Die Bombardierung von U 96

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Vor 75 Jahren befand sich U 96 unter seinem Kommandanten Heinrich Lehmann-Willenbrock auf seiner siebten Unternehmung im Atlantik. Der Marinekriegsberichtserstatter Lothar-Günther Buchheim befand sich dabei an Bord. Die spätere literarische Verarbeitung der von ihm auf dieser Unternehmung gemachten Erfahrungen, der Roman „Das Boot“ und seine Verfilmung sorgten dafür, dass diese Unternehmung einem breiteren Publikum zugänglich und U 96 zum sicherlich bekanntesten deutschen U-Boot wurde. Dieser Artikel versucht zu diesem 75-Jährigen Jubiläum, die tatsächlichen Ereignisse dieser Novembernacht im Jahre 1941 anhand der Kriegstagebücher von U 96 sowie technischer Unterlagen im U-Boot-Archiv zu rekonstruieren.

Am Abend des 30.11.1941 stand U 96  unmittelbar westlich der Straße von Gibraltar. Am 22.11. hatte es einen Funkspruch aufgenommen, der einen Durchbruch ins Mittelmeer nach Versorgung durch das im spanischen Hafen Vigo internierte, aber zu Versorgungszwecken ausgestattete deutsche Handelsschiff Bessel befahl. Es war beinahe Windstill und der Himmel war nahezu wolkenlos. Die See war ruhig und es herrschte gute Sicht. Der Mond war bereits vor Sonnenuntergang aufgegangen und sollte erst am darauf folgendem Morgen wieder untergehen. Da es nur drei Tage vor Vollmond war, ging der Kommandant von einer Nacht mit hellem und kaum durch Wolken verdeckten Mondschein aus. Um gegnerische Schiffe gegen den Mond besser sehen zu können und weil dort eine geringere Überwachung vermutetet wurde, hatte sich der Kommandant entschlossen, an die afrikanische Seite angelehnt durch die von den Briten schwer gesicherte Straße von Gibraltar zu laufen. Dieses sollte soweit irgend möglich über Wasser geschehen.

Um 20.45 Uhr konnte das Boot einem gegnerischen Flugboot, wahrscheinlich ein Seeaufklärer auf dem Heimflug, über Wasser ausweichen. Auch die Sichtung von drei Sicherungsfahrzeugen machte noch kein Tauchen nötig. Als um 22.35 Uhr plötzlich ein Doppeldecker, wahrscheinlich eine Fairy Albacore, U 96 tief von achtern direkt anflog, wurde zwar noch Alarm gegeben, bevor das Boot aber ganz unter Wasser war, detonierten in dessen unmittelbarer Nähe zwei Bomben. Beide Batterie-Selbstschalter, quasi die Hauptsicherungen des Bootes, sprangen dadurch heraus, was zunächst zu einem Ausfall sämtlicher elektrischer Anlagen einschließlich der Notbeleuchtung und der E-Maschinen führte. Durch die Wucht der Detonation zerbarsten viele Gläser von Manometern und selbst befestigte Gegenstände lösten sich und fielen umher. Sämtliche Tochterkompasse fielen ebenso wie Ableseeinrichtung des Magnetkompasses aus.

Direkt nach den Detonationen kam es zu Wassereinbrüchen über das Turm- bzw. Kombüsenluk, die aber unmittelbar gestoppt werden konnten. Auch ein Wassereinbruch im E-Maschinenraum konnte nach kurzer Zeit gedichtet werden. Die Mannschaft konnte auch die wichtigsten Störungen relativ schnell beheben und so konnte das Boot auf Tiefen zwischen 20 und 30 m gehalten werden. Aus dem Dieselraum wurde allerdings starker Öl- und Wassereinbruch über Treibölbunker I gemeldet. Dieser befindet sich innerhalb des Druckkörpers jeweils seitlich des Unteroffizier-Raumes zwischen Zentrale und Dieselraum, so dass zunächst ein Druckkörperriss befürchtet wurde.

Es war abzusehen, dass sich das Boot durch diesen starken Wassereinbruch, der die Dieselraumbilge rasch volllaufen ließ, nicht lange auf seiner Tiefe halten lassen würde, weshalb der Kommandant um 23.00 Uhr auftauchen ließ. Um eine Wassertiefe zu erreichen, bei der das Boot sicher auf Grund liegen konnte, wurde mit Großer Fahrt nach Süden gesteuert. An der Wasseroberfläche zeigte sich, dass durch Beschädigungen an den Leitungen die Tauchzellen nicht mit Dieselabgasen ausgeblasen werden konnten. Die Entlüftung von Tauchzelle 5 schloss nicht mehr. Tauchzelle 5 ist mit einem Volumen von 25 m³ die kleinste der drei Tauchzellen des Typs VII C, die dem Boot bei Überwasserfahrt den nötigen Auftrieb verleihen. Sie befindet sich außerhalb des vorderen Endes des Druckkörpers um die Torpedorohre herum. Ein Boot vom Typ VII C konnte nur auf seiner größten Tauchzelle 3, die ein Volumen von 47,75 m³ hatte und sich innerhalb des Druckkörpers unter der Zentrale befand, schwimmen, freilich ohne eingedrungenes Wasser. U 96 hatte zwar durch das Entlüften von Tauchzelle 5 etwas weniger als ein Viertel seines Auftriebs verloren, seine Schwimmfähigkeit erschien aber nicht gefährdet. Die auftretende Vorderlastigkeit musste mit den Tiefenrudern kompensiert werden. Risse der Tauchbunkern in den Satteltanks verursachten eine starke Ölspur.

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Das vordere Druckschott der Zentrale von U 995. Das linke Handrad darüber diente zur Betätigung der Entlüftung von Tauchzelle 1 , das rechte von Tauchzelle 5. Foto: Autor

Gegnerische Sicherungsfahrzeuge standen beim Auftauchen noch weit ab, allerdings sind mehrere Feindflugzeuge nah um das Boot kurvend zu hören aber noch nicht auszumachen gewesen. Um dieser Gefährdung zu entgehen, wurde um 23.15 Uhr erneut getaucht. Das Boot wurde hierbei stark vorlastig und die Falltendenz konnte durch Stoppen der Maschinen sowie Schließen der Entlüftungen mit anschließendem Anblasen allenfalls verlangsamt werden. So stieß das Boot 10 Minuten nach dem Tauchen in 80 m Tiefe auf den Meeresgrund. Das Boot kam mit so tiefem Heck zum Liegen, dass das Wasser aus dem Dieselraum in den E-Maschinenraum lief. Eine kurze Lagebesprechung der Bootsführung ergab, dass sich der Wassereinbruch mit den vorhandenen Lenzmitteln in dieser Tiefe nicht halten lassen würde, dass also mehr Wasser eindrang, als außenbords gepumpt werden konnte. Es wurde daher weiter angeblasen, um das Boot vom Grund zu lösen, weiter nach Süden zu laufen und schließlich in geringerer Tiefe auf Grund zu legen.

Dazu tauchte U 96 um 23.48 Uhr wieder auf um abermals einen südlichen Kurs zu steuern. Um Mitternacht musste vor gegnerischen Flugzeugen, die mit Leuchtkugeln die Nacht taghell erleuchteten, erneut getaucht werden. In einer Tiefe von 55 m stieß das inzwischen durch das eingedrungene Wasser viel zu schwere Boot 11 Minuten später zum zweiten Mal auf den Meeresgrund. Als sich Sicherungsfahrzeuge schnell näherten, wurden nicht nur wie sonst bei Schleichfahrt sämtliche Hilfsmaschinen abgestellt, sondern auch der Kreiselkompass und der 0,3 kW Horchumformer. Zwei Fahrzeuge überliefen das Boot, dessen ungefähre Position diesen durch immer noch austretendes Treiböl bekannt gewesen sein dürfte, setzten aber ihr ASDIC offenbar nicht ein. Aus Gründen der Geräuschminimierung wurde das in das U-Boot eingedrungene Wasser zunächst nur per Schlauchverbindung und Handlenzpumpe in die Zentrale gelenzt und erst später, als sich die Sicherungsfahrzeuge wieder entfernten mit der Hilfslenzpumpe über den Regelbunker außenbords gepumpt.

Insgesamt konnte in der geringeren Wassertiefe mehr Wasser gelenzt werden als über den nach wie vor bestehenden Wassereinbruch über Treibölbunker I eindrang. So konnte das Boot, nachdem es knapp viereinhalb Stunden auf Grund gelegen hatte, sich, ganz nach Tauchvorschrift, ohne Anblasen vom Grund lösen und um 04.45 Uhr am 01.12. auftauchen. Der Mond war inzwischen untergegangen und die Chance, in den daher dunklen Morgenstunden nach Westen in die offene See zu entkommen und anschließend den Rückmarsch nach St. Nazaire anzutreten, wurde als günstig beurteilt. Neben zwei neutralen Schiffen kam unmittelbar nach dem Auftauchen auch ein gegnerisches Sicherungsfahrzeug in Sicht vor, dem jedoch in südwestlicher Richtung abgelaufen werden konnte. Eine halbe Stunde später wurde ein zweites Sicherungsfahrzeug gesichtet, dem nach Norden ausgewichen werden musste. Später kamen noch drei weitere Sicherungsfahrzeuge in Sicht, denen auch über Wasser weggelaufen werden konnte.

Bei Morgendämmerung tauchte U 96 um 08.21 Uhr zum Unterwassermarsch während des Tages. Obwohl während des Tages fast ständig gegnerische Sicherungsfahrzeuge zu hören waren, konnte die Besatzung die bei der Bombardierung entstandenen Schäden aufnehmen und Reparaturen vornehmen. Ab 13.25 Uhr wurde durch Kali-Patronen geatmet.

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Unter einer Koje im U-Raum von U 995: Das Ende der Achse zur Bedienung der Flutklappen von Tauchbunker 2 stb., Foto: Autor

Nach wie vor drang Wasser über Treibölbunker I in das Boot ein, allerdings war eine genauere Begutachtung des Schadens, geschweige denn eine Reparatur, in See nicht möglich. Inzwischen hielt man an Bord des Bootes eine Undichtigkeit der Achsendurchführung der Flutklappen von Tauchbunker 2, der sich im achteren Bereich der Satteltanks befand, durch Treibölbunker I für die wahrscheinlichste Ursache dieses Wassereinbruchs, was sich später nach Rückkehr in der Werft bestätigen sollte. Die Entlüftung von Tauchzelle 5 konnte nach wie vor nicht ganz geschlossen werden, die Dieselausblaseleitungen außerhalb des Druckkörpers waren nicht funktionsfähig.

Es stellte sich weiterhin heraus, dass 14 Batteriezellen gerissen und ausgelaufen waren. Weitere 14 Zellen waren angerissen und teilweise ausgelaufen. Insgesamt verfügte der Typ VII C zur Energieversorgung unter Wasser über 124 Batteriezellen, die zu zwei gleich großen Batterien, die sich unterhalb des Unteroffizier-Raumes beziehungsweise der Offizier-Wohnraumes und des Oberfeldwebel-Raumes befanden, aufgeteilt waren. Defekte Zellen konnten mit Metallschienen überbrückt werden, um noch möglichst viele der intakten Zellen nutzen zu können, was im Verlaufe des 01.12.1941 und des darauf folgenden Tages auch auf U 96 geschah.
Die neben zum Anblasen der Zellen auch für verschiedene andere wichtige Funktionen an Bord wie beispielsweise das Ausstoßen von Torpedos benötigte Druckluft mit einem Druck von 200 Bar wurde von zwei Luftverdichtern erzeugt und in insgesamt 12 inner- und außerhalb des Druckkörpers verteilten Luftflaschen gespeichert. Die Sockel dieser beiden im E-Maschinenraum angebrachten Verdichter, ein elektrischer und ein dieselbetriebener Freikolbenverdichter, waren von der Wucht der Detonationen der Fliegerbomben gerissen, so dass die Verdichter mit Stützbalken und Holzkeilen gegen den Druckkörper abgestützt werden mussten.

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Der elektrische Luftverdichter im E-Maschinenraum von U 995, Foto: Dirk Pries

Zahlreiche am Druckkörper angeschweißte Halterungen sowie die Richtanlage und verschiedene andere Teile des Geschützes waren abgerissen worden. Das Okular des Zentralesehrohrs war ebenso wie Porzellanisolierung der Durchführung der achteren Antenne zerbrochen. Der Kommandant hebt im Kriegstagebuch die unerschütterliche und kaltblütige Haltung seiner Besatzung bei der Beseitigung der Schäden hervor.

Nach zwei Auftauchversuchen um 19.55 und 21.22 Uhr, bei denen U 96 augenblicklich wieder vor Feindflugzeugen tauchen musste sowie einem um 22.47 Uhr, bei dem das Boot nach Ausweichen vor einem gegnerischen Sicherungsfahrzeug für knapp über eine halbe Stunde an der Wasseroberfläche bleiben konnte, tauchte es schließlich um 00.47 Uhr am 02.12. zum Überwassermarsch nach Westen während der wieder hellen und sichtigen Nacht auf. Im Verlaufe des Tages tauchte das Boot nur noch einmal für fast 4 Stunden, um Arbeiten an der Batterie vorzunehmen. Als es auf dem Marsch nach Westen am Mittag eine Breite westlich der spanischen Westküste erreicht hatte, wurde ein Kurs nach Norden eingeschlagen.

Um 05.38 Uhr am 03.12. kam ein großer Passagierdampfer in Sicht, der dem Kommandanten aufgrund seines Kurses und seiner Größe von ca. 12.000 BRT verdächtig erschien. Nachdem das Boot auf diesen zugelaufen war, wurde eine Dreiviertelstunde später der mit spanischen Hoheitsabzeichen versehene Dampfer nach Prisenordnung per Lichtzeichen gestoppt und zum Vorlegen seines Logbuchs und seiner Ladepapiere auf dem U-Boot aufgefordert. Um 06.52 Uhr fragte U 96 durch Funkspruch bei seiner Befehlsstelle an, ob der Dampfer, die Cabo de Hornos, dieser angekündigt gewesen wäre. Der Funkspruch wurde zunächst nicht von der Leitstelle verstanden. Als ungefähr eine Stunde nach Aufforderung noch immer kein Boot vom Dampfer zu Wasser gelassen wurde und auf eine erneute Aufforderung lediglich „forciere pp“ geantwortet wurde, wurde von U 96 an den Dampfer gemorst, dass dieser versenkt werden würde, sollte nicht innerhalb der nächsten 10 Minuten ein Boot mit den Papieren zu Wasser gelassen werden. Das U-Boot lag dabei ebenfalls gestoppt in ca. 1.800 m Entfernung und hatte dem Dampfer das Heck zugewendet um bei Gefahr schnell ablaufen zu können. Um 07.37 Uhr schoss es, als nach 15 Minuten noch immer kein Boot zu Wasser gelassen wurde einen Torpedo aus dem Heckrohr auf das immer noch gestoppt liegende Schiff, der allerdings ein Torpedoversager wurde, was wahrscheinlich auf die Einwirkungen der Bomben zurückzuführen war. Bevor das Heckrohr nachgeladen werden konnte, wurden die Papiere um 08.00 Uhr dem U-Boot schließlich zur Prüfung vorgelegt. Diese ergab, dass das Schiff sich auf der Fahrt von Buenos Aires über Lissabon nach Bilbao befand und keine Konterbande geladen hatte. So wurde es entlassen und konnte seine Fahrt fortsetzen, auch U 96 nahm seinen Rückmarsch um 08.30 Uhr wieder auf. Nach einem weiteren vom Boot abgesetzten Funkspruch, nahm es eine Stunde später noch die Antwort des BdU, dass der Dampfer laufen zu lassen sei, auf.

Während der nächsten beiden Tage, die ohne besondere Vorkommnisse verliefen, lief das Boot am Tage getaucht auf seinen Stützpunkt zu. Nachdem es nach Erreichen des mit dem Einlaufgeleit vereinbarten Treffpunktes auch die Tagesstunden des 06.12. unter Wasser verbracht hatte wurde es um 16.00 Uhr vom Einlaufgeleit aufgenommen und machte um 17.27 Uhr in der Südschleuse von St. Nazaire zur Begrüßung durch den Flotillenchef fest, von wo es knapp 90 Minuten später in den U-Boot-Bunker verlegte. Die Besatzung wurde anschließend zum Wohnen in ihre Quartiere im nahe gelegenen Badeort La Baule verbracht.

U 96 beim Anlegen in der Südschleuse von St. Nazaire nach einer Feindfahrt im Jahr 1941
U 96 beim Anlegen in der Südschleuse von St. Nazaire nach einer anderen Feindfahrt im Jahr 1941, Foto: Deutsches U-Boot-Museum

In seiner Stellungnahme zu dieser Unternehmung, bei der die Versenkung von zwei Schiffen mit insgesamt 13.000 BRT beansprucht wurde, hob der Chef der Operationsabteilung Eberhard Godt ebenfalls das ruhige und sichere Arbeiten der Besatzung nach den Fiegerbomben vom 30.11. hervor. Dem Kommandanten Heinrich Lehmann-Willenbrock wurde am 31.12.1941 für seine bisherigen Versenkungserfolge das Eichenlaub zum Ritterkreuz verliehen

Das Boot ging vom 09.12.1941 bis zum 23.01.1942 zur Reparatur und Überholung in die Werft. Es wurde zwar keine Beschädigung des Druckkörpers festgestellt, dafür aber Risse in Innen- und Außenbunkern, die sämtlich wieder verschweißt wurden. Die 28 beschädigten Batteriezellen wurden erneuert und sämtliche Anlagen des Bootes gründlich überholt.

Quellen:

  • KTBs U 96 vom 13.09.1941-06.12.1941 und vom 06.12.1941-23.03.1942
  • Technische Unterlagen zum Typ VII C im U-Boot-Archiv

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Text: Kai Steenbuck – Fotos: Kai Steenbuck, Dirk Pries, Deutsches U-Boot-Museum

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