Lebenslauf des Bootes U 393
Bericht des ehemaligen Funkers Lothar Zinnau
Das Besatzungsmitglied Lothar Zinnau beschreibt tageweise und sehr eindrucksvoll seine Erlebnisse an Bord von U 393 von der Indienststellung am 03. Juli 1943 bis zur Selbstversenkung am 05. Mai 1945 in der Geltinger Bucht. Der Bericht beginnt mit der Baubelehrung im Mai 1943 – also noch vor der offiziellen Indienststellung.
Mai 1943
Die Besatzungsmitglieder finden sich bei der 3. BLK/1.KLA ein. Die Unterkunft ist das Barackenlager Boksberg in Kiel-Dietrichsdorf. Unser künftiges Boot U 393 (Typ VII C) liegt auf der Helling der Howaldtswerke Kiel. Der praktische Unterricht findet an Bord statt und der theoretische Unterricht in der Kompaniebaracke nahe der Werft.
14.05.1943
Die Besatzung ist an Bord zum praktischen Unterricht. Gegen 12 Uhr erfolgt Fliegeralarm, Angriff von 108 Fortress und 17 Liberators der 8. US Luftflotte (250 t Bomben). Schwere Schäden an der Germania Werft und in Kiel Gaarden. Unsere Kompaniebaracke brennt durch Brandbomben ab.
15.05.1943
Stapellauf von U 393. Kleine Feier im Lager. In der nächsten Zeit erfolgte die Einrichtung des Bootes, Probefahrten etc. Die Besatzung wird vollständig.
03.07.1943
Feierliche Indienststellung von U 393 im Stützpunkt der 5.Flottille Kiel-Wik. Feier auf Dampfer. In der Folgezeit wird das Boot eingefahren, Trimmversuche, Kompensieren, Entmagnetisieren, Abnahmefahrten.
Juli 1943
Fahrt nach Sonderburg (DK) zum Abhorchen. Am nächsten Tag Rückfahrt nach Kiel. Fahrt nach Swinemünde zur Flakausbildung.
September 1943
Fahrt nach Danzig zur UAK (U-Bootsabnahme-Kommando). Meilenfahrt vor der Küste Helas. Da das Boot zu langsam ist, gehen wir in das Dock der Danziger Werft. Bootskörper wird gereinigt. Wiederholung der Meilenfahrt. Fahrt zum Kriegshafen Hela. Ausbildungsfahrten bei der Agru Front (Ausbildungsgruppe für Front U-Boote). Tauchfahrten vor der Küste Helas, Rollenexerzieren, Übung aller möglichen Ausfälle. Zum Abschluss 6-tägiger See Törn mit vortaktischer Übung. Fahrt nach Libau zur 25. U-Flottille. Torpedoschießen. Boot kommt bei Angriffsübungen in die Schraube des Zielschiffes Vega (ehem. norw. Schiff 7.388 BRT).
Bei der Ramming werden die Brückenverkleidung und beide Sehrohre beschädigt (siehe Bild). In der Werft wird die Brücke notdürftig mit Platten verkleidet.
06.10.1943
Fahrt nach Kiel. Boot geht in die Howaldtwerke zu Restarbeiten. Neuer Turm mit 2 Zwillings 2 cm auf oberen Wintergarten und Vierlings 2 cm auf unteren Wintergarten. Besatzung fährt in Urlaub. Im Dezember soll es an die Front gehen.
November 1943
Boot wird vom OKM für Versuche der Erprobungsgruppe „Sultan“ unterstellt. Das Unterwasser-Ortungsgerät wird eingebaut, die Drehbasis auf die Back, das Gerät in der Zentrale.
Die Erprobungsgruppe hatte den Namen Sultan. Aus diesem Grunde wurde uns beim nächsten Werftbesuch ein bunter Sultan an die Vorderseite des Turmes gemalt. Die Erprobungsfahrten fanden meistens in den Gewässern um Bornholm statt. Dabei besuchten wir oft den Hafen von Rönne. Für uns war die Insel in der damaligen Zeit ein Paradies, wo Milch und Honig floß. Was war natürlicher, als dass beim Rückmarsch nach Deutschland von jedem Besatzungsmitglied für seine Lieben größere Mengen Butter, Wurst, Käse, Speck, Eier und sonstige Fressalien mitgenommen wurden. Wir haben einmal während eines Rückmarsches die eingekauften Eier gezählt, es waren etwa 800 Stück. Um auch diese Nebenrolle als Eierdampfer zu symbolisieren, wurde beim nächsten Werftbesuch der Sultan mit einem weißen, eierförmigen Untergrund versehen (Lothar Zinnau in Georg Högel: Embleme, Wappen, Malings deutscher U-Boote 1939 – 1945)
06.12.1943
Auslaufen zu den ersten Erprobungen. Fahrt nach Rönne auf die dänische Insel Bornholm. Erprobungsfahrten in den Gewässern um Bornholm.
21.12.1943
Fahrt Bornholm-Neustadt (Holstein). Weihnachten in Neustadt. Hund „Schnaps“ kommt an Bord.
26.12.1943
Fahrt Neustadt-Pillau. Torpedoschießen vor Pillau. Sylvester in Pillau. Oberfeldwebelbaracke brennt ab.
07.01.1944
Fahrt Pillau-Gotenhafen. Wohnschiff ist Antonio Delfino (Schiff der Hamburg- Süd Linie, 13.589 BRT).
Januar 1944
Fahrt zusammen mit Schiff Seeburg (12.181 BRT) nach Gotland. Hier Tieftauchversuche (100 m) Abends geht Boot nahe Gotland vor Anker, wachfreie Besatzung steigt auf die Seeburg über. Nachts kommt Sturm auf, sodass die Besatzung nicht mehr Übersetzen kann. Rückfahrt nach Gotenhafen mit halber Besatzung. In der Folgezeit wird Gotenhafen unser Heimathafen. Wir laufen jeweils für 3 Wochen zu Erprobungsfahrten in die Gewässer vor Bornholm.
Zeitraum bis Juli 1944
Im Sommer Nacht-Torpedoschießen mit dem neuen Torpedo T XI Typ G 7es Zaunkönig mit Horchkopf. Zielschiff und Fangboot ist die Walter Holzapfel. Bei einem weiteren Werftbesuch wird auf den Turm ein schöner bunter Sultan aufgemalt, unser Bootsabzeichen, das auch jeder Mann der Besatzung an der Mütze trägt. Bei einem Versuch ob Teile eines neuen Gerätes bei Wasserbombenwurf zu Bruch gehen, springen anschließend einige Mann der Besatzung über Bord und fangen Fische. Nach einem Bombenangriff auf Stettin überfliegt ein anscheinend beschädigter feindlicher Bomber unseren Ankerplatz um in Richtung Schweden zu entkommen. Der Versuch unserer Flak den Bomber abzuschießen endet mit einem Rohrkrepierer. Fahrt Gotenhafen-Kiel-Apenrade (DK). Hier Versuche mit dem Gerät im Gebiet Sperrwaffenschule mit Seeminen und Bojen. Nach 14 Tagen Rückfahrt nach Gotenhafen. Abkommandierung unseres III.WO Lt. Burchard, Abschiedsfeier am Strand von Rönne.
13.09.1944
31. Geburtstag unseres Kommandanten OlzS Radermacher in Gotenhafen. Am gleichen Tag läuft das Boot zu neuen Versuchen nach Bornholm.
30.09.1944
Abkommandierung unseres Kommandanten OlzS Radermacher und des I.WO LzS Lang. Neuer Kommandant wird OlzS Zenker, neuer I.WO LzS Schultz. Fortsetzung der Versuchsfahrten.
20.12.1944
Für den abkommandierten Kommandanten OlzS Zenker kommt OlzS Seeger und für den LI Lt. Diehl, der Lt. Breiter an Bord. Weihnachten und Sylvester in Gotenhafen.
10.01.1945
Fortsetzung der Versuchsfahrten um Bornholm. Zum Abschluss der Erprobung der Gruppe „Sultan“ wird eine große Geleitzugübung mit 13 Geleitfahrzeugen im Raum Bornholm durchgeführt.
23.01.1945
Boot läuft nach Rückkehr von Bornholm in Gotenhafen ein. Beim Anlegemanöver verlieren wir die linke Schraube.
24.01.1945
Boot geht nach Hela und wartet auf Zuweisung einer Werft.
28.01.1945
Fahrt nach Stettin in die Oderwerft. Das Boot erhält eine neue Schraube. Bordhund „Schnaps“ muss erschossen werden da er krank ist.
Februar 1945
Fahrt nach Stettin-Travemünde. Hier nochmals einige Fahrten in der Lübecker Bucht.
März 1945
Fahrt Travemünde-Kiel. Boot geht zu Restarbeiten in die Howaldtwerke, in den U-Boots-Bunker. Besatzung wohnt im U-Bootsstützpunkt Kiel-Wik. Starke Luftangriffe auf Kiel.
April 1945
Für den abkommandierten Kommandanten OlzS Seeger kommt OlzS Herrle.
02.05.1945
Boot wird unter fleißiger Mithilfe der Besatzung instandgesetzt, da ein Teil der Werftarbeiter nicht mehr zur Arbeit kommen. Am Spätnachmittag erfolgt Probelauf der Diesel.
03.05.1945
Gegen 04:00 Uhr kommt der Befehl zur Vernichtung aller Geheimsachen und wichtiger Teile des Bootes. Gegen 08:00 Uhr soll der Engländer in Kiel einrücken. Der Kommandant beschließt mit dem Boot nach Flensburg und anschließend nach Norwegen zu gehen. Gegen 06:00 Uhr verholen in die Wik. Übernahme der Ausrüstung und Proviant. Tolle Wuhling im Stützpunkt. Gegen 08:30 Uhr läuft das Boot aus Kiel Richtung Flensburg aus. Hier Übernahme der Flak-Waffen, Proviant etc.
04.05.1945
Boot wird in einen einigermaßen seetüchtigen Zustand gebracht. Tauch-und Trimmversuche in der Flensburger Förde. Nachmittags läuft das Boot in Richtung Norwegen aus. Wir laufen durch den Kleinen Belt, da der Große Belt vermint ist, im Verband mit mehreren anderen Booten. Gegen 17:40 Uhr wird das Boot von Beaufighter der 16th Group der Coastel Command angegriffen. Nach dem ersten Bordwaffenangriff taucht das Boot weg. Der Kommandant OlzS Herrle und der Bootsmaat Schneider fehlen, der I.WO und der II.WO sowie Heinz Gschind sind durch Geschosse und Splitter verletzt. Boot macht durch zerschossenen Peilrahmen Wasser, sonst keine Beschädigungen des Druckkörpers. Gegen 23:00 Uhr tauchen wir auf. Die Brücke ist zerschossen. Die Entlüftung der Tauchzelle V ist kaputt und muss öfter ausgeblasen werden. Boot läuft zurück in Richtung Flensburg.
05.05.1945
Boot läuft gegen Morgen in die Geltinger Bucht ein. Die Besatzung wird mit Schlauchbooten an den Strand übergesetzt. Jeder kann nur die notwendigsten Dinge mitnehmen. Das Boot wird durch das Öffnen der Entlüftung versenkt. Mit uns versenken sich in der Geltinger Bucht noch ca. 40 andere Boote. Die Besatzung kommt in Scheunen und Stallungen der Bauern unter.
Mai 1945
Die Besatzungen werden mit Schnellbooten von der Geltinger Bucht in das Lager nach Flensburg verlegt. Hier müssen wir die Schiffe entladen die später an die Engländer ausgeliefert werden sollen. Ein Teil der Leute werden für die neu aufzustellenden Minensucheinheiten angeheuert. Die Besatzung wird in alle Winde verstreut.