Aus dem „Stinkebrief“
Erinnerungen an die hygienischen Verhältnisse auf deutschen U-Booten
vom FTU-Mitglied und ehemaligen Funker auf U 67 und U 758 Martin Beisheim
Ich hatte schon immer vor, wieder mal zu schreiben. Da sind noch viele Sachen, welche ich gut in Erinnerung habe. Das sind u.a. die hygienischen Verhältnisse auf den U-Booten unserer Zeit. Bei den Booten anderer Nationen wird es wohl mit Waschgelegenheiten und Toiletten ähnlich gewesen sein. Bei den modernen Booten hat man diese Probleme gewiss besser gelöst. Die „Einundzwanziger“ hatten damals schon einen Miniatur-Waschraum. Welcher Luxus! Für unsere Körperreinigung standen immerhin zwei bis drei verbeulte Aluminium-Schüsseln zur Verfügung. Doch die Zeit für eine Körperwäsche fehlte meist, man musste sich mit einer Tasse Süßwasser zum Zähneputzen begnügen. Zum Waschen hatte man für das Seewasser eine spezielle Seife, welche im salzigen Wasser schäumte, aber fürchterlich stank. Diese sehr seltene Körperreinigung hatte zur Folge, dass wir selbst auch nicht gerade angenehm dufteten, auch wenn wir nach 14 Tagen die Unterwäsche umdrehten und nach 4 Wochen wechselten. Das konnte der Duft von Kölnisch Wasser „Kolibri“, von dem wir genug mit hatten, auch nicht beheben. Eine willkommene Einrichtung war eine Brause im Dieselraum, welche mit Diesel-Kühlwasser betrieben wurde, aber leider nur sehr selten benutzt werden konnte. Schön war es, wenn wir in einem „ruhigen“ Seegebiet standen, entfernt von den Geleitzug-Routen. Dann kam zeitweise eine Oberdecks-Brause zum Einsatz – oder man konnte (einzeln), mit einer Wurfleine gesichert, eine Runde im Atlantik schwimmen. Auf U 67 hatte man an Oberdeck neben dem Turm eine Bodenplatte herausgenommen, wodurch eine herrliche Badewanne entstand, welche laufend von der See durchspült wurde.
Ein besonderes Erlebnis in Bezug auf Körperwäsche hatte ich auf U 758 „Struppi“. Meine liebe Frau hatte mir in einem Feldpostpäckchen ein duftendes Stück Feinseife mitgeschickt. Das wollte ich an einem „ruhigen“ Morgen, nachdem ich meine Funkwache beendet hatte, genüsslich anwenden. Meine guten Verbindungen zu meinen „Nachbarn“, den Zentrale-Leuten brachten mir mich eine Schüssel Süßwasser aus dem Trinkwasser-Erzeuger, welcher in der Zentrale stand. Das war allerdings verboten (wegen dem Stromverbrauch des Geräts), für mich aber ein wertvolles Geschenk. Nun hatte ich mich von oben bis unten gründlich eingeseift, da kam etwas, womit ich nicht gerechnet hatte – Alarm!!! Das Boot musste tauchen! Die Männer der Bückenwache, welche herunter gepoltert kamen, mussten nun (da, wo ich gerade splitternackt und eingeseift stand) die Schnellentlüftungen der Tauchzellen 3 und 4 aufreißen. Es blieb mir nichts weiter übrig, als das wertvolle Wasser auszukippen – und mich schleunigst zu entfernen. So ein Sch….! Die Seeleute an den Entlüftungshebeln haben nur milde gelächelt. Es hätte ihnen auch passieren können.
Die Klo-Story
Einen Bericht über die U-Boot-Toiletten wollte ich zunächst nicht schreiben, weil mir das zu stinkig erschien. Doch die Leser und die Nachwelt können erfahren, was man den U-Bootmännern wochenlang zugemutet hat. Wer das Boot U 995 in Laboe besucht hat und in den winzigen Klo-Raum geschaut hat, kann sich vielleicht vorstellen, mit welchen Schwierigkeiten der Benutzer dieser technischen Anlage zu kämpfen hatte. Ohne eine gründliche Einweisung ging gar nichts, denn nach der Verrichtung des „großen Geschäfts“ musste der technische Teil der Anlage – mit mehreren Hebeln und kleinen Handrädern – bedient werden. Eine nicht eingehaltene Reihenfolge hatte dann meist fatale Folgen. Mit einer Hebelpumpe mussten die Fäkalien nach außenbords gepumt werden. Bei Unterwasserfahrt mit einer Tauchtiefe von 40 Metern, war das schon sehr anstrengend, weil man gegen den Außendruck von 4 Atü (kg/cm) anpumpen musste. Wemı die Atemlufi bei langer Tauchfahrt nicht mehr genügend Sauerstoff enthielt, wurde auch diese Tätigkeit zur Schwerarbeit. Ich hatte schon erwähnt, dass die Bedienung einer U-Boot-Toilette ein technisches Verständnis erforderte, denn die besagte Pumpe hatte auch ihre Tücken. Wenn sich unter dem Kolben der Pumpe ein Luftpolster bildete, kam es zu hässlichen und lauten Knarrgeräuschen, welche auch in den Horchgeräten der Gegner gut zu hören waren. Die Folge war dann oft eine längere Verfolgungsjagd mit vielen Wasserbomben. So ist es uns auch ergangen (s. Kriegstagebuch U 758 vom 08. Sept. 1943), als 2 feindliche Zerstörer unsere Geräusche bei Unterwasserfahrt aufgenommen hatten – und uns eine lange Wasserbomben-Verfolgung bescherten. Die Folge davon war, dass der Kommandant ein völliges Benutzungsverbot der Toilette bei Unterwasserfahrt erließ. Jedes U-Boot hatte 2 Toiletten, von denen aber nur Eine benutzt wurde, denn die Andere, vollgepackt mit Dosen der Bordverpflegung, befand sich bei den Booten der Baureihe VII in der Kombüse! Wer möchte schon ein Klo in der Küche haben?? Die andere Einrichtung befand sich im Vorschiff (Wohnraum der Oberfeldwebel). Man kann sich wohl vorstellen, dass bei einer Besatzung von 50 Mann die Toilette fast ununterbrochen in Betrieb war – sofern überhaupt die Zeit dafür zur Verfügung stand, denn bei Tauchtiefen über 40 Meter – oder im Gefecht war eine Benutzung nicht möglich. Oft bildeten sich vor dem kleinen Kabinett wahre Warteschlangen – wie bei Sonderangeboten in einem Einkaufscenter. Dann brannte eine kleine rote Signallampe über der Tür: Besetzt! Man gewöhnte sich daran, auch wem die Zeit meistens für eine gründliche „Sitzung“ nicht ausreichte. Einfallsreiche Konstrukteure hatten auf U 67 an Oberdeck neben dem Turm an der halbhohen Reling 2 entsprechende Sitze anbringen lassen – Diese Freiluft-Klos waren wohl praktisch – nur die Wasserspülung durch die vorbeirauschenden Wellen, kam oft zu früh.
Ich will hier noch weiter berichten, wie es nach dem Benutzungsverbot der „lautstarken“ Toilette aussah. Es fallt mir wirklich schwer, darüber zu schreiben, denn noch stinkiger ging es gar nicht! Da kam in der nächsten Werftliegezeit ein Kübel an Bord, etwa 50 cm hoch und auch im Durchmesser, so dass er mit den abklappbaren Haltegriffen durch Zentrale- und Turmluk passte. Dieser Klo-Pott hatte an der Oberseite einen hölzernen Sitz und war mit einem Deckel verschließbar. Nach entsprechender „Füllung“ musste dieses Monster beim nächsten Auftauchen auch wieder entleert und ausgewaschen werden. Das wurde von drei ganz jungen Seeleuten (16-jährige Unteroffiziers-Schüler) durchgeführt. Sie mussten den Kübel durch das Zentrale-Luk hochstemmen, nachsteigen, und den gleichen Vorgang durch das Turmluk wiederholen, sowie die Entleerung und das Auswaschen an Oberdeck durchführen. Dass diese Vorgänge nicht nur dreckig und stinkend waren, waren die Arbeiten an Oberdeck – besonders bei schwerem Wetter, für die Jungs sehr gefährlich. Ich wurde einmal von ihnen angesprochen, ob ich, als Tauchretter- und Schwimmwesten-Uffz. ein paar ausgediente Tauchretter-Taschen übrig hätte. Sie wollten sich diese gummierten Taschen über den Kopf ziehen – und sich Gucklöcher hineinschneiden, denn der besagte Klo-Kübel war ja nicht sehr dicht. Ob unser Admiral gewusst hat, unter welchen Verhältnissen seine Männer leben mussten???
Die nach dem Klo-Pott folgende „Erfindung“ war technisch gut gedacht: Ich bin nicht ganz sicher, ob diese Verbesserung von unserem LI Ulf Wetzenstein stammte. Wir haben in Zukunft das Klo als „Wetzenstein-WC“ bezeichnet. Die Sache war gut durchdacht! Unter dem Klo befand sich der Treiböl-Innenbunker II. Hier konnte man eine Trennwand einschweißen, so dass daraus eine Jauche-Zelle entstand. Die Bedienung dieser Anlage war nun denkbar einfach. Nach der Verrichtung des „großen Geschäfts“ brauchte man nur die Spülung zu betätigen – ganz ohne jegliche Geräusche! Den Inhalt der schon erwähnten Zelle konnten die Zentrale-Leute mit Pressluft durch ein Außenventil nach draußen befördern. Ich weiß nur, dass diese Anlage einem anderen Boot zum Verhängnis geworden ist. Einem Besatzungsmitglied dieses Bootes ist ein Metallkamm aus der Brusttasche seines Maschinenzeugs in den Klo-Trichter gefallen. Dieser Gegenstand hat beim Entleeren der Zelle das Außenbordventil blockiert, so dass es sich nicht mehr schließen ließ. Der Wassereinbruch in das Boot war unvermeidlich. Technischer Fortschritt!