Müller, Wolfgang
Wolfgang Müller
Kriegsschauplatz Ostsee 1919-1945,
Band 2 (August – Dezember 1939)
Verlagshaus M&M, 18314 Martenshagen, Januar 2013,
ISBN: 978-3-939155-50-8, 49,95 €
Wolfgang Müller hatte sich durch mehrere Veröffentlichungen, u.a. „Gesunken und verschollen“ (1994) und „Schiffschicksale Ostsee 1945“ (1996) bereits einen Namen als hervorragender Kenner der jüngeren Seefahrtsgeschichte in der Ostsee gemacht und veröffentlichte dann im Oktober 2011 den ersten Band einer neuen Reihe zum „Kriegsschauplatz Ostsee 1919-1945“ vor, in welchem er die marinegeschichtliche Entwicklung in der Ostsee seit dem Vertrag von Versailles 1919 bis zum Sommer 1939 darstellt. Nun legt er den zweiten Band seiner Reihe vor und widmet sich darin der Phase vom Vorabend des Zweiten Weltkrieges bis zum Ende des ersten Kriegsjahres 1939.
Mit insgesamt 326 Seiten, davon 291 Seiten Text mit 38 eingefügten Übersichtskarten, dann weiteren 13 Seiten mit Schiffsverlustlisten und zugehörigen Fotos, einem 5seitigen Abkürzungs- und Kartenzeichenverzeichnis, sowie einem 7seitigen Quellen- und Literaturverzeichnis, u.a. allein mit 12 Interviews, 83 genannten Autoren und über 200 Fotos, und am Ende noch einem 3-seitigen Schiffsnamen- sowie 2-seitigem Personenregister, findet der militärgeschichtlich Interessierte hier ein Buch mit ungewöhnlichem Detaillierungsgrad, einer Fülle von Zusammen-stellungen und sauber aufgearbeiteten Darstellungen geschichtlicher Abläufe vor.
Der Autor bietet in einem Vorwort, 5 Kapiteln und einem Anhang einen Abriss von der Zeit am Vorabend des Zweiten Weltkrieges bis zum Ende des ersten Kriegsjahres 1939 an. Er liefert damit einen weiteren Nachweis zu den Kriegsvorbereitungen Hitlers und vermag damit den leider immer wieder aufkommenden Mythen um einen „aufgezwungenen“ Krieg nachhaltig Einhalt zu gebieten. Müller ist erfolgreich bemüht, immer die großen Zusammenhänge aufzuzeigen und nicht einfach Einzeldarstellungen aneinander zu reihen. So ist es auch durchaus zu akzeptieren, dass es in einem Buch über die Ostsee als Kriegsschauplatz zu einer Reihe von Darstellungen zu den Anfängen des Seekrieges in der Nordsee und Atlantik kommt, u.a. mit einer Erläuterung des „Athenia“-Zwischenfalls im September 1939. Der Krieg zur See in der Ostsee erhält zwar ein ganzes Kapitel und erfährt natürlich, wenn notwendig, auch in den anderen Kapiteln Erwähnung, aber er ordnet sich in die Zielrichtung des Buches ein, nämlich die gesamten Kriegsereignisse der ersten Monate des Zweiten Weltkrieges im Ostseeraum zu erfassen, also auch das Kriegsgeschehen zu Lande und in der Luft.
Dafür gebührt Müller große Anerkennung, sein Buch lässt eine überwältigende Recherchearbeit erkennen, hervorzuheben auch die erstmalige Berücksichtigung polnischer und russischer Quellen. Er hat allerdings auf jegliches Anmerkungsverzeichnis verzichtet, sondern solche, wie auch Quellenangaben, nur an einigen Stellen direkt in die Texte eingearbeitet, was zwar dem Wert des Buches keinen Abbruch tun dürfte, dennoch von einigen Kritikern sicherlich als mangelnde Wissenschaftlichkeit angemahnt werden wird. Das Buch vermeidet erfreulicherweise jegliche Tendenzen in der Darstellung und bewegt sich in seinen bewertenden Passagen absolut im Rahmen der anerkannten Geschichtsschreibung. Die von ihm gewählte Sprache ist präzise und leicht leserlich, Drechselsätze werden vermieden und die Lektoren- und Korrekturlesearbeit hat offensichtlich ihre Früchte getragen.
Fazit:
Es bleibt zu hoffen, dass Wolfgang Müller sein ambitionöses Vorhaben durchhält und die angekündigten weiteren Bände 3 bis 8 zusammenstellen kann, um dann ein in diesem Umfang bislang unerreichtes Gesamtwerk zum Kriegsgeschehen im Ostseeraum fertig zu stellen. Gerade aus Sicht der Marinegeschichte dürfen wir angesichts der bewiesenen Qualität der ersten beiden Bände dabei voller Hoffnung auf eine lange überfällige Gesamtdar-stellung der U-Bootausbildung in der Ostsee, der Rettung von Hunderttausenden 1944/45 über die Ostsee und den Verbleib der bei Kriegsende 1945 noch auf den Ostseewerften im Bau befindlichen U-Boote warten.
Dieser erste Band zum Krieg im Ostseeraum ist eine sehr gelungene Gesamtdarstellung der politischen und militärischen Entwicklungen in den ersten Kriegsmonaten und ist eine wichtige, bislang noch nicht veröffentlichte Bereicherung der militärhistorischen Geschichtsschreibung. Das Buch ist uneingeschränkt zu empfehlen und sollte trotz seines hohen Kaufpreises Platz in jeder geschichtlichen Bibliothek finden.
Verfasser: Peter Monte am 31.01.2013