Das rote Licht
Zeitzeugenbericht des Kommandanten von U 405 Korvettenkapitän Rolf-Henrich Hopmann. Zu U 405 und Hopmann siehe auch unseren Artikel Der Kampf von U 405.
Kennst du den berühmten Ort, an den auch der Kaiser zu Fuß hingeht?
Also den meine ich. Um ihn kreisen während eines wochenlangen Seetörns die Gedanken, an ihm scheiden sich die Charaktere. Er ist uns quälender Tyrann und Erlöser zugleich. Mit Hilfe eines kleinen roten Lämpchens diktiert er uns seinen Willen. Auch der Kommandant muss sich ihm beugen.
Wir sind 40 Seelen und einige. Und immer wenn einer diesen Ort betritt, flammt das Lämpchen rot auf: ein impertinentes Rot, dieses Rot! Es leuchtet in den Bugraum, durch die Oberfeldwebelmesse, durch den Offiziersraum, am Funkschapp und Horchraum vorbei und in die Zentrale. Es spiegelt sich im Holz der Spinde und in der Deckenbeleuchtung auf den Leitungen und auf den Bildern. Und es brennt immer. Immer! Immer! Vor allem dann wenn man selber….. Also man wartet und wartet. Man tritt von einem Bein auf das andere. Schon beginnt der Magen zu schimpfen und einen zu quälen. Man stellt sich bereit. Wie ein Tiger wird man zuspringen, wenn sich die Tür öffnet. Aber sie öffnet sich nicht, nicht ums Verrecken. Man könnte den Dauersitzer erschlagen. Kaltblütig. Endlich! Langsam öffnet sich ein Spalt. Da – man traut seinen Augen kaum – schiebt sich eine Hand auf den Drücker, hat in in der Hand, bevor man selbst….. Der Schweiß bricht einem aus. Wieder warten! Jetzt warten schon zwei, drei, vier. Die neue Wache muss aufziehen. Selbstverständlich hat sie „Vorfahrtsrecht“ muss sie doch anschließend vier Stunden draußen stehen. Man gibt es auf.
Nach Stunden geht man dann einmal zufällig daran vorbei. Irgendwie gestört blickt man dann auf: das rote Licht brennt nicht! Hinein! Wie ein Elfmeter fliegt man ins Tor: Toooor!!!! Zunächst nimmt man sich Zeit und rächt sich für das lange Warten. Aber schon bollert es an der Tür, Wieso? Hast du etwa als du warten musstest an der Tür gebollert? Auch nicht! Na also. Aber trotzdem, mal muss man ja raus. Also ziehen. Ja Pustekuchen! Ziehen! Erst öffnest du mit einem eleganten Schwung das Innenventil, dann stemmt man sich mit aller Kraft gegen das Außenventil und öffnet es gegen See. Von der Wand wird eine eiserne Brechstange genommen und irgendwo eingesetzt. Nun musst du nicht vergessen den kleinen Hahn auf „Spülen“ zu stellen, sonst – es ist schon manche gesprenkelt herausgekommen. Und nun beginnst du zu pumpen. Du beginnst, der Schweiß bricht in Strömen aus. Die See bedankt sich für das, was du ihr geben willst und sendet es immer wieder zurück. Selbstverständlich bleibst du in diesem Kampf mit der See Sieger. Aber das dauert. Ich kann die sagen, das dauert! Müde, gebrochen und mit zitternden Knien verlässt du diesen Ort und wartest mit Zittern und Zagen auf das nächst mal. Und ein guter Rat: Vergiss beim Seegang nicht dich hinten anzulehnen, sonst schlägt dir immer der Deckel ins Kreuz, wenn das Boot nach Stb. Überholt. Schlimm ergeht es unserem Zentrale Maschinisten. Seine Station liegt außerhalb des Sichtkreises von „Rot“. Zehn- fünfzehnmal steckt er sein Gesicht durchs Schott und fragt trübsinnig monoton: „Chance für rot?“
Wenn einmal vieles wieder vergessen sein wird, wenn man längst schon wieder so kann, wie man möchte – ich glaube das werde ich nie vergessen, dieses Bangen und Fragen von 40 Seeleuten und einigen: „Chance für Rot?“
Fotos: Deutsches U-Boot-Museum
Recherche: Rainer Stührenberg