U-Boote der DDR

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Die Mythen um U-Boote in Ostdeutschland

Obwohl die Forschung hierzu klar nachgewiesen hat, dass es in Ostdeutschland zwar Pläne und erste Vorbereitungen zur Schaffung einer eigenen U-Bootwaffe gegeben hat, tauchen immer wieder Gerüchte auf, das diese Vorbereitungen viel weiter gediehen waren, als bisher angenommen. Vor allem in Internet-Foren melden sich gelegentlich Stimmen, die von ersten Fahrversuchen von ostdeutschen U-Bootbesatzungen auf sowjetischen ex Kriegsmarine U-Booten berichten, andere führen immer wieder das Drängen der Sowjets gegenüber der DDR zur Schaffung einer U-Bootwaffe in Ostdeutschland noch lange nach Aufgabe der ersten Vorbereitungen 1953 an, und die Hebung von zwei U-Booten der Kriegsmarine aus der Ostsee und deren Überführung in ostdeutsche Werften zur angeblichen Instandsetzung muss teilweise als Beweis für die konkrete Einführung von U-Booten in die ostdeutschen Seestreitkräfte herhalten.

Auf der im Frühjahr 2011 in das Netz gestellten Homepage des Deutschen U-Museum finden sich sind zwar Ausführungen zu U-Booten in der DDR, dennoch wollen wir die Fakten noch einmal zusammenfassen, um die Mythen um diesen Teil der Marinegeschichte in Deutschland endgültig als solche zu qualifizieren. Was sind also die Fakten um U-Boote in der DDR?

p052_1_01Tatsächlich gab es ab Frühjahr 1952 die ersten Pläne der damaligen Führung der DDR, dies in Absprache mit der sowjetischen Führung, im Rahmen des weiteren Aufbaus von umfangreichen Streitkräften der DDR u.a. auch einen „U-Boot-Dienst“ zu schaffen. Anfang Mai 1952 wurde im „Planvorschlag für die Entwicklung der Seepolizei der DDR für die Jahre 1952/ 1955“ festgelegt, u.a. insgesamt 13 U-Boote bis 1955 zu beschaffen und hierfür die notwendige Ausbildungsorganisation und Stützpunkt-Infrastruktur einzurichten.

Die erforderliche Umsetzung dieser Pläne geschah zügig.

Zur Schaffung der notwendigen Infrastruktur wurde im Saßnitzer Kreidehafen auf Rügen ab Mitte 1952 mit dem Ausbau eines U-Bootstützpunktes begonnen, u.a. soll eine Fingerpier mit Landanschlüssen entstehen. Bald jedoch wurde ein neues Bauvorhaben für die Aufnahme der späteren U-Boote im Jasmunder Bodden, dem großen Binnengewässer im Nordosten Rügens, gestartet, wo am Ende der Hauptstützpunkt der zukünftigen DDR-Seestreitkräfte entstehen sollte. Und, das Gelände des Schlosses Dwasieden bei Saßnitz wurde als Standort einer zukünftigen U-Boot-Lehranstalt (ULA) ausgewählt, ab August 1952 erfolgte die Sanierung eines Teils des Schlosses und die Errichtung von mehreren Baracken für Verwaltungs-, Unterkunfts-, Unterrichts- und Betreuungszwecke.

p268_1_01 p268_1_02Der personelle Aufbau zunächst einer Ausbildungsorganisation gestaltete sich schwierig, denn die Suche nach und Ansprache von kriegsgedienten und nicht nationalsozialistisch belasteten, ehemaligen U-Bootfahrer verlief enttäuschend. Es galt, am Ende eine Lehranstalt für die Ausbildung von ca. 50 Offizieren in vier Klassen (Kommandantenschüler, Wachoffiziere, Torpedooffiziere und Schiffstechnische Offiziere), 150 Unteroffizieren und 280 Mannschaften zu betreiben. Tatsächlich lesen sich die Lebensläufe der führenden Offiziere an der späteren Lehranstalt merkwürdig an, keiner von diesem war je auf einem U-Boot der Kriegsmarine gefahren.

Der spätere und einzige Leiter der Lehranstalt, Fregattenkapitän Heinrich Jordt, hatte in der Kriegsmarine zuletzt als Maschinenobermaat auf einen Minensucher Dienst getan. Ende 1952 war es dennoch gelungen, zumindest einen ersten Stamm an zukünftigen Ausbildern zusammenzuziehen und diese auf die Aufnahme der Schüler vorzubereiten, angeleitet u.a. auch durch eine umfangreiche Beratergruppe sowjetischer U-Bootspezialisten. Mit Befehl Nr. 1/53 v. 04.01.1953 des Chefs der damaligen Volkspolizei See, Generalinspekteur Waldemar Verner, einem gelernten Schaufensterdekorateur, aber verdienten Kämpfer im kommunistischen Widerstand, begann im Januar 1953 an der ULA der Ausbildungsbetrieb. Im Sommer 1953 wird eine Personalstärke von rund 180 Stammpersonal und rund 480 Lehrgangsteilnehmern gemeldet.

Damit soll nach Infrastruktur und Personal ein Blick auf den dritten Aspekt in der Geschichte von U-Booten in der DDR geworfen werden: Rüstungsplanung und Maßnahmen hierfür. Nach einer halbjährlichen Grundschulung sollte dann die praktische Bordausbildung auf U-Booten erfolgen, die von der Sowjetunion zur Verfügung gestellt werden würden.

Für die Ausbildung der Besatzungen war geplant, ab Sommer 1953 zunächst ehemalige Typ VII U-Boote der Kriegsmarine (genannt werden: U 1057, U 1058, U 1064, U 1231 und U 1305) von der Sowjetunion zu übernehmen, die diese 1945 als Kriegsbeute erhalten und seitdem weiterbetrieben hatte. Auch sollten zwei kleinere Küsten-U-Boote aus der Serie M/ XV der „Malyukti“-Klasse von der Sowjetunion übernommen werden. Zur Vorbereitung des geplanten eigenen U-Bootbauprogramms ab April 1954 von zunächst 14 kleineren, ca. 320 to großen U-Booten (nach einem Musterboot im Zweiten Quartal 1954 sollte dann alle drei Monate ein weiteres U-Boot in Bau gehen) auf der Volkswerft in Stralsund wurde im Februar 1953 das vor Warnemünde bei Kriegsende selbst versenkte Typ VII C U-Boot U 1308 gehoben, nach Entschlammung in Rostock aber erst im November 1953 zur Volkswerft nach Stralsund zur Eindockung gebracht.

Innenaufnahme nach Bergung von U 1308 und Überführung nach Stralsund (Volkswerft) 1953
Innenaufnahme nach Bergung von U 1308 und Überführung nach Stralsund (Volkswerft) 1953

Wegen technischer Probleme und dem dahin schon verfügten Ende aller U-Bootpläne in der DDR wurde U 1308 dann aber verschrottet. Ursprünglich geplant war, dieses U-Boot als „Muster-U-Boot“ zu vermessen und als konkrete „Blaupause“ für die Eigenkonstruktion von U-Booten auf der Volkswerft zu nutzen. Der im März 1953 gebilligte Schiffbauplan für die Seestreitkräfte der DDR („Erforderliche Maßnahmen für die Durchführung des Marine-Bauprogramms 1954-1956“, rund 200 Kriegsschiffe und 50 Hilfsschiffe) sah nun, anders als bisher geplant, den Bau (Projekt 20 „Stichling“) von insgesamt 14 U-Booten mit einer Verdrängung von rund 750 Tonnen vor, also eine etwas kleinere Version des Typ VII C der Kriegsmarine.

Die sich dramatisch verschlechternde wirtschaftliche Lage der DDR und die, nach je 160.000 Flüchtlingen in 1951 und 1952, seit Anfang 1953 unaufhörlich anschwellende Flüchtlingswelle (allein 120.000 von Januar bis April) zwang zu einem Umdenken der DDR-Führung auch für das viel zu ambitionöse Rüstungsprogramm. So wurde dann am 12. Juni 1953 im Rahmen der verfügten Reduzierung des Personalbestandes der Kasernierten Volkspolizei (KVP) mit der nachgeordneten Volkspolizei-See (VP See) als Vorläufer der „Nationalen Volksarmee/ NVA“ und „Volksmarine“ die vollständige Schließung der damals mit 768 Mann als Sollstärke angegebenen ULA festgelegt. Der in der Literatur manchmal genannte Volksaufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR ist also nicht das auslösende Ereignis für das Ende der U-Bootwaffe der DDR, mit einiger Sicherheit hat er aber deren Ende für immer besiegelt. Auch die geplante Übernahme von U-Booten aus der Sowjetunion für die Ausbildung kam nie mehr zustande.

Konteradmiral Neukirchen, Chef des Stabes der Seestreitkräfte der DDR, bei der Besich-tigung des Schadens am Druckkörper von U 2344, Neptunwerft Rostock 1956
Konteradmiral Neukirchen, Chef des Stabes der Seestreitkräfte der DDR, bei der Besich-tigung des Schadens am Druckkörper von U 2344, Neptunwerft Rostock 1956

Wie ging es weiter? Offiziell wurde der Lehrbetrieb an der ULA zum 01.07.1953 eingestellt und deren Auflösung zum 01.08.1953 verfügt, das Personal zu anderen Einheiten und Dienststellen der Volkspolizei See versetzt. Es gibt dann jedoch im Wesentlichen vier Vorgänge, die in der Literatur öfter als Beweis angeführt werden, dass U-Bootpläne in der DDR weiter gehegt wurden.

Da wird als Erstes auf eine am 08.04.1953 erschienene Studie verwiesen, die sich mit der „Zweckmäßigkeit“ der U-Bootausbildung in der Volkspolizei See befasste. Tatsächlich scheint sie aber eher eine Bewertung der bis Mitte 1953 erfolgten U-Bootausbildung zu sein, fordert sie doch an keiner Stelle die Wiederaufnahme des Aufbaus einer U-Bootwaffe für die DDR. Zum Zweiten wird auf den Aufbauplan der Seestreitkräfte der DDR 1956 – 1960 v. 08.06.1955 verwiesen, der tatsächlich u.a. die Indienststellung von 6 U-Booten vorsah.

Im Folgejahr erlebten die Planungen für U-Boote in Umsetzung dieses 5-Jahresplans zwar Modifizierungen, u.a. sollte die Beschaffung der 6 U-Boote durch eine Kauflösung von je 2 U-Booten zwischen 1958 und 1960 statt einer Eigenproduktion erfolgen, gleichwohl gab es außer der Bereitstellung von geringfügigen Haushaltsmitteln aber keinerlei andere konkrete Maßnahmen zur Implementierung. Die U-Bootwaffe der DDR dieses Planes hätte bis 1960 damit 6 U-Boote, eine U-Bootschule und einen kleinen Stützpunkt in Saßnitz umfasst, insgesamt mit Stab und U-Bootschülern 476 Mann Personal. Mit der Fortschreibung des Plans werden ab 1957 dann jedoch keine U-Boote mehr aufgeführt und tauchen also solche danach auch nie wieder auf.

p268_1_05 p268_1_06Zum Dritten kam es im Januar 1955 zur Hebung des am 18.02.1945 nach einer Kollisi-on vor Heiligendamm gesunkenen Typ XXIII U-Bootes der Kriegsmarine U 2344. Das U-Boot wurde zur Neptun-Werft gebracht, um dann aber nach 1957 wegen irreparabler Schäden abgebrochen zu werden. Die heutigen Erkenntnisse lassen den eindeutigen Schluss zu, dass dieses U-Boot, wenn es denn je fahrtbereit geworden wäre, zur Zieldarstellung für die U-Jagdausbildung der Überwasserstreitkräfte der Volksmarine (die Seestreitkräfte der DDR trugen ab 03.11.1960 den Namen „Volksmarine“) vorgesehen und nicht etwa die späte Keimzelle für eine neue U-Bootwaffe der DDR war.

Zum Vierten sind bis zum Ende der DDR wiederholt Äußerungen seitens hochrangiger Sowjets überliefert, die mehr oder weniger direkt die DDR zur Schaffung einer U-Bootwaffe auffordern oder ermuntern. Wie ernsthaft diese angeblichen Forderungen waren oder ob sie nur diplomatisches „Geplänkel“ waren, ist nicht weiter zu verfolgen. Tatsache ist, dass daraus keinerlei Planungsaktivitäten in der DDR erfolgten und diese Vorgänge deshalb eher als inoffizielles sowjetisches Wunschdenken einzuordnen sind.

Fazit

Über die Pläne und konzeptionellen Überlegungen bis etwa 1956, erste Infrastrukturmaßnahmen 1952/53 und den siebenmonatigen Betrieb einer U-Bootausbildungseinrichtung 1953 auf Rügen, sowie die Hebung eines Kriegsmarine VIIC U-Bootes aus der Ostsee für Studienzwecke hinaus hat es keinerlei weitere Versuche zum Aufbau einer U-Bootwaffe in den Seestreitkräften der DDR gegeben. p268_1_07

Ein „Drängen“ seitens der Sowjets ist bestenfalls als Randbemerkung bei diplomatischen Treffen erfolgt und sollte eher als unverbindliche Idee eingestuft werden, jedoch niemals als Weisung zur Umsetzung. Zudem sah die taktisch-strategische Einordnung der Seestreitkräfte der DDR im Verbund des Warschauer Paktes nie die Schaffung von U-Booten in der späteren Volksmarine vor, zumal bereits die Baltische Flotte der Sowjetunion und Polen genügend U-Boote betrieben. U-Boote waren deshalb nie Bestandteil der ostdeutschen Seestreitkräfte, alles andere sind Mythen.

Literatur:

  • Kopenhagen, Wilfried/ Mehl, Hans/ Schäfer, Knut: Die NVA Land-, Luft- und Seestreitkräfte, Motorbuch-Verlag Stuttgart, Februar 2006
  • Mehl, Hans: Die andere deutsche Marine, Motorbuch-Verlag Stuttgart, März 2004
    Schäfer, Knut: DDR-Volksmarine – Kampfschiffe 1949-1990, Motorbuch-Verlag Stuttgart, April 2010
  • Schlemm, Jürgen: Die U-Bootwaffe der DDR, in: Das Archiv-Jahrbuch 2002 des Freundeskreises Traditionsarchiv U-Boote e.V., S.108-126.

Internet-Foren:

Text und Bilder: Deutsches U-Boot-Museum