Kaiserliche Marine I

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U-Boote der Kaiserlichen Marine bei Kriegsbeginn 1914 (Teil 1)

Die bei den Medien so beliebten Behandlungen der Wiederkehr runder „Jubiläen“, seien es Geburtstage, Todestage, oder wichtige geschichtliche Ereignisse, zumeist ab der 50. Wiederkehr aufwärts, werden in 2014 und 2015 wieder fröhliche Urstände feiern, diesmal allerdings aus Anlass einer eher tragischen Epoche der Geschichte: In diesem Jahr wird es unzählige Artikel, Bücher, Filmdokumentationen und Spielfilme zum 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges und zur 75. Wiederkehr des Beginns des Zweiten Weltkrieges geben und in 2015 kann man z.B. wieder eine Fülle von Dokumentationen zur Versenkung der „ Lusitania“ in 1915 erwarten. Selbst Einzelereignisse in beiden Kriegen werden vermutlich Gegenstand erneuter Betrachtungen und Darstellungen sein. Natürlich wird es auch wieder zu unterschiedlichen Deutungen der Ereignisse kommen, sei es übergeordnet zur Frage von Verursachern der Kriege, bis hin zur Bewertung des Kriegsgeschehens.

Die U-Bootkriegführung in beiden Weltkriegen hat ein Fülle von Literatur und filmischen Dokumentationen gesehen und auch breiten Niederschlag in der Belletristik sowie Theater- und Filmwelt gefunden. Sie mag nur einen kleinen Teil des Gesamtgeschehens darstellen, aber Rüstung, Technik, Ausbildung bei den U-Booten und tatsächlicher Fronteinsatz der U-Boote können interessante Mosaiksteine z.B. für die Schaffung einer Gesamtbewertung der Frage nach den Kriegsvorbereitungen und damit auch der Kriegsschuld sein. Auch lassen sich hierbei wieder eine Reihe von Mythen in der Darstellung entdecken, zumal U-Boote aufgrund der Eigenarten ihres Einsatzes immer als ein besonders aggressives Kriegsmittel betrachtet werden.

Die Rolle des Deutschen Reiches für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ist allgemein unstrittig – und hier liefert die Dislozierung der verfügbaren U-Boote der Kriegsmarine in vorgeplante Seegebiete schon viele Tage vor dem 01.09.1939 ein weiteren Beweis für die Kriegsvorbereitungen auf deutscher Seite.

Weniger eindeutig ist die Beurteilung hingegen für die Ursachen des Ersten Weltkrieges. Zieht man auch hier z.B. die Rüstung, die Einsatzausbildung und die Dislozierung der U-Boote der Kaiserlichen Marine vor und bis in die ersten Monate nach Kriegsbeginn am 01.08.1914 als Mosaikstein für eine Gesamtbewertung in Betracht, erfährt diese Unklarheit eine weitere Stärkung. Allerdings gilt es anzumerken, dass U-Boote in der militärischen Planung des Deutschen Reiches bis weit in den Ersten Weltkrieg hinein nur eine nachrangige Rolle gespielt haben, zu sicher war man sich, mit dem gut gerüsteten Heer und einer auf die große Entscheidungsschlacht ausgerichteten Hochseeflotte einen nur kurzen Krieg führen zum müssen.

Nachfolgend soll trotz ihrer zunächst offensichtlichen Nachrangigkeit dargestellt und bewertet werden, welchen Umfang die U-Bootwaffe der Kaiserlichen Marine bei Kriegsbeginn 1914 hatte, was an Einsatzplanungen für die U-Boote existierte, welche weiteren Boote im Bau waren und vor allem, welche Operationen die U-Boote in den letzten Tagen vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges und in seinen ersten Monaten durchführten.

Die Kaiserliche Marine hatte bis 1914 eine gewaltige Aufrüstung erlebt, die zeitweise rund 50 Prozent des gesamten Rüstungsetats der Kaiserlichen Armee ausmachte. In den Flottengesetzen von 1898 und 1900 und den ergänzenden Flottennovellen von 1906, 1908 und 1912 war der Aufbau einer umfangreichen Flotte aus Großkampfschiffen absolut dominierend, kleine Fahrzeuge wie Minensucher, Vorpostenboote, später Torpedoboote und dann auch U-Boote waren eher Randbemerkungen in den Rüstungsetats. Erstmalig wurden in der Flottennovelle von 1906 auch feste Mittel für die weitere Erprobung für das noch unbekannte Seekriegsmittel „U-Boot“ eingestellt, nachdem zuvor am 03.12.1904 bei der Kieler Germania-Werft mit U 1 das erste U-Boot für die Kaiserliche Marine für 1,5 Mill. Reichsmark bestellt und am 10.10.1905 auf Kiel gelegt wurde, Indienststellung dann am 14.12.1906. Bau und Indienststellung von U 2 bei der Kaiserlichen Werft in Danzig folgten dann erst 2 Jahre später. Deutschland war damit eher ein Nachzügler in der Schaffung einer U-Bootwaffe, Staaten wie Italien (1895), Frankreich (1896), die USA (1898), Spanien (1898), Großbritannien (1902), Russland (1904) oder Schweden (1904) hatten alle schon U-Boote gebaut oder in Auftrag gegeben. Gleichwohl, die Einschätzung des U-Bootes als Seekriegsmittel war in allen Staaten noch eine große Unbekannte und der Schwerpunkt lag unverän-dert auf der Schaffung von kampfkräftigen und zumeist großen Überwasserschiffen.

Die nachstehenden Tabellen sollen einen Überblick über den Bestand und den weiteren Zulauf von U-Booten der Kaiserlichen Marine des Deutschen Reiches bis Ende 1914 geben, ebenso die bis Ende 1914 in Bauauftrag gegebenen U-Boote.

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Die "Petroleum"-U-Boote der I. Flottille in Kiel (Foto: Deutsches U-Boot Museum)
Die „Petroleum“-U-Boote der I. Flottille in Kiel (Foto: Deutsches U-Boot Museum)

Zu Kriegsbeginn am 01.08.1914 waren insgesamt 28 U-Boote in Dienst gestellt:

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Damit waren bei Kriegsbeginn 28 U-Boote in Dienst gestellt, wovon nur die 14 „Petroleum-Boote U 5 bis U 18 frontreif waren, wegen der Rauchentwicklung durch die Abgase allerdings nur bedingt, und U 11 sowie U 12 gerade in einer längeren Werftzeit, damit effektiv nur 12 U-Boote für den Frontein-satz verfügbar. Von den ver-besserten Dieselbooten hatten mit U 19 bis U 22 gerade weitere 4 U-Boote ihre Einsatzausbildung abgeschlossen, wie in den sozusagen „amtlichen“ Werken zum Seekrieg 1914-1918 von Spindler und Michelsen (beide siehe Literaturverzeichnis) erwähnt wird. Weitere 10 U-Boote (bis U 32) kamen bei angenommener 3-6 monatiger Einsatzausbildung und technischen Restarbeiten nach Indienststellung bis Ende 1914 für den Fronteinsatz noch hinzu, und 6 weitere erlebten noch bis Ende 1914 ihre Indienststellung, aber noch keine Frontreife. 23 weitere U-Boote waren bis Ende 1914 im Bau, mit Indienststellungen (außer U 42) aber erst in 1915.

Zum Vergleich die Lage bei der Kriegsmarine: Am 01.09.1939 waren 57 U-Boote im Dienst, davon 22 hochseetauglich, bis zum 31.12.1939 kamen weitere 6 U-Boote hinzu und weitere 13 waren im Bau.

Rahn erwähnt in seinem Beitrag (siehe Literaturverzeichnis) ein vom deutschen Admiralstab 1912 veranlasstes „Kriegsspiel“, d.h. die simulierte Ausführung des gedachten Verlaufs eines Seekrieges gegen Großbritannien. Dieses zeigte auf, dass die von diesem Land gegen Deutschland angenommene Fernblockade in der Nordsee nicht durch eine alles entscheidende große Seeschlacht der Hochseeflotte gebrochen werden kann, da eine solche Seeschlacht seitens Deutschland nicht zu erzwingen war, was den tatsächlichen Kriegsverlauf in der Nordsee mit zwei im Wesentlichen nur aufeinander wartenden Flotten, die sich nur in wenigen Vorstößen und lediglich am Skagerrak heftiger begegneten, recht gut erahnte. Zwar erhielt in der weiteren Operationsplanung daraufhin der Kampf gegen weltweite britische Seeverbindungen neue Bedeutung, z.B. durch Zusammenstellung eines Ostasiengeschwaders, und auch erste Überlegungen für eine deutsche enge Gegenblockade vor den Küsten Großbritanniens kamen auf, dennoch blieb die deutsche Hochseeflotte ziemlich unverändert auf die Erzwingung einer entscheidenden großen Seeschlacht ausgerichtet. Bei Kriegsbeginn sah die Operationsplanung für die Nordsee deshalb neben einigen kleineren offensiven Vorstößen einen gezielten Mineneinsatz und auch den U-Booteinsatz vor, um zum einen die britische Fernblockade zu durchbrechen und eine gewisse Gegenblockade einzurichten. Erst nach einem angemessenen Kräfteausgleich sollte dann die große Seeschlacht für die Entschei-dung des Seekrieges gesucht werden. Damit war die Hochseeflotte in der Nordsee bis auf wenige Ausnahmen zur einer reinen Fleet in Being“ verdammt, also eher zur Abschreckung durch reine Präsenz gedacht, wie es die Tirpitz´sche Strategie schon lange beinhaltete. Die Verluste bei den wenigen eigenen Vorstößen und bei der Abwehr britischer Vorstöße in den ersten Kriegsmonaten führten zudem zu weiteren Einschränkungen im Einsatz der Großkampfschiffe, die, auch durch den Kaiser so verfügt, klar defensiv und ohne Risiko großer Verluste in Bereitschaft zu halten war.

Die wenigen U-Boote hatten in dieser Operationsplanung damit nur eine nachrangige Rolle als vorgeschobene Vorpostenboote und Minenleger, ein offensiver Einsatz sollte nur bei sich bietenden Gelegenheiten, also eher zufällig, gegen britische Kriegsschiffe erfolgen und ein Handelskrieg durfte nur streng nach Prisenordnung geführt werden. Rössler zeigt in seinem Buch zum deutschen U-Bootbau (siehe Literaturverzeichnis) den Anfang 1912 seitens der zuständigen „Torpedo-Inspektion“ (ab 1914 dann eine eigenständige „U-Boot Inspektion“) vorgeschlagenen Aufbau einer U-Bootflotte und deren Einsatz-Dislozierung auf. Danach sollten aus einer Gesamtflotte von 70 bis 1920 zu bauenden U-Booten die Aufgaben „Sicherung der Deutschen Bucht“ mit 36 U-Booten, „Sicherung der Kieler Bucht, der Belte und des Fehmarnbelts“ durch 12 U-Boote und „Offensivunternehmungen gegen die Nordseeblockade“ durch weitere 12 U-Boote durchgeführt werden, wobei der übliche Drittelansatz zu berücksichtigen ist, d.h. ein Drittel des Gesamtbestandes im Einsatz, ein Drittel auf An- und Abmarsch sowie Regeneration und das letzte Drittel in Instandsetzung und Ausbildung. Die Sicherungsaufgabe in der deutschen Bucht sollte z.B. durch U-Boote auf Station auf einen Kreis von 30 sm Abstand um die Insel Helgoland herum dargestellt werden, die U-Boote bildeten dann die sogenannte „U-Boot-Linie“.

Das entsprechende Bauprogramm der Flottennovelle 1912 sah für die Zeit nach dem bis 1914 bewilligten Bau der U-Boote bis einschließlich U 41 (jährliche Haushaltsmittel dafür rund 20 Mio. Reichsmark) dann ab 1915 mit jährlichen Haushaltsmitteln zwischen 15 und 19 Millionen Reichsmark den Bau von jährlich weiteren 3-6 U-Booten vor, Gesamtbudget dafür knapp 96 Mill. Reichsmark (Zum Vergleich: Allein der Bau des Großen Kreuzers „Derfflinger“ kostete 56 Mill. RM). Die oben aufgeführten Überlegungen im Sommer 1914 zu einer möglichen „Gegenblockade“ der britischen Küsten und Häfen durch deutsche U-Boote als strategische Gegenmaßnahme gegen die britische Fernblockade der Nordsee ergaben bei angenommenen 48 Blockadestellungen einen Bedarf von 222 U-Booten, was angesichts der daraus resultierenden Haushaltsdimensionen natürlich nicht weiter verfolgt werden konnte. Doch im Verlauf des Seekrieges gab es wiederholt modifizierte Pläne zur Blockade ausgewählter Seegebiete vor britischen Häfen durch deutsche U-Boote, diese Option im Seekrieg wurde also grundsätzlich aufrechterhalten.

 SM U-8 (Foto. U-Boot Museum)
SM U-8 (Foto. U-Boot Museum)

Man hatte vor Kriegsbeginn also erste Vorstellungen über den möglichen Einsatz der U-Boote, die naturgemäß aber keinerlei, in einem Kampfeinsatz gewonnenen Erkenntnisse über die taktischen und strategischen Einsatzop-tionen eines U-Bootes aufnehmen konnten. Insofern war das U-Boot vornehmlich zur Aufklärung und zum Vor-postendienst, sowie als Einzelfahrer zur gezielten Bekämpfung gegnerischer Seestreitkräfte gedacht, ein Handelskrieg durch U-Boote wurde wegen der bestehenden völkerrechtlichen Bedenken (Londoner Seerechtsdeklaration von 1909) um diese neue Facette des Seekrieges zunächst ausgeschlossen, bzw. streng auf Bekämpfung nach Prisenordnung beschränkt.

Textbeitrag: Peter Monte


Quellen:
KTB von U 5 bis U 30

Literatur:

  • Bauer, Hermann: Als Führer der U-Boote im Weltkriege, Verlag Koehler & Amelang, Leipzig 1942
  • Diwald, Hellmut: Seemachpolitik im 20. Jahrhundert, Droemersche Verlagsanstalt,München 1984
  • Franken, Klaus: Vizeadmiral Karl Galster – Ein Kritiker des Schlachtflottenbau der Kaiserlichen Marine“, Verlag Dr. Dieter Winkler, Bochum 2010, ISBN 978-3-89911-1367-8
  • Groos, O.: Der Krieg in der Nordsee, Band 1, aus dem mehrbändigen Admiralstabswerk Der Krieg zur See 1914-1918 (Leiter: von Mantey, Eduard), Verlag Mittler & Sohn, Berlin 1920
  • Michelsen, Andreas: Der U-Boot-Krieg 1914-1918, Verlag K.F. Koehler, Leipzig 1925, Nachdruck durch Melchior-Verlag, Wolfenbüttel 2007, ISBN 978-3-939791-41-6
  • Lipsky, Florian und Stefan: Deutsche U-Boote, Verlag Mittler & Sohn, Hamburg 2006, ISBN 978-3-8289-5411-3
  • Rahn, Werner (Hrsg.): Deutsche Marinen im Wandel, Oldenbourg-Verlag, München 2005, ISBN 3-486-57674-7
  • Rössler, Eberhard: Geschichte des deutschen U-Bootbaus, Band 1, Bernhard & Graefe Verlag, Bonn 1974, 2. Auflage 1986, ISBN 3-86047-153-8
  • Schröder, Joachim: Die U-Boote des Kaisers, Bernhard & Greafe Verlag. Bonn 2003, ISBN 3-7637-6235-3
  • Spindler, Arno: Der Handelskrieg mit U-Booten, Band 1, aus dem mehrbändigen Admiralstabswerk Der Krieg zur See 1914-1918 (Leiter: von Mantey, Eduard), Verlag Mittler & Sohn, Berlin 1932


Internet-Links:
www.uboat.net