Der Untergang von U Hai

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Allgemeine Informationen zur U-Boot-Klasse 240

Die Ereignisse um den 14. September 1966

Am Montag, dem 12. September 1966 lief ein Geschwader der Ubootlehrgruppe (ULG) der Bundesmarine, das aus dem Begleitschiff Passat sowie den U-Booten Hai, Hecht und U 3 bestand aus seinem Heimathafen Neustadt/Holstein zu einer Besuchsfahrt in das schottische Aberdeen aus. Der Tender Lech stieß in Kiel zu dem Verband. Ungefähr einmal jährlich brachen die Einheiten der ULG im Gegensatz zu den sonst nur kurzen Ausbildungsfahrten vor allem in der Lübecker Bucht und der westlichen Ostsee zu Freundschaftsbesuchen in weiter entfernte Häfen auf, vom Personal der ULG fast spöttisch als „Flottenausflug“ bezeichnet. Die teilnehmenden Soldaten freuten sich im Allgemeinen aber sehr darauf.

Der Verband wurde von dem auf der Lech eingeschifften FrgKpt. Mahrholz, einem erfahrenen, kriegsgedienten U-Boot-Mann kommandiert, sein Kurs führte zunächst durch den Nord-Ostsee-Kanal. Bei Erreichen der offenen Nordsee am 13. September teilte sich der Verband auf: U 3 und die Passat schlugen einen westlichen Kurs ein, während Hai, Hecht und die Lech einen nordwestlichen Kurs in Richtung Helgoland steuerten. Noch waren Wind und Seegang eher mäßig, nach Einsteuerung der Boote auf die durch den höheren Salzgehalt höhere Wasserdichte des Wassers der Nordsee am späten Dienstagvormittag fuhren beide U-Boote im Unterwassermarsch in Richtung Nordwesten weiter. Gegen 01:15 Uhr am Mittwoch dem 14. September tauchte U Hai zum Laden seiner Batterien auf. Das Wetter hatte sich während des über 12 Stunden dauernden Unterwassermarsches erheblich verschlechtert, so dass, als gegen 09:00 Uhr das Laden beendet war, wieder zum Unterwassermarsch getaucht wurde.

Erst gegen 17:00 Uhr tauchte das Boot wieder auf. Um 17:45 Uhr kam es dann zum letzten Funkkontakt zwischen dem Tender Lech und dem durch Seegang und einer Abweichung des Kurses gegenüber dem Verband immer weiter zurückfallenden U Hai. Als dann nach 4 Stunden nicht, wie vereinbart, ein neuer Funkkontakt hergestellt werden konnte, erstatte die Lech beim Flottenkommando in Glücksburg Meldung darüber und begann mit der Suche nach U Hai. Nicht ganz zwei Stunden später setzte das Flottenkommando um 00:11 Uhr auch den Zerstörer Bayern zur Lech in Marsch. Die Bayern befand sich zu diesem Zeitpunkt noch im Schiffsübernahme-Kommandoverhältnis (SÜK) und war nicht vollständig einsatzbereit.

Gegen 22:45 Uhr verfing sich von der See aus der Tauwerkslast im Turmumbau geschlagenes Tauwerk in der Schraube von U Hecht, was es manövrierunfähig machte. Die Lech, deren Radargerät inzwischen ausgefallen war, steuerte auf U Hecht zu und versuchte es in Schlepp zu nehmen, was aber letztlich erst am nächsten Morgen gelang. Um 03:44 Uhr am  15. September startete vom Marinefliegerhorst Kiel-Holtenau auf Initiative der Marineflieger selbst ein Aufklärungsflugzeug um nach U Hai zu suchen, beim Flottenkommando vermutete man lediglich einen Ausfall der Funkanlage des U-Boots und machte sich keine größeren Sorgen.

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U Hai in den Trossen von Magnus III

Erst durch den Alarmruf des englischen Fischkutters St. Martin um 06:45 Uhr, dass ein schiffbrüchiger U-Boot-Mann aufgenommen worden sei, erfuhr die deutsche Marine vom Untergang von U Hai. Der aufgenommene Peter Silbernagel, der Smut, sollte der einzige Überlebende von U Hai bleiben. Die sehr wagen Hoffnungen, dass sich in einer Luftblase im untergegangenen Boot noch Überlebende befinden könnten erfüllten sich nicht, Klopfzeichen von Rettungsmannschaften blieben unbeantwortet. Das Wrack von U Hai wurde am 19. September vom Schwimmkran Magnus III gehoben.

Das Gutachten für die Staatsanwaltschaft

Die zuständige Staatsanwaltschaft beim Landgericht Lübeck beauftragte in einem Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachtes der fahrlässigen Tötung von Angehörigen der Besatzung des U-Bootes Hai eine aus Anlass des Untergangs gebildete Sachverständigenkommission mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens über die Ursachen des Unterganges und der Einschätzung der Seetüchtigkeit des Bootes. Der siebenköpfigen Sachverständigenkommission gehörte neben Vertretern der Bau- und Umbauwerften sowie des Verteidigungsministeriums auch der leitende Regierungsdirektor Christoph Aschmoneit an, von dem ein biographischer Abriss im Artikel über Vesikko gegeben wird. Im U-Boot-Archiv liegt eine offizielle Ausfertigung dieses Gutachtens in seinem Nachlaß vor.

Die Kommission war bereits bei Hebung von U Hai durch den Schwimmkran Magnus III zugegen und untersuchte das Wrack, das einen Tag später zu den damaligen Rheinstahl Nordseewerken in Emden verbracht wurde, sehr gründlich, wobei bereits zweifelsfrei festgestellt werden konnte, dass der Druckkörper dicht war und ein Wassereinbruch über ein Leck als Unglücksursache ausschied. Nach der Aufnahme der Bergungsschäden und der Bergung der noch im Boot befindlichen Leichen von sieben Besatzungsmitgliedern wurden die nach der Bergung vorgefundenen Füllungen der Bunker, Tanks und Zellen sowie sämtliche vorgefunden Ventilstellungen und Tauchretter mit Angabe des Fundortes festgehalten und das innere des Wracks genau untersucht.

Mit dem Schwesterboot U Hecht wurden am 5./6., 25. und 26. Oktober 1966 im Hafen des Marinearsenals Kiel praktische Tauch- und Trimmversuche zur Klärung der Unglücksursache vorgenommen. Am 23. Dezember legte die Expertenkommission dann der Staatsanwaltschaft Lübeck ihr Gutachten vor.

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U Hecht bei praktischen Versuchen zur Ermittlung der Unglücksursache im Hafen des Marinearsenals Kiel im Oktober 1966. Links im Hintergrund ist U 995 zu erkennen.

Bei einem Umbau 1963 wurden in Hai und Hecht ein diesel-elektrischer Antrieb, der dem der damals neuen Klasse 201 entsprach eingebaut, wozu die Boote im Motorenraum um 1,2 m verlängert wurden. Der Diesel-Zuluftmast wurde gekürzt, mit einem Luftabnahmestutzen mit dem Schnorchel verbunden und blindgeflascht. Bei Überwasserfahrt konnte die Diesel-Zuluft entweder über das Turmluk durch das Boot oder über den eingefahrenen Schnorchel, den Luftabnahmestutzen und das geöffnete Diesel-Luft-Fußventil erfolgen. Die Luftzufuhr über das Turmluk verursachte allerdings einen starken Zug im Boot. Musste das Luk zudem in schwerer See wegen überkommender Brecher geschlossen werden, so musste es nach dessen Ablaufen sofort wieder zumindest teilweise geöffnet werden, da sonst der durch den Luftverbrauch des Diesels entstehende Unterdruck im Boot ein späteres Öffnen extrem erschweren würde.

Der Diesel von U Hai bezog am stürmischen Abend des 14. September, es herrschte Windstärke 9, die Wellen waren 5-6 m hoch, seine Zuluft über den eingefahrenen Schnorchel. Im eingefahrenen Zustand schloss der Schnorchel nicht vollständig mit dem Luftabnahmestutzen ab, so dass, wenn dieser von einer Welle überspült wurde, Wasser durch den Luftschacht in die Maschinenraumbilge eindringen konnte, von der man davon ausgehen darf, dass sie nach dem Auftauchen lenz bis auf Restwasser war. Der Zuluftschacht endete auf Höhe der Flurplatten, so dass der Dieselwachgänger von seinem Platz aufstehen musste um das Ende des Schachtes zu beobachten. Außerdem befanden sich Mäntel in unmittelbarer Nähe zum Trocknen aufgehängt, die die Sicht behinderten. Da ferner anfangs jeweils nur kurz Wasser eindrang, wenn eine Welle den Luftabnahmestutzen überspülte und dies wegen des Lärms durch den Diesel und den Seegang auch nicht gehört werden konnte, blieb das sukzessive Eindringen größerer Mengen Wasser auf U Hai wohl zunächst vollkommen unbemerkt.

Durch den Verlust des Auftriebs im Maschinenraum durch das eingedrungene Wasser wurde das Boot achterlastig. Der Luftabnahmestutzen, der bei ausgeblasenen Tauchzellen und ausgetrimmtem Boot bei glattem Wasser 135 cm über der Wasserlinie lag, näherte sich dadurch der Wasserlinie und wurde daher länger von Wellen überspült, wodurch mehr und mehr Wasser eindringen konnte. Außerdem verlor die achtere Tauchzelle durch Entweichen von durch das Wasser komprimierter Luft durch die Flutklappen unten an der Zelle, wenn diese im Seegang frei lagen, Auftrieb, was auch als Abblasen der Zelle bezeichnet wird. Dieser Auftriebsverlust belief sich allerdings ungefähr nur auf ein Zehntel des Verlustes durch das eingedrungene Wasser.

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Der Maschinenraum von U Hecht bei den praktischen Versuchen.

Die praktischen Versuche der Sachverständigen auf dem Schwesterboot U Hecht legten nahe, dass dem Dieselwachgänger ein Bilgenwasserstand von 5 m³, wobei sich der Wasserspiegel 7 cm unter den Flurplatten befindet, keinesfalls mehr entgangen sein dürfte. Nach Aussage des einzigen Überlebenden wurde plötzlich Wassereinbruch im Maschinenraum gemeldet. Ungefähr 3 Minuten später sei dann der Befehl zum Verlassen des Bootes gegeben worden. Der Schnorchel verfügte zwar über eine Schnellschlussklappe, die kurz vor dem Sinken auch noch geschlossen wurde, womit das weitere Eindringen von Wasser gestoppt wurde, das Boot war zu diesem Zeitpunkt allerdings schon so achterlastig und tief im Wasser liegend, dass es schließlich über das Turmluk voll lief. Wäre statt des Verlassen des Bootes der tauchklare Zustand, das bedeutet das Schließen aller Luken und Verschlüsse sowie das Abschalten des Diesels, hergestellt worden, so müssten die vorhanden Lenzmittel nach Ansicht der Sachverständigen ausgereicht haben, um das eingedrungene Wasser zu lenzen und so ein Sinken zu verhindern. Dass sich der Kommandant für das Verlassen des Bootes entschieden hat, lässt sich nur dadurch erklären, dass ihm die Ursache für den Wassereinbruch völlig unbekannt war und er ihn daher natürlich auch von Menge her nicht einschätzen konnte. Er muss das Stoppen bzw. Begrenzen des Wassereinbruchs für kaum Aussichtsreich erachtet haben. Die Herstellung des tauchklaren Zustands hätte allerdings auch die Option des sofortigen Verlassens des Bootes eliminiert. Ein Notruf konnte nicht mehr abgesetzt werden.

Ungefähr 13  von 20 Mann sind nach Aussagen von Silbernagel noch auf den Turm gelangt, von ihnen wurden einige durch einen Brecher wieder ins Boot zurück gespült. Es muss noch 13 Mann gelungen sein, das Boot vor dem Sinken zu verlassen, Silbernagel überlebte zunächst mit einer Gruppe von 6 Mann, die später alle bis auf ihn an Unterkühlung starben. Er wurde erst nach 13 Stunden im Wasser als einziger Überlebender vom britischen Fischkutter St. Martin gerettet.

Der Bericht der Havariekommission

Vom 13. Januar 1969 an kehrte das Unglück von U Hai durch vermehrt veröffentlichte Zeitungsartikel kurz in das öffentliche Bewusstsein zurück. Dies nahm durch eine Indiskretion von Marineangehörigen gegenüber einer Kieler Journalistin über den marineinternen Bericht einer Havariekommission, die unter dem Vorsitz des damaligen Flottillenadmirals Otto Kretschmer die militärischen, betrieblichen und zivilrechtlichen Aspekte des Untergangs von U Hai zu untersuchen hatte und erhebliche Mängel „im wehrtechnischen Bereich, in der Ausbildung und in der Personalführung der U-Boot-Flotte“ festgestellt hatte und der anschließenden Veröffentlichung eines entsprechenden Artikels seinen Anfang. Kretschmer hatte darauf hin zunächst auf Anfrage des Hamburger Abendblatts scharfe Kritik an der Marineführung geübt und die Qualifikation des Kommandanten von U Hai zum Führen eines U-Bootes in Frage gestellt, ihm wurde aber bereits nur wenige Tage später vom Inspekteur der Bundesmarine Vizeadmiral Jeschonnek untersagt, weitere Presseauskünfte zu geben.

Das Verteidigungsministerium wies die im Bericht der Havariekommission genannten Mängel und Vorwürfe zurück. Dennoch sollte sich der Verteidigungsausschuss des Bundestages auf Antrag der damaligen Oppositionspartei FDP mit den Hintergründen des Unterganges von U Hai und dem Bericht der Havariekommission, der noch nicht veröffentlicht war und auch dem Verteidigungsausschuss noch nicht vorlag, befassen. Von der damaligen Bundesregierung wurde nicht nur von der FDP sondern auch aus Reihen des Koalitionspartners der CDU/CSU, der SPD, restlose Aufklärung über Ursachen und Konsequenzen des Unglückes sowie eine Veröffentlichung des Berichts der Havariekommission gefordert. Es wurde sogar über die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschuss nachgedacht, wozu es allerdings dann doch nicht gekommen ist. Die Staatsanwaltschaft Kiel erwog ebenfalls eine erneute Prüfung des Sachverhaltes, eröffnete dann aber doch kein neues Verfahren.

Das Gedenken an U Hai

Kurz nach dem Unglück wurde ein Gedenkstein in der Marinekaserne der ULG in Neustadt aufgestellt. Bei der Umwandlung der ULG in das Ausbildungszentrum Uboote 1990 und der damit verbundenen Verlegung nach Eckernförde wurde der Gedenkstein mitgenommen. Auf Initiative der Marinekameradschaft Neustadt wurde durch private Spenden und die Mithilfe des Verbands Deutscher U-Bootfahrer VDU sowie der evangelischen Kirchengemeinde 2005 ein neuer Gedenkstein für die ums Leben gekommenen Soldaten auf dem Evangelischen Südfriedhof in Neustadt errichtet.

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Gedenkstein für die auf See gebliebenen von U-Hai auf dem Evangelischen Südfriedhof in Neustadt, Foto von Roland.h.bueb, CC BY 3.0

Ehemalige Besatzungsangehörige betreiben unter www.unterseeboot-hai.de eine informative und reich bebilderte Homepage und finden sich seit 1994 auch zu regelmäßigen Kameradschaftstreffen zusammen.

Quelle:
Gutachten der Sachverständigenkommission zum Untergang von U Hai vom 23. Dezember 1966

Text: Kai Steenbuck – Fotos: Deutsches U-Boot-Museum, Roland.h.bueb