Der Kampf um die Raumbeschränkungs-Zulage
Georg-Günter Freiherr von Forstner (1882-1940), ein U-Boot-Kommandant der kaiserlichen Marine, beschreibt in seinem Zeitzeugenbericht die Bemühungen der moch jungen U-Boot-Waffe um eine finanzielle Zulage für U-Boot-Besatzungen während einer großangelegten Besichtigung der U-Boote durch Admiral Scheer vom Reichsmarineamt im Jahre 1912. Zu dieser Zeit war von Forstner Kommandant des Petroleum-Bootes SM U 7. Kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges übernahm er das modernere Diesel-Boot U 28, mit dem er bis Anfang 1917 26 Schiffe mit zusammen 57.813 BRT versenkte. Nachdem er sein Boot abgegeben hatte, wurde er Lehrer an der U-Boot-Schule. Direkt nach dem Krieg war er einige Zeit Parteisekretär der Deutschnationalen Volkspartei und betätigte sich später als Schriftsteller und Vortragsreisender. Am 26. Oktober 1940 erlag er während einer Autofahrt einer plötzlichen Herzattacke.
Unsere erste große U-Boot-Besichtigung 1912
Im Sommer 1912 sollte auf unserer erst kurz vorher gegründeten 1. U-Boot-Flottille eine Besichtigung ganz besonderer Art stattfinden. Es handelte sich um keine militärische Vorführung, die Besichtigung sollte vielmehr im Hafen durch den Chef des Reichsmarineamtes oder einen Vertreter desselben erfolgen.
Ein rein materieller oder verwaltungstechnischer Zweck lag dieser Besichtigung zugrunde. Die Flottenleitung hatte dem Wunsch der U-Bootsfront entsprechend, beim Reichsmarineamt die Gewährung von Zulagen an die U-Bootbesatzungen als Entschädigung für besonderen Verschleiß von Bekleidungsgegenständen, und für die schwierigen und einengenden Wohn- und Lebensbedingungen beantragt. Das Reichsmarineamt war bei seiner sonstigen Großzügigkeit für Gewährung von Zulagen immer etwas schwer zu haben. Da musste stets erst eine eigene Ressort-Stelle ihr Gutachten abgeben.
So kam Konteradmiral Scheer als Vertreter des Reichsmarineamtes zu uns. Mit fünf Booten lagen wir längsseits unseres Flottillen-Führerbootes D 5 an der Blücher Brücke in Kiel. Ein jedes Boot war in einem anderen Bereitschaftszustand, um auch wirklich alle Lebensbedingungen dem Inspizierenden vorführen zu können.
Das 1. Boot „Hafen-klar“. Hier brauchten keine besonderen Vorkehrungen getroffen werden.
Das 2. Boot „Seeklar für Überwasserfahrt“. Auf ihm stand bei aufgetakelter Kommando-Schutzbrücke, die durch einen Segeltuchbezug gebildet wurde, die Turmbesatzung trotz glühender Sommerhitze im „Schlecht-Wetter-Anzug“. Bei geschlossenen Deckslucks musste der Rest der Besatzung sich in im Inneren des Bootes aufhalten. Dieses war schon weniger angenehm.
Das 3. Boot lag „tauchklar“ mit abgetakeltem Brückenkleid. In dem geöffneten Turmluk saß, auch schon fertig zum Einsteigen, nur noch der Kommandant im Lederpäckchen.
Das 4. Boot war das mir unterstellte U 7. Wir hatten Essensbesichtigung. Das ließ sich schon eher vertragen.
Schließlich das 5. Boot, es war U 9 unter seinem ersten Kommandanten, meinem guten Freund und Kameraden Kapitänleutnant Fürst, sollte im „Schlafen“ besichtigt werden, wobei die ganze Besatzung in ihren Kojen oder Hängematten liegen musste, bis der hohe Herr Admiral kam. Auch dieses stellte einen ganz erträglichen Besichtigungszweig dar, wenn es vielleicht auch etwas warm war. Jedenfalls glaubte ich, dass wir auf U 7 mit der Essensbesichtigung den besten Teil erwischt hatten.
Pünktlich um 8 Uhr vormittags mussten wir unserem Flottillenchef „Klar zur Besichtigung“ melden. In Vorbereitung hatte ich es, oder besser gesagt mein Koch am schwierigsten, denn genau mit den Eintreffen des Admirals musste das „Dinner“ serviert werden, ohne angebrannt oder noch nicht gar zu sein. Ich hatte Weißkohl mit Hammelfleisch angesetzt, da das Gericht mit am besten bei den geschlossenen Luken die Mittags-U-Boots-Atmosphäre darzustellen geeignet schien. Eigentlich hatte es Grünkohl geben sollen aber der war im Sommer leider nicht zu kriegen.
Der Admiral kam und kam aber nicht. Von 9 Uhr ab wurde mein Koch unruhig und meldete mir: „Ich kann den Hammelkohl nicht mehr halten und muss ihn an die Leute ausgeben, wir können den Admiral doch nicht mit angebranntem Hammelkohl unter die Augen treten. Das leuchtete mir ein, und nachdem mein Koch mir versprochen hatte, schnellstens eine zweite Auflage wieder servierbereit zu machen, sobald der Admiral glücklich in Sicht war, machten wir an diesem hohen Besichtigungstag um 9 Uhr 15 vormittags auf SM U 7 zum ersten Mal Mittag.
Gegen 10 Uhr vormittags traf Konteradmiral Scheer ein. Erst kamen nach der Begrüßung auf dem Flottillenboot vor mir die drei ersten Boote heran, und ich konnte ganz beruhigt sein, als mir mein Koch meldete: „Bis der Admiral die drei anderen Boote durchgesehen hat, bin ich mit dem frischen Hammelkohl allermeist wieder klar“. Konteradmiral Scheer war nun in seiner funkelnagelneuen Uniform aus Berlin erschienen. In geschickter Weise für den beabsichtigten Zweck machte unser Flaggleutnant, Kapitänleutnant Schött, ihn darauf aufmerksam, dass er unmöglich mit diesem Uniformrock noch hinterher auf die Straße gehen könne, wenn er mit ihm auch nur für kurze Zeit in das ölige U-Boot hinabsteige. Dieses leuchtete dem hohen Besichtiger ein, und gern zog er sich auf dem Führerboot ein Jackett des Wachoffiziers Oberleutnant z.S. Schwieger an, dem späteren so erfolgreichen Kommandanten von U 20.
Nun war das Malheur natürlich nicht abzuwenden, dass alle Leute dem hohen Admiral nur mit „Herr Oberleutnant“ anredeten, was dieser sich aber ganz gerne gefallen ließ, oder schließlich-gefallen lassen musste. Als er zu uns auf U 7 kam, wurde das zweite Mittagessen um 10 Uhr 30 gerade serviert. Interessiert und leutselig fragte Admiral Scheer meine Matrosen: „Na das schmeckt wohl?“ – „Und wie, Herr Oberleutnant, hier schmeckt bloß alles immer nach Petroleum.“ Schon kam mein Koch dazu, mit einem dampfenden Teller nebst Schanzzeug: „Wollen Herr Oberleutnant nicht auch mal probieren?“ und tatsächlich schmeckte dieser Schlag vielleicht noch etwas mehr nach Petroleum als der unsrige. Jedenfalls ließ er ihn nach dem ersten Löffel stehen und ging schleunigst nach U 9 herüber, wo er nach herumkriechen unter den wegen der heutigen Hitze besonders tief hängenden Hängematten auch bald genug hatte. Als er dann am hellen Tageslicht eine ganze Reihe von Ölflecken auf seinem Oberleutnantsjackett bemerkte, die vielleicht auch schon vorher darauf gewesen waren, freute er sich, dass sein neuer Rock dieser Gewaltbeanspruchung glücklich entgangen war. So bekamen wir bald darauf vom Reichsmarineamt eine besondere Zulage bewilligt, die den schönen Namen „Raumbeschränkungszulage“ erhielt.
Mittags um 12 Uhr gab es dann bei uns auf U 7 routinemäßig zum dritten Mal Mittag in Gestalt von Hammelkohl. Nach dem Essen mussten meine Leute aber im Freien verdauen, und da hörte ich zufällig ein Gespräch meiner Matrosen mit den Kameraden von U 9: „Ich versteh gar nicht, weshalb man wegen einem Oberleutnant aus Berlin son Umstand gemacht hat – Lot man wehn, Karl, so ne Besichtigung bis Mittags in der Hängematte liegen, das ist auch ganz schön,“ und Karl gab zurück: „Und Vormittag drei Mal Mittag essen, das haben wir auch nicht alle Tage.“ Mit den Worten: „So ein Kerl kann immer wieder gern kommen.“ war die Kritik meiner Matrosen über diese erste Besichtigung unserer U-Boote zu Ende.