Arktische Inseln Teil 1

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U-Boote der Kriegsmarine im Zweiten Weltkrieg um die und an den arktischen Inseln (1. Teil)


Zwei wichtige Operationen waren für den Krieg zur See im Zweiten Weltkrieg bestimmend.

Erstens: Sicherer, alliierter Schiffsverkehr zur Versorgung Großbritanniens sowie für militärischen Nachschub und Verstärkung zwischen Nordamerika und Europa über den Nordatlantik gegen die Bedrohung durch die deutsche Kriegsmarine und Luftwaffe, in Wesentlichen aber durch die deutschen U-Boote.

Zweitens: Die Unterstützung der USA und Großbritannien für ihren Kriegsalliierten Sowjetunion durch Nordmeer-Konvois, die gegen die Bedrohung durch die deutsche Luftwaffe sowie Überwasser- und Unterwassereinheiten der Kriegsmarine gewährleistet werden musste.

Im Rahmen der geostrategischen Lagebeurteilung rückten dabei die Landmassen von Grönland und Island sowie die kleineren Inseln und Inselgruppen im nördlichsten Atlantik bald in den Mittelpunkt militärischer Planungen, sowohl auf alliierter als auch deutscher Seite. Die U-Boote der Kriegsmarine spielten in diesem Szenario eine herausragende Rolle und es soll nachfolgend dargestellt werden, wie durch deutsche U-Boote die Geographie auf diesem Schauplatz des Seekrieges genutzt bzw. dem Gegner verwehrt worden ist. Nicht unerwartet haben sich um die meist verdeckten Einsätze der U-Boote zur Nutzung oder Verwehrung der dortigen Geographie einige Mythen entwickelt, die nachfolgend hoffentlich als solche herausgestellt werden können. Die Mythen ranken sich besonders um das Absetzen, Versorgen und Bergen von militärischen Kommandos in den zumeist sehr einsamen Gebieten auf den verschiedenen Inseln, am berühmtesten dabei die verschiedenen kleinen Gruppen von Spezialisten zum Betreiben von abgelegenen Wetterstationen zur Unterstützung der deutschen Seekriegsoperationen.

Der nördliche Nordatlantik und die arktischen Meere (aus: Mallmann-Showell: Deutsch U-Boote an feindlichen Küsten 1939-1945, S.121, Stuttgart 2002)
Der nördliche Nordatlantik und die arktischen Meere
(aus: Mallmann-Showell: Deutsch U-Boote an feindlichen Küsten 1939-1945, S.121, Stuttgart 2002)

Völkerrechtlicher Status der Inseln im nördlichsten Nordatlantik

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges gehörten Grönland, Island und die Inseln im arktischen Teil des Nordatlantiks zu den beiden skandinavischen Staaten Norwegen und Dänemark. Waren sie ab 1380 noch Bestandteil der dänisch-norwegischen Personalunion, wurden sie im Frieden von Kiel von 1814 mit Auflösung der Personalunion unter beiden Ländern aufgeteilt, spätere Entwicklungen brachten hierzu weitere Änderungen. Mit der Besetzung der beiden Länder durch die deutsche Wehrmacht ab 09.04.1940 kam es zu unterschiedlichen Verhältnissen in diesen Inselgebieten.


Grönland

als die größte der arktischen Insel gehörte seit 1814 formal zu Dänemark und befand sich nach der deutschen Besetzung Dänemarks in einer völkerrechtlich schwierigen Lage, die erst mit einem Abkommen des dänischen Botschafter in den USA mit den USA v. 09.04.1941 soweit gelöst werden konnte, als die USA formal bis Kriegs-ende die Verteidigung Grönlands übernahmen und nun auf der Insel beträchtliches Personal stationierten sowie zahlreiche militärische Anlagen errichteten, vor allem mehrere Flugplätze.


Island

als die am meisten besiedelte Insel war ebenfalls seit 1814 fester Teil Dänemarks und versuchte nach der Be-setzung des Mutterlandes anfangs eine neutrale Haltung einzunehmen, wurde aber schon ab 10.05.1940 von britischen und kanadischen Truppen besetzt, am Ende waren dort rund 25.000 Soldaten stationiert.

Ab 07.07.1941 übernahmen dann die USA mit eigenen Streitkräften die Besetzung von Island. Interessant in diesem Zusammenhang die Erklärung der USA vom 18.04.1941 zur Erweiterung der von ihr überwachten „Neutralitätszone“ bis auf den 25. Längengrad West, also die Ostküste Grönlands und die Westküste Islands miteinschließend, was immerhin über 6 Monate vor dem offiziellen Kriegseintritt der USA geschah. Mit der Besetzung durch alliierte Truppen ging auch eine militärische Nutzung der Infrastruktur Islands bis zum Kriegsende einher, alliierte Kriegsschiffe und Flugzeuge operierten von Island aus oder unter Abstützung auf isländische Häfen vor allem gegen die Bedrohung des alliierten Schiffsverkehrs über den Nordatlantik durch U-Boote der Kriegsmarine. Island hatte mit der alliierten Besetzung auch seine Unabhängigkeit von Dänemark erklärt.

Spitzbergen

Die lange umstrittene Inselgruppe von Spitzbergen war seit 1920 Norwegen zugesprochen worden, allerdings wurden anderen Nationen auch Nutzungsrechte, vor allem der Abbau von dortiger Steinkohle, zugestanden, was besonders durch die Sowjetunion wahrgenommen wurde. Im August 1941, nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion, wurden aber die dortigen Bewohner, insgesamt 1.955 russische vornehmlich Bergarbeiter in das sibirische Archangelsk und 765 Norweger nach Großbritannien, evakuiert, kanadische Pioniere zerstörten große Teil der Wohn-Infrastruktur in den Siedlungen Barentsburg und Longyearbyen. Im Frühjahr 1942 etablierten dann britische und frei-norwegische Kommandos eine militärische Garnison. Die Norweger hielten ihre kleine Garnison, am Ende mit etwa 80 Mann, bis Kriegsende aufrecht, obwohl es zu einigen heftigen Angriffen mit erheblichen Zerstörungen sowie Toten und Verletzten durch die deutsche Luftwaffe (14.05.1942), Kommandounternehmen und einem größeren Marineverband unter Führung des Schlachtschiffes „Tirpitz“ (08.09.1943: Unternehmen „Sizilien“) kam.

Bäreninsel
Wetterschiff "Coburg" im Packeis vor Grönland November 1943
Wetterschiff „Coburg“ im Packeis vor Grönland November 1943

Die südlich von Spitzbergen gelegene Bären-Insel wur-de mit dem Spitzbergen-Vertrag von 1920 Norwegen zugesprochen. Abgesehen von phasenweiser industrieller Nutzung durch Bergbau in der Vergangenheit war die Insel bei Kriegsbeginn unbewohnt, hatte aber vor allem wegen der Nähe zu den Routen der Murmansk-Konvois der Alliierten eine wichtige strategische Rolle. Dennoch kam es zu keiner alliierten Besetzung, lediglich die deutsche Wehrmacht errichtete 1941 dort eine unbemannte Wetterstation, die ab 1944 in eine kleine, von 2 Mann bediente Station erweitert wurde.

Hopen

Die Hopen-Insel liegt relativ dicht südöstlich vor der Spitzbergen-Inselgruppe und war mit dem Spitzbergen-Abkommen von 1920 unter norwegischer Verwaltung. Im Zweiten Weltkrieg war die Insel unbewohnt und es gab, bis auf eine deutsche Wetterstation ab 1943, keinerlei Versuche einer festen Stationierung von militärischer Infrastruktur. Die Insel Jan Mayen liegt auf etwa halbem Wege zwischen Island und Spitzbergen. Auf dieser un-bewohnten, formal sein 1930 zu Norwegen gehörenden Insel gab es während des Krieges bis auf einen kurze Unterbrechung 1940/1941 eine durch frei-norwegische Kräfte betriebene Wetterstation und ab 1943 eine Radio- und Peilstation („Atlantic City“) der US Coast Guard.

Franz-Josef Land

Die Inselgruppe des Franz-Josef Land wurde 1926 von der Sowjetunion gewaltsam annektiert und mit mehreren Forschungsstationen belegt. 1941 wurde diese bis auf eine Station auf der Hauptinsel Hooker von den Sowjets geräumt.

Faröer-Inseln

Auch die Faröer-Inseln waren 1814 Dänemark zugesprochen worden. Nach der deutschen Besetzung Dänemarks wurden die Inseln mit ihren rund 30.000 Bewohnern ab 13.04.1940 durch britische Streitkräfte besetzt, die dort zeitweise bis zum 8.000 Soldaten stationierten und auf den Inseln zahlreiche militärische Einrichtungen etablierten, vor allem einen großen Flugplatz. Auch die teilweise schweren deutschen Luftangriffe gegen die Inseln vermochten nicht das Überleben der Inseln nachhaltig zu beeinträchtigen, die militärische Infrastruktur auf den Inseln gewährte weiterhin wirksame Unterstützung der alliierten Streitkräfte bis Kriegsende, vor allem im Kampf gegen deutsche U-Boote.


Entwicklungen
Dr. Wilhelm Dege, Leiter "Haudegen" 1944
Dr. Wilhelm Dege, Leiter „Haudegen“ 1944

In Grönland gab es mehrere Versuche (z.B. Unternehmen „Holzauge“, „Bassgeier“, „Edelweiß“ und „Zugvogel“) zur Stationierung von Wetterbeobachtungstruppe, die aber alle im Ansatz scheiterten oder nur kurze Zeit einen Betrieb aufrechterhalten konnten, weil sie durch freidänische und US-amerikanische Kommandounternehmen ausgeschaltet werden konnten.

Nach der alliierten Besetzung Islands begannen auf deutscher Seite ab 20.06.1940 tatsächlich auch Planungen (Unternehmen „Ikarus“) zur deutschen Besetzung der Insel. Da die Kriegsmarine aber klar aufzeigte, eine solche Besetzung nicht unterstützen und nachhaltig gewährleisten zu können, wurden diese Pläne verworfen. Am 25.03.1941 erweiterte die Kriegsmarine ihr Operationsgebiet für uneingeschränkten U-Bootkrieg auf die Gewässer um Island. Die Operationen der Kriegsmarine gegen Island beinhalteten aber nur einige Unternehmen zum Absetzen von Agenten.

Befehlslage für deutsche U-Boote

Da die Inseln im arktischen Nordatlantik alle entweder von Alliierten besetzt oder genutzt wurden, einige aber auch trotz anderer Besitzverhältnisse in Prinzip frei zugänglich waren, und zudem eine wichtige geostrategische Bedeutung für die Unterstützung der deutschen Seekriegsoperationen hatten, konzentrierte die Seekriegsleitung und der B.d.U. den offensiven Ansatz der eigenen Kräfte gegen diese Inseln im Wesentlichen auf solche Unternehmungen, die taktisch-operativ vertretbar waren und zudem den größtmöglichen Nutzen versprachen.

So wurden die U-Boote vor allem zur Aufklärung, zum Absetzen von Agenten und Kommandos sowie zur Unterstützung der Errichtung, Versorgung und Evakuierung von Wetterstationen eingesetzt. Dabei kam es oft zu gemeinsamen oder kooperativen Unternehmungen von U-Booten, meteorologischen Schiffen und Spezialflugzeugen der Luftwaffe, oben ein Bild eines solchen Wetterbeobachtungschiffes und ein Foto des Leiters einer der von U-Booten und einem Wetterschiff in Spitzbergen abgesetzten bemannten Wetterstationen. Für die Operations-führung der Kriegsmarine und Luftwaffe im nördlichen Nordatlantik war die Ermittlung und ständige Versorgung mit aktuellen Wetterdaten eine Schlüsselaufgabe, so dass, Grönland und Island einmal ausgenommen, die größeren und kleineren Inseln und Inselgruppen in diesem Gebiet zwar nicht komplett besetzt werden konnten, dafür neben Wetterbojen in den Seegebieten dort bemannte und unbemannte Wetterstationen errichtet, die bemann-ten Stationen ggf. nachversorgt oder evakuiert und die unbemannten bei Ende ihrer Betriebszeiten ggf. durch neue ersetzt werden mussten. Dies geschah durch Wetterschiffe, Flugzeuge der Luftwaffe und in besonderem Maße durch U-Boote.

Im Teil 2 wird im Einzelnen aufgelistet und bewertet, wann und wo U-Boote der Kriegsmarine um und an den In-seln im nördlichen Nordatlantik und der Arktis eingesetzt waren.

Text: Peter Monte – Fotos: Deutsches U-Boot-Museum