschiff Royal Oak versenkte. 23 eigene Boote gingen verloren.

Ein Schock war für die U-Bootsleute, dass es unerwartete Probleme mit den Torpedos gab. Versagen der Magnetpistole, Frühzündung, oder fehlerhafter Tiefenlauf. Das ganze Norwegenunternehmen wäre anders verlaufen, denn den Booten gelang es insgesamt 27 Angriffe gegen britische Kriegsschiffe zu fahren. Alles Versager. Nur ein britisches U-Boot wurde getroffen und versenkt.

Phase II: Juli 1940 bis März 1941 ( die zweiten neun Monate )

Die Eroberung Norwegens und der Sieg über Frankreich veränderten die seestrategische Lage Deutschlands grundlegend. Die Basen in Trondheim und Bergen entstanden. Die Atlantikhäfen Frankreichs verkürzten die Anmarschwege wesentlich und verlängerten die Zeit im Operationsgebiet. Ab Ende Juli 1940 stieg die Zahl der operierenden Frontboote auf durchschnittlich zehn. Sie wurden hauptsächlich vor dem Nordkanal, der zwischen Irland und England verläuft, eingesetzt. Dorthin hatten die Engländer den Konvoiverkehr verlagert. Als taktische Formen kamen dabei zum tragen: Das Besetzen bestimmter Angriffsquadrate oder das Bilden stationärer Vorpostenstreifen oder ein beweglicher Aufklärungsstreifen mehrerer Boote. Man wollte damit die ein- oder auslaufenden Konvois erfassen. Sichtete ein U-Boot einen Konvoi, so hatte es als Fühlungshalter per Funk die anderen Boote heranzuführen. Anfang September 1940 kam es zur ersten erfolgreichen Geleitzugsschlacht. Eine Bestätigung des Dönitz-Konzeptes!

Die U-Boote versenkten in der Phase II 380 Handelsschiffe mit über 2 Mio. BRT und beschädigten 36 Schiffe mit ca. 250.000 BRT. Die eigenen Verluste betrugen 13 Boote. ( 416 zu 13 ) Darunter U 47, U 100 und U 99, mit den bisher erfolgreichsten Kommandanten Prien, Schepke und Kretschmer.

Phase III: April 1941 bis Dezember 1941 (die Gegenstrategie der Alliierten kommt zum Tragen )

Die plötzlichen Verluste, deren Ursache zunächst unklar blieb, veranlasste den B.d.U. (Befehlshaber der U-Boote) mit seinen Bootsaufstellungen nach Westen auszuweichen. Je weiter er sich jedoch von den Bündelungspositionen der Konvois zurückzog, desto schwieriger wurde es mit den immer noch wenigen Booten die Geleitzüge zu finden. Man bildete deshalb schnelle bewegliche Aufklärungsstreifen, die es dem Gegner erschwerten die Streifen zu erfassen und zu umgehen. Mit dieser Taktik konnten nun laufend Geleitzüge erfasst werden, zumal ständig neue Boote hinzukamen. Die U-Boote versenkten in der Phase III 343 Handelschiffe mit ca. 1,6 Mio BRT., 17 Schiffe mit ca. 250 000 BRT. wurden beschädigt. 28 eigene Boote gingen verloren. ( 360 zu 28 )

Phase IV: Januar 1942 bis Juli 1942 ( neuer Gegner USA )

Da war ich mit dabei. Als frischgebackener Fähnrich zur See, unterwegs nach Königsberg um bei U 438 einzusteigen. 19 Jahre alt. Einige Monate Fronterfahrung auf einem Zerstörer. Freiwillig? Das wusste ich nicht ganz genau, denn mein Traum war wie schon vorher auf einem Zerstörer zu fahren. Aber der Offiziersjahrgang dem ich angehörte, hatte die Ehre sich als erster Offiziersjahrgang der Marine, geschlossen zur U-Bootswaffe zu melden. Das war’s dann. Unterschrift war nicht gefragt. Schweigen galt als Zustimmung. Wir schwiegen alle, als uns Admiral von Friedeburg diese frohe Botschaft verkündete. Für die meisten von uns das Todesurteil. Auch für den Crewkameraden, der mit mir auf U 438 kommandiert wurde.

Es war ein eisiger Winter. Er ging als Gefrierfleischwinter in die Geschichte ein. Er hatte die Wehrmacht vor Moskau gestoppt. U 438 war im Eis des Königsberger Hafens eingefroren. Es war ein nagelneues Boot. Die Schichauwerft in Danzig hatte es gebaut. Die Besatzung war bereits eingespielt und ging nun in die letzte Prüfung. Die AGruFront. ( Ausbildungsgruppe Front). Hier wurden Kommandant und Besatzung harten, kriegsnahen Umständen ausgesetzt und von den Augen strenger Prüfer kontrolliert. Geleitzugsangriffe. Scharfe Wasserbomben, technische Ausfälle aller Art. Kurz, alles was dem Boot auf Feindfahrt bevorstand. Wie realistisch die Situation war, erlebte ich am eigenen Leib, als unser Boot im Geleitzugsangriff mit einem Handelsschiff kollidierte und da-bei so beschädigt wurde, dass es für mehrere Wochen in die Werft musste. – Werftzeit, nichts für Fähnriche. Wir sollten möglichst schnell an die Front. Deshalb setzte man uns nach Kiel in Marsch, wo U 458 klar zum Auslaufen lag. Ziel Nordatlantik.

Unser letzter Stop war der neue Stützpunkt Bergen, dann ging es hoch nach Norden, denn der Kommandant hatte sich entschlossen zwischen den Shettlands und Farörinseln in den Atlantik durchzubrechen. Es war die Zeit, wo die Boote nachts über Wasser liefen und nur bei Feindsichtung tauchten. Jenseits des 10. Längengrades West fuhren wir nur noch aufgetaucht. Wir Fähnriche teilten uns eine Koje im Unteroffiziersraum. Wir waren den Seewachen als Ausguck zugeteilt. Der Kommandant gab uns nautische Aufgaben. Mir gab er eines Tages einen Funkspruch U 458 Tag, Uhrzeit, geographische Länge und Breite, Versorgung. Bringen Sie das Boot dorthin und geben Sie mir die Vorschläge für Kurs und Geschwindigkeit, war alles was er sagte. Von da an war ich nur noch mit Sextanten und nautischen Tafeln am Werken. Ich dachte wir treffen einen Öltanker. Es war mein größtes seemännisches Erlebnis, das Gefühl der Erleichterung, als am Stichtag von der Brücke die Meldung kam „Fahrzeug in Sicht, wahrscheinlich U-Boot“ Bis dahin hatte ich keine Ahnung, dass es so etwas gab.

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Den Typ XIV. Die Milchkuh, wie sie dann von uns genannt wurde. Ein riesiges U-Boot mit 2.300 t unter Wasser. Fast so groß wie ein kleiner Kreuzer im ersten Weltkrieg. Sie konnte 650 t Heizöl mitführen. Sie konnte vier VII c Boote voll tanken und hatte immer noch die Fahrstrecke wie der Typ IX. Sie hatte alles an Bord was U-Boote benötigen. Vom Arzt bis zur Bordbäckerei. Insgesamt kamen 10 Milchkühe ab Sommer 1942 zum Einsatz. — Sie hatten ein kurzes Leben. Es währte nur ein Jahr.

Doch noch war die Operation Paukenschlag im Gange. Deutsche U-Boote operierten im Küstenvorfeld der USA. Kaum gesicherter Schiffsverkehr. Völlig ungeübte Abwehr. Als ich die Küste der USA zum ersten Mal im Fernglas sah brannten noch die Leuchtfeuer. Wir navigierten nach den internationalen Leuchtfeuerverzeichnissen! Als wir nach 2 Monaten Feindfahrt in St. Nazaire einliefen waren wir eine eingespielte U-Bootsbesatzung und sahen erstaunt die riesigen U-Bootsbunker mit bis zu 8 m Betondecken unter denen wir uns sicher fühlen konnten. Sie stehen heute noch. Die U-Boote versenkten in der Phase IV 624 Schiffe mit 3,148 Mio BRT und beschädigten 76 Schiffe mit 560.000 BRT. 31 eigene Boote gingen verloren. ( 700 zu 31 )

Phase V: August 1942 bis Mai 1943 Höhepunkt und Wende der Schlacht im Atlantik

Als die Operationen in amerikanischen Küstengewässern schwieriger wurden verlagerte sich das Schwergewicht des U-Bootseinsatzes wieder auf den Nordatlantik. Die Zahl der Boote im Nordatlantik-Einsatz erhöhte sich auf 18 bis 20 Boote und ab September auf 30 bis 40. Die alliierte Landung in Nordafrika zwang jedoch zu einer Aufsplitterung. Viele Boote wurden westlich von Gibraltar und Marokko aufgestellt.

Gleichzeitig waren auf alliierter Seite kampferfahrene Escort-Gruppe (Sicherungseinheiten) von Zerstörern und Korvetten im Einsatz. Außerdem war den Engländern ein Einbruch in das Nachrichtensystem der U-Boote gelungen, was man auf deutscher Seite für ausgeschlossen hielt. Ebenso hielt man für unmöglich, dass unsere Kurzsignale, die nur aus zwei oder drei Buchstabengruppen bestanden, gepeilt wurden. Huff-Duff nannten die Engländer das wirksame Ortungsmittel. Anfang März erreichte der Geleitzugskampf seinen Höhepunkt. 50 Boote in drei langen Vorpostenstreifen waren aufmarschiert. In zwei aufeinanderfolgenden Operationen versenkten sie aus Konvois 39 Schiffe. Der Kampf stand auf des Messers Schneide. Bei den immer größer werdenden U-Bootszahlen zeichnete sich für die Alliierten die Gefahr ab, dass das Konvoisystem aufgegeben werden müsste. Niemals kamen die U-Boote ihrem Ziel, die Verbindung zwischen der Alten und der Neuen Welt zu unterbrechen so nahe wie Anfang März 1943. Doch nur acht Wochen sollten vergehen, da hatte sich das Bild völlig gewandelt. Dönitz war es, der die Schlacht im Atlantik abbrechen musste.

Ein neuartiges Radar war nur einer von vielen Faktoren deren Zusammentreffen die Schlacht entschied.

  1. der Ausbau des automatisierten Funkpeilsystems an Land und an Bord der Sicherungsfahrzeuge.
  2. Der Einbau des auf Zentimeterwellen arbeitenden Radars in den Flugzeugen und auf Geleitfahrzeugen.
  3. Die Verstärkung der Escort-Groups gefährdeter Konvois durch Support-Groups.
  4. Die Schließung des air-gaps im Atlantic durch kleine Flugzeugträger und den Einsatz von Langstreckenflugzeugen.
  5. Die Einführung neuer U-Boot-Bekämpfungswaffen (Hedgehog, Torpexwabo) und Flugzeugraketen.
  6. Die laufende wissenschaftliche Analyse aller Gegnerdaten durch Operations-Research-Sections. (Durchbrechung des deutschen Funkschlüssel / E-nigma)

Die U-Boote versenkten in der Phase V 777 Schiffe mit 4,3 Mio BRT und beschädigten 59 mit 480.000 BRT. 146 eigene Boote gingen verloren. ( 836 : 146)

Phase VI: Juni 1943 bis August 1943

Alleine im Mai 43 meldeten sich 24 Boote nicht mehr. Der B.d.U. (Befehlshaber der U-Boote) führte die Krise auf eine augenblickliche technische Überlegenheit des Gegners zurück. Neue eigene Geräte und Waffen sollten wirksam werden. FuMG (Funkmessgerät), Geräuschtorpedo, Flakbewaffnung, Schnorchel. Ausweichen in entfernte Operationsgebiete, Indischer Ozean, Brasilien, Westafrika sollte überbrücken. Aber die Biscaya wurde für die auslaufenden und zurückkehrenden Boote zur Todesfalle. Die Verluste stiegen derart an, dass am 1. August 1943 vorerst das Auslaufen der U-Boote aus französischen Häfen gestoppt werden musste.

Im Frühjahr 1943 bekam ich ein neues Bordkommando. Mittelmeer. La Spezia. 29. U-Flottille, Westliches Mittelmeer. U 73. Die niedrige Nummer sagt es. Ein altes Boot. Seit 1940 im Einsatz. Eine erprobte Besatzung. Das hatte große Vorteile bezüglich Überlebenschancen. Der Kommandant, Horst Deckert, 24 Jahre, war schon als Wachoffizier bei der Indienststellung an Bord. Ebenso der leitende Ingenieur, der LI. Ich war II WO. 2. Wachoffizier, verantwortlich für die 2. Seewache, die Artillerie und das Funk- und Horchwesen. Im Mittelmeer gab es keine Geleitzugsschlachten. Die Boote waren Einzelkämpfer. Die durchschnittliche Lebenszeit eines Mittelmeerbootes betrug zwei bis drei Feindfahrten. Die Alliierten hatten die totale Luftherrschaft. Man fuhr nur noch unter Wasser. Es wurde nachts so kurz wie möglich aufgetaucht um die Batterien nachzuladen. Es war grausig, wenn aus dunklem Nachthimmel plötzlich ein Scheinwerfer das Boot erfasste und ein Flugzeug mit Bordkanonen und Wasserbomben angriff. Man konnte die Flugzeuge nicht hören, denn die Dieselmotoren dröhnten so laut. Die Behelfsgeräte, die uns eine Radarortung anzeigten funktionierten häufig zu spät. Wir ahnten nicht, dass die Engländer uns soweit voraus waren, dass sie sogar die Strahlung unseres Bordradios erfassten.

Wir steuerten in der Regel Algier oder Oran an, wo die alliierten Geleitzüge ein und ausliefen und legten uns dort auf Lauer. Das Mittelmeer ist so salzhaltig, dass man sogar ein U-Boot auf einer Salzschicht parken kann. Das taten wir oft um die Batterien zu schonen. Alle paar Stunden ging es dann auf Sehrohrtiefe. Das ist im Mittelmeer auch unangenehm weil das Wasser sehr durchsichtig ist und die Horchverhältnisse wegen des hohen Salzgehaltes wechselnd und meistens schlecht sind. Man konnte so durchaus von einer Zerstörergruppe plötzlich erfasst werden.

Das passierte uns auch am 16. Dezember 1943. Wir waren auf dem Rückmarsch nach Toulon und hofften an Weihnachten zu Hause zu sein. Wir hatten wilde Wochen hinter uns. Erst drei Tage vorher hatte uns ein Zerstörer unter Wasser gerammt und dabei Teile des Turms und unsere Vierlingsflak in ein Metallwirrwarr verwandelt. Das hätte beim Einlaufen für großes Staunen gesorgt. Wir waren in bester Stimmung. Alle Torpedos verschossen. Am Nachmittag hatte sich der Kommandant unter Wasser in einen aus Oran auslaufenden Geleitzug hineinnavigiert und einen 10.000 BRT Tanker abgeschossen. Mit einem Geräuschtorpedo T5 hat er einen Zerstörer angeschossen. Der letzte Torpedo wurde zum Kreisläufer und hat das eigene Boot zweimal überlaufen, bevor er durch Zufall noch ein weiteres Schiff traf. Das hatte die Geleitfahrzeuge offensichtlich vorsichtig gemacht, denn die anschließende Wasserbomben-Verfolgung war ungenau und dauerte nur wenige Stunden.

Es war dann gegen 21.00 Uhr. Oben war Nacht. Wir liefen auf 30 m Tiefe. Das Abendessen war gerade vorbei. Die Besatzung ruhte. Stille. Plötzlich laute Schraubengeräusche, verbunden mit massiver Asdic-Ortung die auf den Druckkörper prasselte wie Hagelschlag. Wir wurden überlaufen und konnten das zweite Fahrzeug aus der Gegenrichtung kommen hören. Auf 180 m gehen hatte der Kommandant schon gerufen. Die E-Maschinen liefen AK. Da wurden wir auf etwa 50 m Tiefe mit sieben Wasserbomben angriffen, die so nahe lagen, dass das Boot zuckte wie eine Peitsche. Das Boot ging steil nach unten. Ein Diesel war aus den Fundamenten gerissen. Wassereinbruch wurde gemeldet. Selbst der Kreiselkompass war ausgefallen. Bei 180 m rief der LI. „Boot lässt sich nicht mehr halten“. Bei 220 m gab der Kommandant den Befehl: „Anblasen!“ Alle wussten, das ist der Anfang vom Ende. Es war stockdunkel, nur die Notbeleuchtung ging noch, sodass ein Außenmanometer abgelesen werden konnte. 240m, So tief waren wir noch nie! 25 atü, – 26 atü, die Druckluft war alle. Das Boot hatte seine Lage verändert und hing etwa 40 Grad aufwärts. Für uns hieß das: die hintere Tauchzelle war ausgefallen. 27 atü Boot steht. Wir waren auf 270 m. Noch nie hatten wir gehört, dass ein Boot so tief war – der Typ VII war ursprünglich für 90m Tauchtiefe konstruiert. Tendenz rief der LI. Nicht erkennbar war die Antwort. Alle wussten: Kommt fallend ist es aus, kommt steigend geht es immer schneller aufwärts. Kontrolle: Nicht mehr möglich.

Kein Zeitgefühl mehr, wie lange das dauerte. Endlos lange.

Dann kam die Meldung: Boot steigt. — Erst ging es langsam, dann immer schneller. Wir schossen an die Oberfläche. Das Boot war noch schwimmfähig. Der eine Diesel sprang an. Dunkle Nacht. Wenig Seegang. Für einen Moment dachten wir, wir kämen doch davon. Kurs Südwest. Spanisch Marokko. Da kamen schon die Meldungen. Zerstörer steuerbord voraus. Zerstörer backbord. Zerstörer achtern. Wir konnten einen davon noch mit unseren 2 cm Zwillingen abwehren, als er zum Rammstoß ansetzte. Dann wurden wir von der geballten Schiffsartillerie eingedeckt. Ein Treffer in die Steueranlage machte uns manövrierunfähig. Dann kam der Befehl: Alle Mann außenbords. 34 Männer von U 73 überlebten.

In der dreimonatigen Phase VI versenkten die U-Boote nur 83 Schiffe mit 420.000 BRT – keines davon im Nordatlantik- 13 wurden beschädigt. Die eigenen Bootsverluste betrugen 76. Eines davon war mein Boot. (96:76)

Phase VII: September 1943 bis Mai 1944

Im Herbst 1943 waren die Pläne für ein völlig neues U-Boot fertig. Ein Hochseeboot, das die Typen VII und IX ablösen und den Geleitzugkampf wieder aufnehmen sollte.

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Typ XXI

Der Typ XXI war ein Elektroboot. Seine große Batteriekapazität ermöglichte die sagenhafte Unterwassergeschwindigkeit von 18 Knoten. Die Tauchtiefe ging bis 300 m. Das Boot hatte 1621 / 2100 Tonnage. Größer als der Zerstörer auf dem ich einst gefahren bin. Die Bauweise war revolutionär. Bei 32 Stahlbaufirmen im Binnenland wurden 8 Sektionen als sogenannte Rohsektionen vorgefertigt. Die Ausrüstung der Sektionen erfolgte auf 11 Bauwerften. Der Zusammenbau der Sektionen zu U-Booten auf 3 Montagewerften. Ein Mammutprogramm lief an, wie es die Welt noch nie gesehen hatte. Trotz unentwegter Bombenangriffe wurden bis Kriegsende 119 Boote in Dienst gestellt. Doch nur zwei Boote liefen zur Feindfahrt aus.

p063_1_01Typ XXIII

Gleichzeitig hatte man ein kleineres Elektroboot mit 12 kn Unterwassergeschwindigkeit, den Typ XXIII für Küsteneinsatz entwickelt. 275 Tonnagen. Davon wurden 62 noch in Dienst gestellt. Doch das war im Kriegsjahr 1943 nur Zukunftsmusik. Die alten Boote wurden Zug um Zug mit Schnorchel ausgerüstet, ein Gerät mit dem die Diesel auf Sehrohrtiefe die Batterien aufladen konnten.

In der Phase VII (neun Monate) versenkten die U-Boote nur 123 Handelsschiffe mit 618.000 BRT, 14 wurden beschädigt. Die 146 eigenen Bootsverluste waren höher als die Versenkungen.

Phase VIII: Juni 1944 bis Mai 1945 ( Invasion bis Kriegsende )

Bei der Invasion wurden die in Westfrankreich liegenden Boote rücksichtslos in für sie ungeeigneten Gewässern eingesetzt. Erfolge wurden kaum erzielt. Die Verluste standen in keinem Verhältnis. Im August 44 mussten die U-Bootsstützpunkte in Frankreich aufgegeben werden. Die Boote wurden nach Norwegen verlegt. Um möglichst viele alliierte Luft- und Seestreitkräfte zu binden mussten sie bis zum letzten Kriegstag auf Feindfahrt gehen. In der Phase VIII (fast ein Jahr) versenkten die U-Boote 140 Schiffe mit 700.000 BRT und beschädigten 26. Die eigenen Bootsverluste waren höher als die Versenkungen. Sie betrugen 167!

Die Bilanz des deutschen U-Bootskrieges im zweiten Weltkrieg ist schrecklich. 863 Boote liefen zur Feindfahrt aus. 630 Boote kehrten nicht zurück. 31.000 aktive U-Bootsfahrer gab es. Die Namen von 25.870 U-Bootsleuten die auf See geblieben sind, kann man in Bronze gegossen im Ehrenmal der U-Bootswaffe Möltenort bei Kiel lesen.

Noch einmal Winston Churchill in seinen Kriegserinnerungen:
„Mit erstaunlicher Standhaftigkeit und ungeachtet aller Verluste harrten deutsche U-Boote bis fast ganz zum Schluss an der Front aus. Sie trugen in der Brust unbeirrbar die Hoffnung auf einen Umschwung im Seekrieg. So groß war die Hartnäckigkeit des deutschen Widerstandes, so unerschütterlich die Tapferkeit der U-Bootsfahrer.“