Kriegsmarine Teil II

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Die U-Boote der Kriegsmarine zwischen 1935 und 01.09.1939 (Teil 2)


Auslandsreisen

Die neuen U-Boote der Kriegsmarine führten bei ihren Ausbildungsfahrten auch mehrere Besuche ausländischer Häfen durch. So besuchten neben der Nutzung spanischer Häfen (siehe oben) die teilnehmenden U-Boote im Rahmen ihrer Einsätze beim spanischen Bürgerkrieg auch andere Häfen, wie z.B. Lissabon oder Tanger. U 28 und U 35 führten Anfang 1937 eine größere Ausbildungsfahrt in den Atlantik durch und besuchten dabei v. 22.-27.01.1937 Ponta Delgada auf den Azoren.


U-35 bei Einlaufen in Ponta Delgada
U-35 bei Einlaufen in Ponta Delgada

Eine seltsame Schilderung einer langen Auslandsreise liefert ein Fritz Hennemann, als Obermatrose ehemaliges Besatzungsmitglied in der Vorkriegszeit von U 31. Dieser beschreibt eine lange Reise von U 31 nach dessen zweitem Spanien-Einsatz v. 05.04. bis 09.06.-1938, die über Casablanca nach Kapstadt in Südafrika für einen Reparaturstopp, und dann weiter bis Toliara auf Madagaskar geführt habe soll, zurück dann nach Versorgung durch das deutsche Handelsschiff „Wilhelm Schulz“ vor Mozambik (dort auch angebliches Treffen mit U 32) direkt bis Cadiz und schließlich Einlaufen in Wilhelmshaven im Dezember 1938.

Diese angebliche Auslandsreise ist nirgendwo sonst dokumentiert. Zudem müsste die Rückreise ein Meisterstück der Seemannschaft gewesen sein, wenn das Typ VII A U-Boot U 31 als Einzelfahrer ohne andere Begleitung mit einer angegebenen Maximalreichweite von 6.200 sm bei 10 kts den Reiseabschnitt Mozambik nach Cadiz über 6.178 sm ohne Probleme bewältigt hätte. Zudem ist überliefert, dass der Kommandantenwechsel von U 31 von Kapitänleutnant Rolf Dau auf Kapitänleutnant Fritz Habekost am 08.11.1938 in Wilhelmshaven stattfand, also zu einer Zeit, wo U 31 nach den Erzählungen von Hennemann auf seiner langen Auslandsreise noch unterwegs war. Noch kurz vor Kriegsbeginn besuchten U 26 und U 27 v. 21. – 27.07.1939 Reykjavik.

Besuch von U-Booten der U-Flottille Weddigen in Helsinki
Besuch von U-Booten der U-Flottille Weddigen in Helsinki

Die U-Flottille „Weddigen“ besuchte mit mehreren U-Booten und dem Begleittender „Saar“ v. 06.-12.08.-1937 Helsinki.


U-Boote bei politischen Aktionen der Reichsführung

Die U-Boote der Kriegsmarine verlegten bei einigen politischen Aktionen der nationalsozialistischen Führung des Deutschen Reiches in jeweils vorgesehene Bereitstellungsräume in der Nord- und Ostsee, da die möglichen Reaktionen der anderen Nationen abgewartet werden und die militärischen Maßnahmen der Wehrmacht auch durch Beiträge der U-Boote der Kriegsmarine flankiert werden mussten.

Dies geschah z.B. bei der Wiederbesetzung des Rheinlandes durch deutsche Truppen im März 1936 und im März 1938 beim „Anschluss“ der Republik Österreich an das Deutsche Reich. Im Dezember 1937 kam es zu einer Weisung Hitlers an die Wehrmacht, die Besetzung der Tschechoslowakei im Rahmen der „Lösung der Sudetenfrage“ planerisch vorzubereiten. Diese Weisung wurde am 21.04.1938 konkretisiert, eine Besetzung erfolgte jedoch noch nicht, weil die politische Initiative dazu im Mai 1938 zunächst scheiterte. Die militärischen Maßnahmen zur Besetzung des vom Deutschen Reich beanspruchten Sudetenlandes in der Tschechoslowakei sollten nun bis zum 01.10.1938 abgeschlossen sein, dem Tag, an dem deutsche Truppen dann tatsächlich in die Tschechoslowakei einmarschierten.


Mobilmachungsplanung und Vorbereitung für Angriff auf Polen am 01.09.1939

Im September 1939 waren die bis dahin in Dienst gestellten 57 U-Boote der U-Bootwaffe neben dem ab Ende 1936 in Neustadt/ Holstein aufgestellten Schulverband der dortigen U-Bootschule (U 1/ U 2/ U 3/ U 4/ U 5/ U 6 fest, sowie zeitweise U 7/ U 8/ U 9/ U 10/ U 11 und andere aus den Einsatzflottillen) nunmehr 6 Einsatzflottillen zugeordnet. Die 1. U-Flottille „Weddigen“ in Kiel (U 7/ U 9/ U 11/ U 13/ U 15/ U 17/ U 19/ U 21 und U 23) hatte die ersten U-Boote des Typs II B und die 2. U-Flottille „Saltzwedel“ in Wilhelmshaven (U 25/ U 26/ U 27/ U 28/ U 29/ U  30/ U 31/ U 32/ U 33/ U 34/ U 35 und U 36) die beiden Boote des Typs I A sowie die Boote des Typs VII A erhalten. Der 3. U-Flottille „Lohs“ in Kiel (U 8/ U 10/ U 12/ U 14/ U 16/ U 18/ U 20/ U 22 und U 24) waren weitere Boote des Typs II B unterstellt, die 5. U-Flottille „Emsmann“ in Kiel (U 56/ U 57/ U 58/ U 59/ U 60 und U 61) hatte die ersten Boote des Typs II C unterstellt bekommen. Der 6. U-Flottille „Hundius“ in Kiel (U 37/ U 38/ U 39/ U 40/ U 41/ U 42 und U 43, darin U 42 und U 43 als Ausbildungsboote) waren die ersten Boote des Typs IX und schließlich der im Juni 1938 aufgestellten 7. U-Flottille „Wegener“ in Kiel (U 45/ U 46/ U 47/ U 48/ U 49/ U 51/ U 52 und U 53, darin U 45, U 49 und U 53 als Ausbildungsboote) die ersten Boote des Typs VII B zugeordnet worden.

Besuch der U-Boote durch Großadmiral Erich Reader in 1938
Besuch der U-Boote durch Großadmiral Erich Reader in 1938

Mobilmachungspläne der Kriegsmarine gab es seit 1938, zuletzt einen am 01.04.1939. Dieser sah organisatorisch eine Aufteilung der U-Bootführung in einen FdU (= Führer der U-Boote) West und FdU Ost vor. Der nun fest geplante Waffengang gegen Polen (Fall „Weiß“) führte zu einem Mobilmachungsbefehl v. 15.08.1939, der den Auf-marsch der U-Boote zwischen dem 19. und 23.08.1939 vorsah, mit ursprünglichem Angriffszeitpunkt der Wehr-macht auf Polen am 26.08.1939, der dann aber wegen der politischen Entwicklung bis zum 01.09.1939 verschoben wurde.

Die organisatorische Aufteilung der operativen Führung der U-Boote trat am 18.08.1939 in Kraft. Erste Aufteilung der U-Boote dann: Nordsee (Verlegung nach Wilhelmshaven) mit U 9, U 12, U 13, U 15, U 16, U 19, U 20, U 21, U 23 und U 24, dazu die Schulboote U 1, U 3 und U 4, Ostsee mit U 7, U 14, U 18, U 22, dazu die Schulboote U 5 und U 6. Bemerkenswert dabei, dass auch Schulboote kurzfristig zu „Frontbooten“ bestimmt wurden, lediglich U 2, U 8 und U 10 blieben in dieser Phase auch weiterhin Schulboote. Von den Ostseebooten wurden U 14, U 18 und U 22 nach Memel verlegt (Code: „Transportübung Lübeck“).

Am 19.08.1939 verließen weitere 13 U-Boote (U 28/ U 29/ U 33/ U 34/ U 38/ U 39/ U 40/ U 41/ U 45/ U 46/ U 47/ U 48 und U 52) ihre Stützpunkte. Am 21.08.1939 liefen dann 4 weitere U-Boote (U 26, U 27/ U 30 und U 53) aus, alle mit Ziel in geplanten Operationsgebieten in der Nordsee, dem Kanalausgang und dem angrenzenden Atlantik. U 27 und U 30 sollten z.B. in der nördlichen irischen See auf Warteposition gehen, 5 andere U-Boote zum Nordausgang des Englischen Kanals, 5 Boote bei den Fischerbänken in der Nordsee, 2 Boote vor Schottland und 1 Boot westlich der norwegischen Küste vor Utsire. In der Nordsee sollte dabei u.a. mit der Operation „Ulla“ der Ostausgang des Englischen Kanals und die Ostküste Großbritanniens bis auf den nullten Längengrad gesichert werden.

Am 25.08.1939 begannen U 31, U 32 und U 35 mit der Operation „Schweden“, dem Versuch der Verhinderung des Ausbruchs polnischen Kriegsschiffe in die Nordsee. Gleichzeitig wurden die auf Warteposition vor die polnische Küste beorderten U-Boote der neu aufgestellten 5.U-Flottille „Emsmann“ U 56, U 57, U 58 und U 59 wieder in Nordsee zurückverlegt. Dennoch gelang 3 polnischen Zerstörern und 2 U-Booten die Flucht nach Großbritannien und 3 weitere polnische U-Boote entkamen nach Schweden.

Korvettenkapitän Eberhard Godt und Konteradmiral Karl Dönitz
Korvettenkapitän Eberhard Godt und Konteradmiral Karl Dönitz

Trotz dieser weiträumigen Verlegungen in geplante Warteräume im Zusammenhang mit dem Fall „Weiß“, u.a. auch in den Atlantik und um die Britischen Inseln herum, waren diese noch keine direkten Vorbereitungen auf einen Seekrieg gegen Großbritannien, denn bei allen, zu diesem Zeitpunkt eigentlich bereits ausgeprägten entsprechenden Annahmen hinsichtlich Großbritannien als möglichem Kriegsgegner galt weiterhin ein Vorbehalt: Noch am 22.07.1939 hatte Großadmiral Erich Reader in Swinemünde dem auf dem Aviso „Grille“ versammelten Offizierskorps der U-Bootwaffe verkündet, dass ihm von Hitler klar gesagt worden sei, es werde keinesfalls zu einem Krieg mit England kommen.

Doch schon am 03.09.1939 gab es bekanntlich die Kriegserklärung Großbritanniens an Deutschland nach dessen Angriff auf Polen, Großbritannien war nun doch Gegner in einem Seekrieg, die bestehenden bislang nur vorsichtig getroffenen Annahmen waren Wirklichkeit geworden.

Die U-Bootwaffe sah sich nun mit gerade 22 hochseetauglichen U-Booten von den 46 einsatzbereiten der auf 57 U-Boote angewachsenen U-Bootflotte vor einem scheinbar aussichtslosen Kampf nun doch gegen die Seemacht Großbritannien und deren Nachschub und Versorgungslinien, Jahre bevor erst gewaltige Rüs-tungsnahmen eine halbwegs schlagkräftige U-Bootwaffe schaffen konnten.

Fazit:

Rund zwei Jahre nach der Einführung der neuen Reichsregierung unter Adolf Hitler wandelte sich die bislang unter Geheimhaltung und Verschleierung betriebene Entwicklung von U-Booten durch das Deutsche Reich in offene Neubautätigkeit. Eine U-Bootwaffe wurde damit eine Komponente der neuen Kriegsmarine. Trotz aller Erfahrungen mit dem Einsatz und der Bedeutung von U-Booten in der Kaiserlichen Marine erhielten die U-Boote stückzahlmäßig doch wieder nur einen nachrangigen Platz im Rüstungsprogramm der Marine, der Bau großer Kampfschiffe dominierte. Konstruktion der neuen U-Boote und Ausbildung der U-Bootbesatzungen hingegen berücksichtigte die gemachten Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg. Auf der Basis offensichtlich exzellenter Einzelausbildung der Besatzungen konnte deshalb ab 1937 mit der Verbandsausbildung für die ozeanische Seekriegführung begonnen werden. Die vielen Erfolge zu Beginn des U-Bootkrieges im Zweiten Weltkrieg demonstrierten die Wirksamkeit dieser Ausbildung, auch die berühmten „U-Bootasse“ der ersten Kriegsjahre, wie Prien, Kretschmer, Schepke, Endrass, u.a., waren ein Produkt dieser Ausbildung.

Gleichzeitig zeigte diese Ausbildung aber auch, wie sehr die U-Boote für einen Einsatz im offensiven Ansatz vorbereitet wurden, und zwar u.a. ganz klar gegen mögliche Konvois eines Kriegsgegners, aber auch verdecktes Minenlegen vor gegnerischen Küsten. Dieser Gegner konnte eigentlich nur Großbritannien heißen, obwohl dies bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges politisch und militärisch zunächst weitgehend tabuisiert wurde. Ent-sprechende Überlegungen tauchten aber durchaus in Denkschriften und Planübungen auf und die U-Bootführung brachte schon früh Großbritannien als möglichen Gegner in einem Seekrieg in die Überlegungen ein. Gleichwohl, offen waren weiträumige Einsätze der „Ozeanischen Kriegführung“ bis in das Mittelmeer nur gegen Frankreich geplant.

Während also die Ausbildung der Besatzungen bis zum Kriegsausbruch im September 1939 eine bestmögliche Einsatzbereitschaft der U-Bootwaffe ergeben hat, hielt die Rüstung, sowohl technisch als auch die erforderlichen Stückzahlen betreffend, damit nicht Schritt. Demnach war die die Lage bei Kriegsbeginn im September 1939, wie es Erich Reader nach der Kriegserklärung Englands feststellte: Die Kriegsmarine mit ihrer nur kleinen Flottille einsatzbereiter U-Boote war für einen Waffengang gegen Großbritannien nur ungenügend befähigt. Eine Lage, die sich trotz aller Rüstungs- und Ausbildungsanstrengungen sowie dem tapferem Einsatz der U-Bootbesatzungen und vielen Erfolgen im Grundsatz nie entscheidend änderte, zumal die andere, damalige große Seemacht dann ab 1942 an die Seite Großbritanniens trat, nämlich die USA.

Ein letztes Wort zu dem o.a. Mythos um die U-Bootrüstung und -ausbildung als Indikator für die Kriegsvorbereitungen Hitlers. Bereits 1937 (das berühmte „Hoßbach-Protokoll“ v. 05.11.1937 mit Hitlers Zielsetzungen vor der Wehrmachtsführung) deutete Hitler an, in seiner „Lebensraum“-Politik auch spätestens 1943 zum Mittel des Krieges greifen zu wollen, um seine Ziele durchzusetzen. Die gewaltige Aufrüstung der Wehrmacht folgte diesem Ansatz. Das betraf auch die der Kriegsmarine, deren aufwendiges Flottenbauprogramm aufgrund seiner Konzentration auf den Bau von Großkampfschiffen naturgemäß aber längere Zeit in Anspruch nehmen würde. So traf der Kriegsbeginn am 01.09.1939 auf eine Kriegsmarine noch im Aufbau, darunter ein U-Bootwaffe, die als Waffensystem der klassische Träger von weitreichenden Ansätzen gegen gegnerischen Seeverkehr zur Sicherung von der Versorgung dessen Bevölkerung sowie dessen militärischem Nachschub und Verstärkung ist. Betrachtet man also die U-Bootwaffe der Kriegsmarine isoliert, kann deren Lage bei Kriegsbeginn als Argument für die Kriegsvorbereitung des Deutschen Reiches unter Hitler nur eingeschränkt geltend gemacht werden, kaum in Bezug auf die Rüstung und die Stückzahlen, hingegen etwas klarer in Hinblick auf die durchgeführte Ausbildung unter dem FdU/ BdU Karl Dönitz, denn bei dieser war der Ansatz gegen Konvois im Atlantik ein eindeutiger Übungsbestandteil.

Text: Peter Monte  – Fotos: Deutsches U-Boot-Museum 

 

Literatur:

  • Blair, Clay: Der U-Bootkrieg 1939-1942, Die Jäger, Wilhelm Heyne Verlag, München 1996, ISBN 3-453-12345-X
  • Dönitz, Karl: 10 Jahre und 20 Tage, Athenäum-Verlag, Frankfurt am Main 1958
  • Hennemann, Friedrich (Fritz) Karl: Über Wasser…unter Wasser, Selbstverlag Hennemann, Frankfurt 2006, ISBN 978-3-00-020117-2
  • Lipsky, Florian und Stefan: Deutsche U-Boote, Hundert Jahre Technik und Entwicklung, Weltbild-Verlag, Augsburg 2011, ISBN 978-3-8289-5411-3
  • Müller, Wolfgang: U-Flottille Weddigen, Broschüre, Verlag Sundwerbung Stralsund, Februar 2008, ISBN 978-3939155140
  • O´Connell, John F.: Submarine Operational Effectiveness in the 20th Century, Part 1 (1900-1939), Verlag iUniverse, Bloomington, Indiana, USA, Juni 2010, ISBN 978-1-4502-36898
  • Rohwer, Jürgen: Chronik des Seekrieges 1939-1945, Stalling-Verlag, Hamburg 1968, spätere ISB 3-88199-0097
  • Salewski, Michael: Die deutsche Seekriegsleitung 1935-1945, Band I: 1935-1941, Verlag Bernhard & Graefe, Frankfurt/ Main 1970
  • Köhler´s Flottenkalender, Jahrgänge 1936, 1937, 1938, 1939 und 1940, Verlag Wilhelm Köhler, Minden in Westfalen
  • Nauticus – Jahrbuch für deutsche Seeinteressen, Jahrgänge 1936, 1938, 1939 und 1940, Verlag E.S. Mittler & Sohn, Berlin