Die Versenkung von U 166
Die Geschichte um die Versenkung von U 166 beginnt, als die Besatzung eines Grumman Amphibien-Flugzeuges vom Typ J4F Widgeon der 212. Staffel der US-Küstenwache (USCG) am 01. August 1942 im Mississippi-Delta ein aufgetaucht fahrendes deutsches U-Boot bombte und es als versenkt meldete. USCG Pilot Henry Clark White und sein Funker George Henderson Boggs waren sich sicher, ein fast 80 Meter langes U-Boot versenkt zu haben. Nach dem Krieg wurde ihnen dann das bis dahin im Golf von Mexiko vermisste U 166, unter dem Komman-danten Oberleutnant zur See Hans-Günther Kuhlmann, als Erfolg zugeschrieben.
Tatsächlich aber verlief die Geschichte von U 166 et-was anders. Fast 60 Jahre später, im Frühjahr 2001 fand ein Tauchroboter bei Vermessungsarbeiten der Firmen „BP“ und „Shell Oil Co.“ für eine Tiefseepipeline das Wrack des Fahrgastschiffes Robert E. Lee und das eines deutschen U-Bootes nur etwa 4 Seemeilen davon entfernt, welches man bald als U 166 identifizieren konnte. Das deutsche U-Boot-Wrack lag nun aber über 200 Kilometer von der Stelle entfernt, wo es angeblich von dem Flugzeug der US Coast Guard versenkt worden sein sollte.
Was war tatsächlich geschehen?
U 166 war ein Langstreckenboot vom Typ IX-C, das am 16. Juni 1942 zu seiner 2. Unternehmung von Lorient auslief. Das U-Boot hatte eine Sonderaufgabe zu erfüllen: Die Mississippi-Mündung mit Minen zu verseuchen. Bereits in der Biscaya meldete U 166 am 20.Juni 1942, dass es von einem Flugzeug mit Scheinwerfer angeleuchtet und anschließend mit Bomben beworfen sei, die aber keine Schäden verursachten. Am 10. Juli 1942 meldete U 166: „09.46 Uhr – Geleitzug Planquadrat DO 7185, zwei Dampfer und zwei Zerstörer, 170 Grad, 14 Seemeilen, sechs Fehlschüsse. – U 166„.
Anscheinend handelte es sich bei diesem Geleitzug um schnelle Schiffe, deren Verfolgung zuviel Brennstoff in Anspruch genommen hätte. Die sechs Torpedofehlschüsse taten wohl ihr Übriges, um den Anmarsch in den Golf von Mexiko nicht zu gefährden. Die Funkmeldung setzte Kuhlmann ab, um eventuell andere U-Boote an das Geleit heranzuführen.
Am folgenden Tag, dem 11. Juli 1942 traf U 166 vor der Südostspitze der Dominikanischen Republik auf den dominikanischen Segler Carmen mit 84 BRT. Kuhlmann ließ den Segler anhalten und die Besatzung in ein Rettungsboot steigen. Der Segler, der zweitausend Sack Mais und einige Tonnen Edelhölzer geladen hatte, wurde mit der 10,5-cm-Kanone versenkt. Ein Mann der Besatzung kam ums Leben, die übrigen acht konnten sich an Land retten.
U 166 durchfuhr die Mona-Passage und versenkte zwei Tage später in der Nähe der Acklins-Inseln, nördlich der Dominikanischen Republik den amerikanischen Dampfer Oneida mit 2.309 BRT.
Die weitere Fahrt führte U 166 durch die Windward-Passage in den Golf von Mexiko. Am 16. Juli 1942 hielt das deutsche U-Boot nicht weit von Havanna, der Hauptstadt Kubas entfernt, den amerikanischen Fischdampfer Gertrude mit 16 BRT an. Die drei Männer der Besatzung stiegen in ein Rettungsboot und ruderten in Richtung kubanischer Küste, die sie auch erreichten. Inzwischen ließ Kuhlmann den Segler, dessen Laderaum mit mehreren Tonnen Zwiebeln für den Zielort Havanna gefüllt war, mit Sprengpatronen versenken.
Anschließend steuerte das U-Boot sein eigentliches Ziel, New Orleans vor der Mississippi-Mündung an. Nachts am 25. Juli legte U 166 neun TMC-Minen vor South Pass in die Mississippi-Mündung, nur etwa 600 Meter vor den Molenköpfen bei Port Eads entfernt. Da auf dieser Sperre nie ein Schiff lief, blieb sie bis Kriegsende unentdeckt. Erst nach deutscher Akteneinsicht erhielten die Amerikaner davon Kenntnis und räumten die deutschen Minen weg. Am 27.Juli 1942 meldete U 166 dem B.d.U.: „In der Nacht vom 24.- auf 25. Juli Sonderaufgabe durchge-führt. – U 166„.
Obwohl das U-Boot seine Hauptaufgabe ausgeführt hatte, entschied Kuhlmann, weiter vor der Mississippi-Mündung zu operieren. Sein Plan schien aufzugehen, als am 30. Juli 1942, etwa 70 Kilometer von der Mississippi-Mündung entfernt, der amerikanische Fahrgastdampfer Robert E. Lee mit 5.184 BRT im Periskop des U-Bootes auftauchte.
Der Dampfer unter Kapitän William C. Heath war von Trinidad über Key West auf dem Weg nach New Orleans. Die Besatzung bestand aus 130 Seeleuten und 6 Kanonieren. Zusätzlich waren 268 Passagiere an Bord, die meisten davon Überlebende zuvor versenkter Handelsschiffe, darunter die Geretteten des von deutschen U-Booten versenkten norwegischen 10.000 to Tankers Andrea Brøvig (U 128 am 23.06.1942) und des panamesischen 10.000 to Tankers Stanvac Palembang (U 203 am 11.07.1942). Das Schiff war zudem mit Stückgut beladen. Kuhlmann gab schließlich gegen 16.30 Uhr seinen Feuerbefehl für einen Torpedoschuss.
Als man an Bord des Fahrgastschiffes den Torpedo knapp unter der Wasseroberfläche erkannte, war es bereits zu spät. Der Torpedo detonierte im Maschinenraum, die Robert E. Lee bekam sofort Schlagseite und sank innerhalb 15 Minuten.
Von den Besatzungsmitgliedern und Passagieren die sich an Bord befanden, konnten die meisten von herbeigerufenen Marineschleppern und Wachbooten gerettet werden. Trotzdem fanden 10 Crewmitglieder und 15 Passagiere den Tod.
Oberleutnant zur See Hans-Günther Kuhlmann wollte wahrscheinlich nach dem Torpedotreffer, seiner Besatzung die Möglichkeit geben, auf der Brücke das Sinken des Schiffes zu beobachten. Deshalb gab er den verhängnisvollen Befehl: „Auftauchen!“
Für U 166 war dieser Befehl ein gravierender Fehler. Denn, hinter der sinkenden Robert E. Lee, befand sich der nur rund 300 to große US-amerikanische U-Jäger USS PC 566 mit 64 Mann Besatzung unter LtCdr H.C. Claudius, der den Fahrgastdampfer begleitete, den aber Kuhlmann durch das Sehrohr bis dahin noch nicht gesehen hatte. Als man dann auf U 166 den U-Jäger erkannte, war es schon zu spät. Zwar gelangte das U-Boot durch ein schnell eingeleitetes Alarmtauchmanöver noch unter Wasser, war aber noch nicht tief genug, als PC-566 die erste Wasserbombenserie genau in die Tauchstelle des U-Bootes warf. Eine der Bomben traf das Vorderschiff, das durch die Explosion abgerissen wurde. Die beiden Teile des deutschen U-Bootes sanken bis fast 1.500 Meter Tiefe auf den Grund des Mississippi-Canyon. Nicht weit davon schlug auch die Robert E. Lee auf. Die 52-köpfige Besatzung von U 166 hatte keine Chance.
In Deutschland wartete man vergeblich auf eine Nachricht von U 166. Als die ausblieb, wurde das U-Boot und seine Besatzung als verschollen geführt. Wie bereits beschrieben, sprach man den Erfolg über die Versenkung von U 166 nach dem Krieg der Besatzung des Flugzeuges der 212. Staffel der US-Küstenwache zu. Pilot White und Funker Boggs hatten übereinstimmend berichtet, dass sie ein abtauchendes U-Boot angegriffen – und es mit einer 150 Kilogramm-Bombe versenkt hätten. Der Funker sagte weiter aus, eindeutig den Treffer und das Sinken des U-Bootes beobachtet zu haben.
Schließlich kreiste das Flugzeug der Küstenwache noch über eine Stunde um die Abwurfstelle, dabei wurden auch Ölspuren entdeckt, das den Verdacht der beiden Flieger, ein U-Boot versenkt zu haben, nur noch mehr erhärtete. Aber wenn es nicht U 166 gewesen sein konnte, welches U-Boot hatte dann die amerikanische Maschine angegriffen?
Tatsächlich war es U 171 unter dem Kommando von Kapitänleutnant Günther Pfeffer, welches ebenfalls im Golf von Mexiko patrouillierte. U 171 wurde durch diesem Fliegerangriff kaum beschädigt und konnte seine Operation fortsetzen. Dennoch waren bereits auch die Tage von U 171 gezählt. Am 09. Oktober 1942, nach einer langen Unternehmung, stand U 171 kurz vor dem Aufnahmepunkt vor Lorient, als eine auf 40 Meter Wassertiefe befindliche Mine mit Magnetzündung genau unter dem Boot detonierte. Das innerhalb weniger Sekunden sinkende U 171 riss 22 Männer mit in den Tod, während die übrige Besatzung von 30 Mann von deutschen Marineeinheiten gerettet wurde. Durch die lange Unternehmung von fast vier Monaten, war die Entmagnetisierung des Bootes wirkungslos geworden.
Durch das Auffinden des Wracks von U 166 aber konnte nach fast sechzig Jahren das tatsächliche Schicksal einer U-Boot-Besatzung aufgeklärt werden.
Der Kommandant des USN U-Jägers PC-566 wurde nach seiner Meldung über den Angriff auf ein deutsches U-Boot für die Durchführung des angeblich nicht konsequent genug vorgetragenen Angriffs tatsächlich disziplinar gerügt und die Zuerkennung der erfolgreichen Versenkung eines U-Bootes in der Gegend blieb 59 Jahre unverändert. Erst 2001 kam durch die Entdeckung der Robert E. Lee und von U 166 die Wahrheit ans Licht. Leider zu spät für die Rehabilitierung von LtCdr Claudius, er war 1981 gestorben.
Text: Hans-Joachim Röll und Deutsches U-Boot Museum, Bilder : Deutsches U-Boot Museum