Die Empress of Britain
U 32 und die Versenkung der Empress of Britain – und das eigene Ende kurz danach
Das Typ VII A U-Boot U 32 lief am 24. Oktober 1940 unter seinem Kommandanten Oberleutnant zur See Hans Jenisch von Lorient in den Nordatlantik aus, was dann seine letzte Unternehmung werden sollte. Um die Mittagszeit des 26. Oktober erhielt das Boot einen Funkspruch, der besagte, dass die Empress of Britain, ein Passagierschiff unter kanadischer Flagge von 42.348 BRT unter der Führung von Kapitän Charles Havard Sapsworth, das als Truppentransporter eingesetzt war, von einem deutschen Kampfflugzeug etwa 300 Seemeilen westlich der Nordspitze Irlands durch Bombentreffer beschädigt worden sei. Da der gemeldete Standort abseits vom Anmarschweg von U 32 in das zugewiesene Operationsgebiet lag, außerdem die Meldung zu ungenau war und sich zudem ein anderes U-Boot, nämlich U 31, in der Nähe des Geschehens aufhalten musste, entschied sich der Kommandant von U 32, nicht auf die Funkmeldung zu operieren.
Als die Meldung vom erfolgten Bombenangriff am folgenden Tag früh mit dem Zusatz wiederholt wurde, dass die Empress of Britain immer noch am selben Ort brennend und bewegungsunfähig liege, ließ Jenisch den Kurs ändern und entschied mit Höchstfahrt den Havaristen abzufangen.
Wie war es zur Bombardierung der Empress of Britain gekommen?
Der Truppentransporter war auf der Rückreise von Suez in Ägypten, wo er ein Kontingent Truppen abgesetzt hatte, nach Liverpool. An Bord waren die 416 Mann starke Besatzung, zwei an Bord kommandierte Soldaten zur Bedienung der Flugabwehr-Geschütze und 205 Passagiere, hauptsächlich Angehörige der Royal Navy und Royal Air Force und deren Familien. Wegen der hohen Geschwindigkeit der Empress of Britain wurde ihr kein Geleitschutz gestellt.
Gegen 09.20 Uhr vormittags am 26. Oktober sichtete eine viermotorige Focke Wulff 200 (Fw 200) der Luftwaffe unter der Führung von Oberleutnant Bernhard Jope den Truppentransporter, etwa 70 Seemeilen vor den Aran-Inseln an der Westküste Irlands. Umgehend flog Jope mehrere Angriffe, während Kapitän Sapsworth für seine Empress of Britain Höchstgeschwindigkeit anordnete und das Feuer von auf dem Deck montierten Fla-MG erwidern ließ.
Der Besatzung der Fw 200 gelang es, mehrere 250 kg Bomben auf dem Truppentransporter abzuwerfen. Drei der Bomben streiften das Schiff, während zwei voll trafen. Die erste Bombe schlug in die „Mayfair“ Lounge ein, die zweite traf das Sonnendeck und zerstörte dabei mehrere Rettungsboote. Sogleich entwickelte sich ein Brand und dicker schwarzer Rauch begann die oberen Decks einzuhüllen. Gleichzeitig versuchte die Besatzung der Fw 200 mit ihrem Bord-MG das britische Abwehrfeuer auszuschalten. Tatsächlich richtete der Beschuss einigen Schaden an und tötete mehrere Menschen an Bord der Empress of Britain.
Bald nach der Rückkehr von Jopes Fw 200 stellte man auf deutscher Seite fest, welches Schiff da angegriffen worden war. Sofort wurden Marine- und Luftwaffenstäbe in Nordfrankreich alarmiert. Noch war nicht genau klar, ob die Empress of Britain gesunken war oder nicht.
Tatsächlich war der Truppentransporter noch nicht gesunken. Der Schiffskörper war noch intakt, aber die Bomben der Fw 200 hatten ein Feuer entfacht, das sich rasend schnell ausbreitete und nicht mehr unter Kontrolle zu bringen war. Der Brand zerstörte viele Rettungsmittel und den größten Teil der Feuerbekämpfungsmittel. Bereits eine halbe Stunde nach den Bombentreffern, befahl Kapitän Sapsworth das Verlassen des Schiffes.
Dem herbeigeeilten britischen Zerstörer Echo, dem polnischen Zerstörer Burza und den britischen U-Jagd-Trawler Cape Arcona gelang es, den größten Teil der Besatzung und Passagiere aufzunehmen. Nur einige Besatzungsangehörige blieben zurück, um ihr Schiff möglichst zu retten.
Durch das auf dem Schiff tobende Feuer war die Maschinenanlage ausgefallen. Das Schiff konnte nicht mehr aus eigener Kraft gesteuert werden und trieb ohne Antrieb in der groben See. Am Vormittag des 27. Oktober erreichte der britische Zerstörer Broke den Schauplatz des Geschehens. Sofort ging die Broke längsseits der Empress of Britain und schickte einige Männer auf den Truppentransporter, die mit Hilfe der Restbesatzung der Empress beide Schiffe miteinander verbanden. Wenig später trafen die britischen Schlepper Marauder und Thames ein, die eilig die Empress of Britain in Schlepp nahmen. Im Geleitschutz des Zerstörers Broke und des inzwischen ebenfalls herbeigeeilten Zerstörers Sardonyx schlich das Geleit mit einer Geschwindigkeit von etwa vier Seemeilen dem nächsten Hafen in Nordirland entgegen. Zusätzlich lösten sich immer „Sunderland“- Flugboote im Schutze des Konvois aus der Luft ab.
In der Zwischenzeit versuchte U 32 an den Havaristen heranzukommen. Gegen Mittag des 27. Oktober kamen bei guter Sicht die Masten des Truppentransporters in Sicht. Um Zeit zu sparen, ließ der Kommandant nicht tauchen, da mittlerweile auch die Empress of Britain selbst in Sicht kam. Um das Schiff herum waren weitere Mastspitzen von Zerstörern zu erkennen, sowie über dem Schiff einige Flugboote. Wenig später rauschte eines der Flugboote heran und zwang U 32 zum Tauchen. Im Laufe des Nachmittags konnte der Kommandant im Sehrohr mehrfach Flugzeuge über dem Havaristen beobachten. Mit höchster Dauerfahrtstufe für Unterwasserfahrt näherte sich U 32 allmählich seinem Ziel. Mit Beginn der Abenddämmerung tauchte das U-Boot wieder auf, konnte aber die Empress of Britain nicht mehr ausmachen. Da auch die weitere optische Suche erfolglos blieb, entschloss sich Jenisch erneut zum Tauchen, um es unter Wasser mit dem Horchgerät zu versuchen. Schnell wurden die Objekte geortet, wie sich aber herausstellte, waren diese noch etwa zwanzig Seemeilen entfernt.
Gegen Mitternacht vom 27. auf den 28. Oktober kam die Empress of Britain erneut in Sicht. Zwei Schlepper hatten den Riesendampfer im Schlepp und je ein Zerstörer konnte an Backbord und Steuerbord entdeckt werden. U 32 fuhr etwa zwei Stunden lang hinter dem Havaristen her, dabei wurden Kurs und Fahrt des Geleits ermittelt. Da öffneten beide Zerstörer überraschend beim Manövrieren eine Lücke, durch die U 32 hinein stoßen und in Angriffsposition kommen konnte. Der Angriff verlief planmäßig, das U-Boot feuerte je einen Torpedo auf den vorderen und den achteren Mast der rund 232 Meter langen Empress ab. Noch während des Abdrehens von U 32 detonierte der erste Torpedo als Frühzünder nach Ablauf der Sicherheitsstrecke von 125 Metern. Umgehend ließ Jenisch nochmals auf das Ziel zudrehen und feuerte einen dritten Torpedo, diesmal auf den mittleren Schornstein der Empress ab.
Bei diesem Manöver war U 32 sehr dicht an das Ziel herangekommen, so dass das seit den Treffern durch die Bomben der Fw 200 am 26. Oktober immer noch an Bord lodernde Feuer und viele Einzelheiten an Bord der Empress deutlich beobachtet werden konnten. Während des erneuten Abdrehens trafen fast gleichzeitig der zweite und der zuletzt abgeschossene, dritte Torpedo, eine Kesselexplosion auf der Empress war die Folge. Der dadurch entstandene weiße Dampfpilz erhob sich hoch über das Schiff. Die Empress of Britain nahm sehr schnell 15 Grad Schlagseite nach Backbord ein. Die Schlepper warfen ihre Leinen los und die Zerstörer suchten nun das U-Boot mit ihren Scheinwerfern in der vermuteten Schussposition an Backbord voraus, während sich U 32, vorgeflutet, aber über Wasser bleibend, mit E-Maschinen im Kielwasser der Empress of Britain fahrend, allmählich entfernte. Auf der Brücke des U-Bootes konnte man das weitere Szenario verfolgen. Die Zerstörer suchten das U-Boot rund um den Havaristen, schossen dabei auch, aber offensichtlich ohne U 32 ausgemacht zu haben. Während des Ablaufens überflog ein „Sunderland“-Flugboot das Boot in geringer Höhe, ohne es, wegen der geringen Fahrtstufe, zu sehen.
Inzwischen nahm die Schlagseite der Empress of Britain immer weiter zu, bis das Schiff nach zehn Minuten kenterte und sank. Die Empress of Britain war mit 42.348 BRT das größte Schiff im II. Weltkrieg, das je von einen deutschen U-Boot versenkt wurde. Durch den Fliegerangriff, den anschließenden Brand und durch die Versenkung von U 32 verloren 25 Besatzungsmitglieder und 20 Passagiere der Empress of Britain ihr Leben.
Aber die Mannschaft von U 32 konnte sich nicht lange über diesen Erfolg freuen. Zwei Tage später, am 30. Ok-tober 1940, operierte das Boot, im Nordatlantik westlich von Irland, auf einen einlaufend gemeldeten Konvoi. Dieser wurde nicht gefunden, dafür aber ein Einzelfahrer entdeckt, den der Kommandant als Nachzügler des Geleitzuges ansah. Jenisch griff sofort an, jedoch der um die Mittagszeit geschossene Torpedo war ein Frühzünder, der den Standort des U-Bootes verriet. Der Dampfer drehte ab und dampfte mit Höchstfahrt davon. Ein mühsames Vorsetzmanöver bei wechselnden Sichtverhältnissen lief an, dauerte etliche Stunden, so dass U 32 erst am Abend wieder getaucht in Schussposition kam. Doch der Dampfer hatte in der Zwischenzeit Hilfe herbeigerufen.
So wurde das U-Boot während des Angriffes auf den Dampfer gleichzeitig von zwei Zerstörern geortet und angegriffen. Es waren die neuen britischen Zerstörer Harvester und Highlander, die mit modernsten U-Jagdgeräten ausgerüstet waren. Zwei Wasserbombenserien trafen U 32 in 120 Meter, beziehungsweise 80 Meter Tiefe. Der Druckkörper war an mehreren Stellen leck geschlagen und das Boot machte, besonders achtern, stark Wasser. Die gesamte E-Anlage war ausgefallen und die Druckluftanlage undicht, so dass Druckluft teilweise sogar ins Boot entwich. Der dadurch entstandene Überdruck im Boot stieg unangenehm hoch an. Als der Druckluftvorrat bis auf 30 Atü gefallen war, befahl der Kommandant das „Anblasen“, wohl wissend, dass sich jetzt die letzte Möglichkeit zum Auftauchen bot, aber auch, dass über Wasser zwei Zerstörer auf sie warteten.
Gleich nach dem Auftauchen gelang es, trotz starker Achterlastigkeit, die Dieselmotoren anzulassen. Aber das Ruder klemmte in Hartlage, so dass sich U 32 nur im Kreise fahrend über Wasser hielt. Noch einmal wurde ein Torpedo auf einen der Zerstörer abgefeuert, der jedoch nicht mehr genug Ausstoßdruck hatte. Daher lief er nur mit entsprechender Verzögerung aus dem Rohr und verfehlte sein Ziel.
Der zweite Zerstörer versuchte U 32 zu rammen, kam damit aber nicht zum Erfolg. Bis zum Augenblick des Sinkens wurde das Boot von beiden Zerstörern aus allen Rohren beschossen. Das Vorschiff war bereits von Wasser überspült und auf U 32 hatte man keine Möglichkeit mehr sich zu wehren. Aus diesem Grund gab der Kommandant den Befehl zum Verlassen des Bootes. Oberleutnant zur See Hans Jenisch und der Leitende Ingenieur, Leutnant (Ing.) Anton Thimm, überzeugten sich davon, dass alle Mann aus dem Boot waren, zogen die Entlüftungen und verließen selbst das Boot. Kurz darauf richtete sich U 32 auf und sank dann über den Achtersteven.
Von der 42-köpfigen Besatzung fielen neun Mann, einige durch Beschuss der Zerstörer, andere durch Ertrinken.
Der größte Teil der Besatzung wurde nach etwa einer Stunde vom Zerstörer Harvester aufgenommen. Auf Ersuchen des Kommandanten von U 32 beteiligte sich auch der zweite Zerstörer, die Highlander, an der Suche nach Überlebenden. Dieser fand nach über drei Stunden noch vier Mann von U 32 und nahm sie auf. Die Behandlung der deutschen U-Bootmänner an Bord der beiden britischen Zerstörer war vorbildlich. Die Überlebenden der Besatzung von U 32 verbrachten die restliche Zeit des Krieges in britischer Kriegsgefangenschaft in England und Kanada.
Text: Hans-Joachim Röll und Deutsches U-Boot Museum – Fotos Deutsches U-Boot-Museum