Die Errichtung der Wetterstation Kurt

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Ein Besatzungsmitglied von U 537 berichtet

Vorbemerkung:

In geheimer Mission hatte U 537 die Aufgabe, an der Küste von Labrador ein automatisches Wetterfunkgerät (Land) WFL 26 „Kurt“ aufzustellen. Die Unternehmung begann am 30.09.1943 von Bergen aus und endete nach der Einrichtung der Wetterstation im Oktober 1943 – Kommandant war Kptl. Peter Schrewe. Nach Abschluss der Arbeiten und Weiterfahrt nach Lorient lief das Boot dort am 25.03.1944 in Richtung Djakarta aus und erreichte sein Ziel am 02.08.1944. Von Djakarta war das Boot dann mit Rohstoffen auf dem Marsch nach Norwegen, als es am 09.11.1944 in der Java-See ostwärts Surabaja durch das amerikanische U-Boot Flounder durch Torpedos versenkt wurde – Totalverlust mit 58 Gefallenen.

Nur durch den Umstand der Abkommandierung zu einem Lehrgang entging der Maschinen Gefreite Werner Bendler der Versenkung von U 537 und ist damit der einzige Überlebende, den wir den nachstehenden Bericht verdanken. Nach unseren Unterlagen gelten allerdings auch die beiden an Bord befindlichen Meteorologen (Walter Hildebrandt und Dr. Kurt Sommermeyer), die zur Errichtung der Wetterstation mit an Bord waren, als Überlebende, da sie das Boot bei der Ankunft in Lorient (08.12.1943) und vor der Weiterfahrt nach Djakarta verlassen haben.

Informationen zum Boot U 537 (Typ IX C/40):

Kiellegung am 10.04.1942
Stapellauf am 07.11.1942
Indienststellung am 27.01.1943 / Versenkung am 09.11.1944
Bauwerft Deutsche Werft Hamburg

Der Bericht Werner Bendlers vom 10.09.1981 über die Feindfahrt von U 537 in geheimer Mission

Abfahrt von Kiel. Nach umfangreicher Ausrüstung erste Feindfahrt mit einem IX C Boot, ca. 1.000 t, Besatzung ca. 65 Mann. Ein Boot, das für lange Distanzen gedacht war. Die Besatzung wunderte sich, dass bei der Ausrüstung in den Oberdeck-Druckbehältern, in denen normalerweise die Torpedos untergebracht sind, speziell verpackte Geräte – unter Aufsicht von zwei Verwaltungsoffizieren (Silberlingen, so wurden seiner Zeit im Volksmund Offiziere der Verwaltung wegen der silbernen statt goldenen Ärmelstreifen genannt) – verstaut wurden. Einer dieser Männer war Professor für Wetterforschung und Elektronik.

Es erregte bei der Besatzung größtes Erstaunen, dass diese beiden Leute die Fahrt mitmachten, was sonst absolut nicht üblich war. Nachdem wir nun in Richtung Norwegen unterwegs waren, stellte sich heraus, dass wir einen Wellenschaden hatten. Wir mussten somit über Egersund und Haukesund nach Bergen, wo der Schaden innerhalb von 8 Tagen behoben werden konnte. Dann lief das Boot in den Atlantik aus. Die Fahrt ging jetzt in Richtung Shetland- und Faroerer-Inseln.

Erst jetzt, auf offener See, durfte der Kommandant einen versiegelten Umschlag öffnen, worin ihm seine Fahrt (seine Aufgabe) vorgeschrieben war. Die Aufgabe bestand im Aufbau einer vollautomatischen Wetterstation in Labrador/Kanada, also auf kanadischen Boden und das alles mitten im Krieg. Uns war nun jede Feindberührung untersagt zum Schutze dieses brisanten Unternehmens, und um die hochempfindlichen Geräte unversehrt zu erhalten. Zwischen den Shetland- und Faroerer-Inseln gelang es uns noch festzustellen, dass der Engländer Tauchbojen mit U-Boot-Sehrohr ausgelegt hatte, um so engl. U-Boote vorzutäuschen. Diese Finte konnten wir sofort dem deutschen Oberkommando weitergeben, zum Nutzen aller U-Boot-Kameraden auf See. Dann näherten wir uns Kap-Farwell (Spitze von Grönland), wo uns ein starker Orkan überraschte.

U 537 nach dem schwerem Orkan im Oktober 1943 im Nordatlantik , bei dem die 2 cm Vierlingsflak auf dem unteren Wintergarten über Bord ging

Da unsere Batterien leer waren, mussten wir auftauchen, uns also dem Orkan aussetzen. Beim Öffnen des Luks schlugen die Brecher mit solcher einer Gewalt über uns herein, dass beim Versuch auf die Brücke zu kommen, dem Bootsmann das Nasenbein zertrümmert wurde. Wir mussten daraufhin wieder tauchen, damit der Mann operiert werden konnte. Beim nächsten Versuch sind wir zwar aufgetaucht, aber ohne Brückenwache über Wasser gefahren, ein großes Risiko, das aber notwendig war, um die Batterien wieder aufzuladen. Die Brecher waren von solch einer Gewalt, dass die Abgase teilweise nicht mehr nach Außen befördert werden konnten. Die Maschinen-Besatzung konnte nur noch mit Tauchrettern atmen, denn die Abgase wurden über die Sicherungsventile ins Boot getrieben. Der größte Teil der Besatzung war seekrank.

U 537 in der Martin-Bucht am 22.10.1943

Als wir mit viel Mühe und Not die Batterien aufgeladen hatten und wir endlich aus diesem Orkan herauswaren, stellten wir zu unserem Entsetzen fest, dass unser Vierling-Flugabwehr-Geschütz vom Orkan außenbords gerissen worden war. In der Hoffnung, dass die hochempfindlichen Instrumente für die geplante Wetterstation heil geblieben waren, setzten wir die Fahrt fort. Jetzt näherten wir uns unserem Zielpunkt, von welchem wir Luftaufnahmen und genaue Karten hatten. Wir manövrierten uns dann in die uns vorgeschriebene Position, eine ungemein schwierige nautische Leistung, nämlich in eine kleine Bucht (Martins-Bucht) im Norden Labradors. Das Boot wurde so in Position gebracht, dass das 10,5 Geschütz und die Torpedorohre zur Einfahrt der Bucht wiesen, um so vor jeder Überraschung sicher zu sein.

Der Kommandant und der LI am Ufer der Martin-Bucht

Dann wurden die Messinstrumente aus den Druckbehältern entladen und ausgepackt, darunter Batteriesätze, Messinstrumente, große Schlauchboote, Außenbordmotoren und vielerlei Ausrüstungsgegenstände. Ein Spähtrupp wurde an Land gesetzt, der den Auftrag hatte, die Gegend zu erkunden, ein zweiter Trupp wurde auf den höchsten Hügel beordert, um von dort aus einen Überblick über das Meer zu haben. Eventuell feindliche Flottenverbände konnten dann sofort nach unten in die Bucht dem Boot gemeldet werden. Diese Vorsicht sollte sich bezahlt machen, am 2. Tag wurde ein Patrouillenboot gesichtet, das aber vorbeizog, also nicht in die Bucht einlief – geringe Tiefe ca. 7 Meter. Es konnte uns kaum ausmachen, da wir durch Hügel zwischen Boot und See gedeckt waren. Wir hatten unsere Arbeit eingestellt, bis die Gefahr vorüber war.

Reste der Wetterstation Kurt, ausgestellt im Canadian War Museum, Foto: Simon Pulsifer

Alles Material wurde in härtester Arbeit in Schlauchbooten an Land gebracht und musste schnell von Hand bewältigt werden. Die Batterien, ca. 10 bis 12 Stück, waren so unheimlich schwer, dass die Boote gerade eben das Gewicht tragen konnten. Dann wurde unter Leitung der beiden Wissenschaftler der Elektronik und Wetterkunde eine Wetterstation mit 10-12 Batterien errichtet, welche im Kreis aufgebaut wurden und in deren Mitte ein Sendemast stand, der gleichzeitig an den Batterien verankert war. Wenn also eine Batterie verbraucht oder ausfiel, dann schaltete automatisch der Nächste ein. Ein bis ins Kleinste durchdachtes System zur Unterstützung der deutschen Seekriegsführung. Die ganze Aktion war äußerst sorgfältig geplant und geheim vorbereitet. So hatten wir z.B. Zigarettenpackungen, Knöpfe von Uniformen, amerikanische Streichholzbriefe u.a., die wir am Aufbauort verstreuen mussten um den Eindruck zu erwecken, dass es sich hier um eine von den Amerikanern errichtete Station handeln musste, für den Fall, dass irgendjemand diese einsame Station finden würde. Die Beschriftung auf sämtlichen Geräten war natürlich englisch, alles deutete darauf hin, als ob die Anlage von der Wetterstation Ohio errichtet worden war. Tag und Nacht wurde im Schichtwechsel gearbeitet und nach 4 Tagen war es geschafft. Nach Beendigung der Aufgabe manövrierte unser Kommandant unter schwierigen Bedingungen wieder aus der Bucht heraus in das offene Meer hinein. Zum Vorteil war, dass das Wasser dort glasklar ist, was wesentlich zur Erleichterung des Manövers beitrug.

U 537 im Nordatlantik

Dann kam die neue Order. Richtung Neufundlandbänke. Dort dann durch Funkverkehr aus den verschiedensten Positionen ein nicht vorhandenes U-Boot-Rudel vortäuschen, damit also feindliche U-Bootjäger auf uns zu ziehen, also Feindkräfte binden, damit andere deutsche U-Boote ungestört ihre Aufgabe erfüllen konnten. Dies war für uns ein Himmelfahrtskommando, da wir nun natürlich ständig gejagt wurden, was beinahe zu unserer Vernichtung führte. Nach Erledigung dieser Aufgabe kam die Order zur freien Jagd. Da der Treibstoff zu Ende ging, befanden wir uns zu diesem Zeitpunkt schon auf der Rückfahrt. Mitten im Atlantik erreichte uns dann die Nachricht, dass der Feind mit neuen Messgeräten in der Lage war, unsere eigenen Mess-Ortungs-Geräte anzupeilen, sodass wir die Order bekamen, keines dieser Geräte mehr zu benutzen – also absolute Funkstille.

Da wir ja nun die beiden Wetter-Elektronik-Spezialisten an Bord hatten und auch noch entsprechendes Material, gelang es einen dieser beiden ein Provisorium zu konstruieren, welches uns in die Lage versetzte, feindliche Peilungen sofort festzustellen, um dann noch rechtzeitig wegtauchen zu können. Somit hat dieser Mann mit seiner primitiven Erfindungsgabe aus Not- und Verzweiflung in diesem Moment uns allen das Leben gerettet, sodass wir nach 4-monatiger Feindfahrt durch die Biskaya unseren Stützpunkt Lorient – Stützpunkt der 2. und 10. U-Boot Flottille – wieder erreichen konnten.

Das Boot musste eine Werft-Liegezeit hinter sich bringen. Ich sollte auf die Uffz-Schule. Es gab neue Order für das Boot: Überfahrt (mit Ladung) nach Singapur. Hier dann eine Feindfahrt im Pazifik. Ich war seiner Zeit jung, unverheiratet und so versuchte ich mit aller Macht – Protest bis in die höchsten Stellen – die Schule hinauszuschieben, um mit meinen alten Kameraden die große Fahrt mitmachen zu können. Ohne Erfolg. Die Abkommandierung konnte nicht rückgängig gemacht werden, was sich später als Glücksfall herausstellte und ich somit vermutlich der einzige Überlebende von U 537 bin.

Wie mir nachträglich bekannt wurde, ist das Boot in Singapur gut angekommen. Dann folgte die Feindfahrt in den Pazifik. Hier wurde das Boot von U-Boot-Jäger versenkt. Diese Feststellung machte ich 1946 (nach Kriegsende) wo ich als deutscher Marine-Soldat auf einem amerikanischen Hochseeschlepper als Maschinist fuhr.

Erwähnenswert ist noch, dass die Wetterstation 1 1/2 Jahre einwandfrei gearbeitet haben soll. Verständlich, dass mich diese Meldung aus Kanada, dass man die Anlage erst jetzt nach 40 Jahren entdeckt hat, tief berührt hat, nicht zuletzt in Gedanken an meine gefallenen Kameraden.

Werner Bendler

Fotos: Deutsches U-Boot-Museum, Simon Pulsifer

Literatur:

Hadley, Michael: U-Boote gegen Kanada

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