Kapitel 8

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Wolfgang Lüth

Daß Wolfgang Lüth zu den allererfolgreichsten U-Boot-Kommandanten gehörte, setze ich hier als bekannt voraus, hier möchte ich über seinen Tod schreiben. Zum Kriegsende war er Kommandeur der Marineschule Flensburg Mürwik und Standortkommandeur. Die britischen Besatzungstruppen ließen der deutschen Selbstverwaltung ziemlich freie Hand, sie forderten nur, daß von deutscher Seite Wachdienst geleistet wurde, da ziemlich viele Gruppen verschiedenen Charakters plündernd umherzogen.

p094_1_00Natürlich wurde für die Wachen auch ein täglich wechselndes Losungswort ausgegeben, und zwar durch den Standortkommandeur – also Wolfgang Lüth. Was ist Fakt?

Am 13.05.1945 machte Wolfgang Lüth seine Mitternachts-Kontroll-Runde. Um 23:00 Uhr sah ein deutscher Posten eine Person, die in der Dunkelheit nur schattenartig sichtbar war. Befehlsgemäß rief er „Halt! Wer da? Frage Losung!“ Er erhielt keine Antwort, – auch auf den zweiten und dritten Anruf nicht! Der Befehl der Besatzungsmacht lautete: „Nach dreimaligem vergeblichen Anruf wird geschossen!“ Der Posten – ein Matrosengefreiter – handelte befehlsgemäß und schoss: Er traf KzS Wolfgang Lüth, der sofort tot war! Der Gefreite, der beim Schießen auf Scheiben mehr als zu oft daneben schoss, – hier traf er mit einem Schuss todbringend! War es Schicksal, oder tragisches Versehen?

Es vergingen acht Jahre, das U-Boot-Archiv hatte schon einen gewissen Bekanntheitsgrad, da rief mich im Frühjahr 1953 Frau Lüth an: Kurz nach dem Kriege habe der junge Mann, der ihren Mann erschossen hätte, vor ihrer Tür gestanden und sie habe ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen.

Inzwischen habe sie sich eingehend mit dem Nachlass, Briefen und Aufzeichnungen ihres Mannes beschäftigt und sei nun der Ansicht, daß ihr Mann es so gewollt habe, daß es sein Wille gewesen sei, auf diese Art aus dem Leben zu scheiden, – einen Selbstmord hätte er aus Glaubensgründen abgelehnt!

Nun wolle sie sich bei dem jungen Mann entschuldigen, das sie ihn damals so brüsk und ablehnend von ihrer Tür gewiesen habe. Ob ich wohl seinen Namen und seine Anschrift wüsste. Beides war mir bekannt, – ich wusste auch, w i e sehr der Kamerad unter dem Geschehen immer noch litt – kurz – ich konnte beiden helfen.

Frau Lüth war innerlich befreiter, daß sie dem Kameraden die versöhnende Hand bot – und unserem Wach-Kameraden fiel ein großer Stein vom Herzen, daß er die Vergebung von Frau Lüth erhielt.

Der Kamerad, der den tragischen Schuss abgab, hat mich gebeten, seinen Namen im Archiv zu löschen – auch spätere Generationen sollten ihn nicht erfahren – ich respektiere diesen Wunsch, da ich meine, daß die Würde des einzelnen Menschen höher steht als manche historischen Vorgänge.

Das war der „Stand“ 1953.

Inzwischen habe ich erfahren, daß durch eine Indiskretion (ich weiß nicht woher sie kommt) Name des Schützen – sogar mit Foto – im Internet und auch einigen Büchern veröffentlicht worden sind. Ich bleibe dabei, M E I N Versprechen zu halten, schließe mich also auch in dieser Veröffentlichung hier der Indiskretion, die sich da breit gemacht hat, nicht an.

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