Strandgut – Januar

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Offen gelassene Luke macht indisches multi-Milliarden-SSBN einsatzunfähig

Die INS Arihant unmittelbar nach ihrem Stapellauf. Foto: indische Marine

Wie erst Anfang Januar durch einen Bericht der drittgrößten indischen Tageszeitung The Hindu bekannt wurde, kam es bereits Anfang 2017 zu einem Zwischenfall auf dem einzigen indischen Atom-U-Boot mit ballistischen Raketen (SSBN) INS Arihant. Während das Boot im Hafen gelegen habe, sei durch eine versehentlich offen gelassene Luke oder Klappe im achteren Bereich Wasser in die Maschinenräume eingedrungen und habe dort so schwere Beschädigungen verursacht, dass die indische Marine während der anschließenden, über 10 Monate andauernden Aufräumarbeiten und Reparaturen komplett auf ihr bisher einziges SSBN verzichten musste. Um eine Korrosion durch das eingedrungene Wasser auszuschließen, musste eine ganze Reihe von Rohrleitungen, insbesondere des Sekundärkreislaufs des Druckwasserreaktors, komplett ersetzt werden.

Bei einem derart modernen Atom-U-Boot wie der Arihant, kann man normalerweise davon ausgehen, dass eine Form von Sicherheitssystem, die geöffnete Luken oder Verschlüsse in einem derart vitalen Bereich wie der Antriebssektion anzeigt, vorhanden ist. Entweder müsste dieses System vollständig versagt haben, oder es ist zu einer fahrlässigen Fehlbedienung gekommen. In jedem Fall ist der Vorfall ein vorzügliches Beispiel für eine kleine Ursache, die in der Folge eine große Wirkung entfaltet. Ein versehentlich offen gelassener Bordverschluss machte die Einsatzbereitschaft des mehrere Milliarden teuren U-Bootes für Monate zunichte. Außerdem erinnert dieser Vorfall stark an U 43 (Kptlt. Wolfgang Lüth) der Kriegsmarine, das am 4. Februar 1941 an der Pier in Lorient durch ein nicht korrekt geschlossenes Torpedoluk abgesoffen war. Im Anschluss war eine Werftliegezeit von einem Vierteljahr erforderlich, um das Boot wieder herzustellen.

Nach Angaben des Berichtes hätte die indische Regierung erst im Juni 2017, als sie die Arihant im Zuge des sich zuspitzenden Grenzkonfliktes mit China auf dem Doklam-Plateau im Himalaya als militärische Machtdemonstration einsetzten wollte, Kenntnis davon erlangt, dass ihr SSBN gar nicht einsatzbereit war. Am 16. Juni drangen chinesische Truppen zum Bau einer Straße auf die sowohl von Bhutan als auch von China beanspruchte karge, abgelegene Hochebene von Doklam vor. Das buddhistische Königreich Bhutan, das selbst nur über eine kleine Armee von rund 6.000 Soldaten verfügt, rief darauf hin seinen Verbündeten Indien zur Hilfe, das zwei Tage später 270 Soldaten nach Doklam entsandte, um den Bau der Straße zu verhindern. Für etwas mehr als neun Wochen standen sich Truppen der Atommächte Indien und China auf der Hochebene feindselig gegenüber. Es gibt Berichte über Handgemenge mit Eisenstangen und Steinen, bei denen mehrere Soldaten beider Seiten verletzt wurden. Am 28. August einigten sich beide Seiten dann darauf, ihre Truppen zurück zu ziehen und beendeten damit die unmittelbare Gefahr eines Krieges zwischen Indien und China.

Es erscheint sehr merkwürdig, dass die politische Führung Indiens erst im Zuge einer großen Krise erfahren haben will, dass ihr einziges SSBN schon seit Monaten nicht einsatzbereit war, da dies auf gravierende Probleme bei der Gewaltenteilung im Staate Indien hindeuten würde. Um sicher zu stellen, dass nur die oberste politische Führung Indiens Zugriff auf seine Atomwaffen hat, wurden in Indien bisher Atomsprengköpfe getrennt von ihren Trägersystemen gelagert. Um dennoch rechtzeitig auf nukleare Bedrohungen reagieren zu können, ist ein ausgereiftes System zur Steuerung und Kontrolle der Atomwaffen zwischen Regierung und Militär nötig, was in diesem Fall komplett versagt haben müsste. Wenn Indien in Zukunft seine SSBNs als Zweitschlagswaffe zur Abschreckung einsetzen wollte, müsste es allerdings ohnehin von seinem bisherigen Prinzip der getrennten Lagerung von Sprengköpfen und Raketen Abstand nehmen. Damit diese Form der Abschreckung funktioniert, muss sich ein Atom-U-Boot mit feuerbereiten Atomwaffen unentdeckt auf See befinden. Das U-Boot kann ja nicht erst nachdem ein möglicher atomarer Erstschlag auf Indien erfolgt ist seinen Hafen anlaufen und dann erst scharfe Atomwaffen für einen Zweitschlag übernehmen.

Mit MS Paint erstellte Illustration der INS Arihant von gagan@BRF – Gagan.

INS Arihant

Erstes in Indien entickeltes und gebautes Atom-U-Boot. Ein weiteres Boot dieser Klasse, die INS Arighat ist bereits vom Stapel gelaufen und soll Ende 2018 in Dienst gestellt werden. Zwei weitere Boote befinden sich noch in Bau

Baujahr

ab 1998

Bauwerft

Shipbuilding Centre in Visakhapatnam

Verdrängung

6.000 t (knappe Schätzung, wahrscheinlich mehr)

Länge über alles

111 m

Breite – größte

15 m

Tiefgang

11 m

Antriebsart

Druckwasserreaktor (83 MW) , 1 Schraube

Maschinenleistung

47.000 PS (70 MW) Dampfturbine

Geschwindigkeit

15 kn / 24 kn unter Wasser

Reichweite

nur durch Proviant begrenzt

Tauchtiefe

350 m

Treibstoffvorrat

Brennstäbe aus 40 prozentig angereichertem Uran

Bewaffnung

6 Bugtorpedorohre, 4 senkrechte Startvorrichtungen für
12 K-15 Sagarika bzw. 4 K-4 Raketen

Besatzung

95-100

Indien hatte bereits Ende der 1960er Jahre damit begonnen, eine eigene U-Boot-Waffe aus in der Sowjetunion erworbenen Booten aufzubauen. Schon 1971 begannen indische Forscher nach den Eindrücken des Dritten Indisch-Pakistanischen Krieges mit der Entwicklung eines Atomreaktors zur Installation auf einem U-Boot. Spätestens seit Indien 1974 offiziell Atommacht geworden war, konnte man davon ausgehen, dass Indien Atom-U-Boote als Träger für seine Atomwaffen zur Abschreckung von Pakistan und China entwickelte.

Von 1988 bis 1991 leaste die indische Marine das russische Atom-U-Boot K-43 der Klasse Projekt 670 (NATO-Bezeichnung: Charlie-Klasse) um damit Erfahrungen beim Betrieb und Einsatz von Atom-U-Booten zu machen. In den 1990er Jahren nahm das Projekt eines indischen Atom-U-Bootes dann unter der Bezeichnung ATV (Advanced Technology Vessel) sehr konkrete Formen an. 1998 wurde beim Shipbuilding Centre in Visakhapatnam am Golf von Bengalen mit der Konstruktion des Rumpfes für das erste indische Atom-U-Boot, das den Namen Arihant (Zusammensetzung aus den Sanskrit-Wörtern Ari=Feind und hant=zerstören) begonnen. Parallel dazu wurde die Entwicklung eines eigenen Druckwasserreaktors voran getrieben und mit dem Bau eines Prototypen an Land begonnen. Dieser wurde am 11. November 2003 zum ersten mal kritisch. Nach einem Probebetrieb von drei Jahren wurde er für Einsatzbereit erklärt, so dass mit dem Bau des Reaktors für die Arihant begonnen werden konnte.

Mit Hilfe von russischen U-Bootkonstrukteuren wurde ein eigener, indischer Entwurf auf Basis russischer U-Boottechnologie realisiert. Nach einer Entwicklungs- und Bauzeit von mehr als 10 Jahren fand am 26. Juli 2009 der Stapellauf statt und die auf mehrere Jahre veranschlagte Erprobungs- und Ausrüstungsphase des Bootes konnte beginnen. Zunächst wurde das Boot ausgiebig im Hafen getestet und sein Kernreaktor installiert. Dieser wurde am 10. August 2013 zum ersten Mal kritisch – das Herz der Arihant hatte begonnen zu schlagen. Am 13. Dezember 2014 lief das Boot zu einer längeren Seeerprobung mit Waffentests aus und wurde im August 2016 ohne großes Brimborium in Dienst gestellt.


Wenn man bei einem Blick in die Vergangenheit Vorfälle auf indischen U-Booten in zusammen mit der ganzen Reihe von Vorfällen auf Überwassereinheiten der indischen Marine betrachtet, können durchaus Zweifel an der Instandhaltung der Einheiten sowie der Ausbildung des Personals und damit an der generellen Nachhaltigkeit des indischen SSBN-Programms auftreten. In der Folge soll ein kurzer Überblick über besondere Vorfälle auf und mit indischen U-Booten der letzten zehn Jahre gegeben werden.

01.12.2017

Eine Untersuchungskommission der indischen Marine wird eingerichtet, nachdem Beschädigungen am Sonardom der für 10 Jahre von Russland geleasten INS Chakra (Projekt 971 bzw. Akula-II-Klasse) festgestellt wurden, welche von einer Kollision herrühren könnten.

Die INS Chakra am 28.02.2014 auslaufend zu einerm großen Manöver der Indischen Marine. Foto: Indische Marine, CC BY 2.5 in

19./20.02.2015

Vor der Küste von Mumbai kommt es zu einer Kollision zwischen dem indischen U-Boot INS Sindhughosh (Projekt 877 Paltus bzw. Kilo-Klasse, Bild unten) und einem Fischereifahrzeug, bei der das U-Boot minimal beschädigt wurde. Die Kollision ereignete sich bei stockdunkler Nacht während sich das U-Boot auf einer Übung befand.

26.02.2014

Durch einen Defekt an den Batterien ausgelöst brach ein Feuer auf dem indischen U-Boot INS Sindhuratna (Projekt 877 Paltus bzw. Kilo-Klasse) aus. Das Boot befand sich gerade nach einer kompletten Überholung auf einer Seeerprobung nahe Mumbai. Bei dem Brand kamen zwei Offiziere des Bootes ums Leben, sieben Besatzungsmitglieder erlitten eine Rauchvergiftung und mussten per Hubschrauber ins Krankenhaus in Mumbai gebracht werden.

17.01.2014

Bei der Rückkehr in ihren Stützpunkt Mumbai lief die INS Sindhughosh bei Ebbe auf Grund und konnte nicht mehr aus eigener Kraft klar kommen.

14.08.2013

Während die INS Sindhurakshak (Projekt 877 Paltus bzw. Kilo-Klasse, Bild unten) in Mumbai vertäut lag, ereignete sich nach einem Brand an Bord eine heftige Explosion. Spätere Untersuchungen der indischen Marine ergaben, dass diese höchstwahrscheinlich von an Bord befindlicher Munition ausgelöst wurde. Von den 18 Personen, die sich zum Zeitpunkt des Unglücks an Bord befanden, konnten nur 11 Leichname geborgen werden. Bei sechs von diesen was eine Identifizierung möglich. Durch die Explosion, die auch die unmittelbar nebenan vertäute liegende Sindhughosh leicht beschädigte, versank die Sindhurakshak an der Pier und konnte nach ihrer Hebung – entgegen der Hoffnung der indischen Marine – nicht wieder hergestellt werden, so dass sie im Juni 2017 in der Arabischen See auf 3.000 m Tiefe versenkt wurde.

26.02.2010

Bei einem Feuer an Bord der INS Sindhurakshak kam ein Besatzungsmitglied ums Leben, zwei weitere wurden verletzt. Auch dieses Feuer ist durch einen Defekt an den Batterien entstanden.

10.01.2008

Die INS Sindhughosh kollidierte bei einem Flottenmanöver mit dem Frachter MV Leeds Castle und trug geringere Beschädigungen am Turm bzw. Sehrohr davon.


An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass die indische Marine auch vier in Deutschland entworfene U-Boote in Dienst hat. In Indien werden diese als Shishumar-Klasse bezeichnet, während die deutsche Bezeichnung HDW-Typ 1500 lautet. Dabei handelte es sich quasi eine vergrößerte Version des vom Ingenieurskontor Lübeck entwickeltem und so zahlreich exportierten Typs 209. Eine Besonderheit des Typs 1500 ist eine Rettungskapsel für die Besatzung vor dem Turm. Außerdem wurde der Druckkörper stärker ausgeführt, als bei der Klasse 209, was zwar eine höhere Tauchtiefe ermöglicht, aber für HDW seinerzeit auch die Anschaffung neuer Vorrichtungen für den Druckkörperbau nötig machte.

Ein Boot der Shishumar-Klasse, Foto: Indische Marine, CC BY 2.5 in

Am 11.12.1981 wurde ein Vertrag zwischen Indien und HDW abgeschlossen, der den Bau von vier Booten umfasste. Davon sollten zwei bei HDW in Kiel und zwei aus von HDW gelieferten Teilen bei Magazon Dock Limited (MDL) in Mumbai gebaut werden. Der Vertrag sah zudem vor, das die indischen Besatzungen in Deutschland ausgebildet werden sollten. Der Bau der zwei Boote bei MDL brachte die indische Werft an ihr Limit. Es entstanden Mehrkosten von 20% und eine Verspätung von 15 Monaten.

HDW-Boote

Baubeginn

Stapellauf

Indienststellung

INS Shishumar

01.05.1982

13.12.1984

22.09.1986

INS Shankush

01.09.1982

11.05.1984

20.06.1986

MDL-Boote

Baubeginn

Stapellauf

Indienststellung

INS Shalki

05.06.1984

30.09.1989

07.02.1992

INS Shankul

03.09.1989

21.03.1992

28.05.1994

Im Juli 2016 wurde ein Vertrag über die Modernisierung der beiden in Indien gebauten U-Boote geschlossen. Für ca. 31 Millionen € soll die Lebensdauer der Boote um zehn Jahre verlängert werden, außerdem sollen Abschusseinrichtungen für UGM-84L Harpoon Raketen eingebaut sowie die entsprechende Ausbildung der indischen Besatzungen bzw. technische Unterstützung sicher gestellt werden.

Weblinks:

Zum Zwischenfall auf der INS Arihant

Zum Doklam-Grenzkonflikt: