Fahrt nach Fernost

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U 511 und die Fahrten von deutschen und japanischen U-Booten zwischen Europa und Fernost

Wir hatten über den Mythos um U 862 und seine epische Fahrt bis vor die Küsten Australiens und Neuseelands berichtet. Dieses U-Boot war nur eines von insgesamt 15 U-Booten (U 168/ U 178/ U 181/ U 183/ U 188/ U 195/ U 196/ U 219/ U 510/ U 532/ U 537/ U 843/ U 861 und U 1062) der Kriegsmarine, die die Fahrt von Stützpunkten in Deutschland, Norwegen oder Frankreich bis nach Südostasien in die dort eingerichteten Stützpunkte Penang, Batavia, Singapur und Surabaya geschafft hatten.

Dazu gezählt werden muss noch U 511 als 16. U-Boot mit einer erfolgreichen Verlegung von Europa nach Fernost, dessen Bestimmungsziel dann aber Japan und dortiger Verbleib war. Ab Sommer 1943 hatte die Kriegsmarine, je nach Betrachtungsweise, in mehreren Gruppen insgesamt bis zu 57 U-Boote zu Unternehmungen zunächst vor die Südspitze Afrikas, dann auch in den Indischen Ozean und am Ende einige von diesen zum Einlaufen in japanische Stützpunkte (Penang, Singapur, Batavia und Surabaya) im japanisch besetzten Südostasien mit anschließenden Operationen von dort aus geschickt. Die Mehrzahl von diesen überlebte diese Unternehmungen nicht.

Kommandant von U 511 und U 183 Kapitänleutnant Fritz Schneewind, gefallen am 23.04.1945
Kommandant von U 511 und U 183 Kapitänleutnant
Fritz Schneewind, gefallen am 23.04.1945

Die im Indischen Ozean und Pazifik (nur: U 862) operierenden deutschen U-Boote vermochten insgesamt 162 Schiffe mit insgesamt 830.541 BRT Verdrängung zu versenken. Als Sammelbegriff für diese Boote wird gerne die Bezeichnung „Monsun-U-Boote“ gewählt, obwohl „Monsun“ nur die Bezeichnung nur für die Gruppe der verlegten Boote war, die tatsächlich bis in Stützpunkte in Südostasien laufen und von dort aus operieren sollten. Die Fahrten von U-Booten zwischen Europa, Südostasien und Japan, einschließlich der Einsätze deutscher U-Boote von japanischen Stützpunkten im japanisch besetzten Südostasien aus, gingen zurück auf den deutsch-italienisch-japanischen Dreimächtepakt vom 27.09.1940 („Achse“ Berlin-Rom-Tokio) und das dreiseitige „Abkommen zur militärischen Zusammenarbeit“ vom 18.01.1942. Es wurde auch vereinbart, Japan zwei deutsche U-Boote für Studien- und Ausbil-dungszwecke zu überlassen. Hierfür wurden dann U 511 und U 1224 ausgewählt.

Das Typ IXC U-Boot U 511 verlegte dafür am 10.05.1943 nach Japan, wurde dort nach Ankunft in Kure am 07.08.1943 am 16.09.1943 als „Führergeschenk“ an die japanische Marine übergeben und als RO-501 in Dienst gestellt. Das am 01.09.1943 in Dienst gestellt deutsche Typ IXC U-Boot U 1224 wurde am 15.02.1944 in Kiel von Japan übernommen, die 49köpfige Besatzung war zuvor mit dem japanischen U-Boot I-8 am 31.08.1943 aus Japan kommend nach Brest überführt worden und hatte in Deutschland eine mehrmonatige U-Bootausbildung absolviert. Nach der Indienststellung von U 1224 als RO-501 und weiterer Systemausbildung mit dem Boot verließ das U-Boot am 30.03.1944 Kiel, um über Kristiansand nach Japan zu verlegen. Bei dieser Überführungsfahrt ging das U-Boot am 13.05.1944 nordwestlich der Kapverdischen Inseln verloren.

Penang im Juli 1943 - LzS Uena und der Kdt Fritz Schneewind
Penang im Juli 1943 – LzS Uena und der Kdt Fritz Schneewind

Von den 16 U-Booten, die die erste Fernfahrt von Europa nach Südostasien mit Einlaufen in dortigen Stützpunkten geschafft hatten, wurden in der Folgezeit 5 (U 168/ U 183/ U 196/ U 537 und U 1062) bei Operationen von den dortigen Stützpunkten aus versenkt, weitere 5 (U 181/ U 195/ U 219/ U 511 wurde 1943 an Japan übergeben/ U 862) erlebten das Kriegsende im Mai 1945 dort und nur 6 (U 178/ U 188/ U 510/ / U 532 mit Kapitulation vor Schottland/ U 843 und U 861) schafften die Rückkehr nach Europa.

8 der erfolgreich durchgekommenen 16 U-Boote waren Typ IX C (U 168/ U 183/ U 188/ U 510/ U 511/ U 532/ U 537 und U 843), weitere 6 waren Typ IX D-Boote (U 178/ U 181/ U 195/ U 196/ U 861 und U 862), die als Transportboote genutzten U 219 waren ein Typ X B-Boot, bzw. U 1062 als Torpedotransporter ein Typ VII F-Boot. Zusätzlich schafften 3 Boote des Verbündeten Italien (Guiliani später UIT 23, Cappellini, später UIT 24, und Torelli, später UIT 25) die Hinverlegung nach Südostasien. UIT 23 wurde dann bei einer Unternehmung von Penang aus versenkt, UIT 24 und UIT 25 erlebten das Kriegsende in Japan.

Auch das verbündete Japan schaffte mit einigen U-Booten die Fahrt zwischen Fernost und Europa. Den 3 japanischen U-Booten I-30, I-8 und I-29 gelang sowohl die Hin- als auch die Rückfahrt. 2 weitere japanische U-Boote ( I-34 und I-52) wurden bereits auf der Hinfahrt von Japan nach Europa versenkt, RO-501 (ex U 1224) erlitt das gleiche Schicksal auf der Fahrt von Europa nach Fernost. Nur 5 deutsche Boote (U 168/ U 181/ U 183/ U 532/ U 862) führten tatsächlich Unternehmungen mit Auslaufen aus und Einlaufen in Stützpunkten in Südostasien durch.

Neben U 511 als „Geschenk“ an Japan fuhren tatsächlich 3 deutsche U-Boote (U 183/ U 510 und U 532) von Stützpunkten in Südostasien zu Instandsetzungsarbeiten (Batteriewechsel) auch weiter die rund 3.000 sm lange Strecke bis nach Japan und kehrten anschließend von dort wieder zurück nach Südostasien. Die beiden, im September 1943 in Südostasien von Italien übernommenen und dann in UIT 24 und UIT 25 umbenannten U-Boote führten bis zur deutschen Kapitulation am 05.05.1945 noch einige Transportfahrten zwischen Stützpunkten innerhalb Südostasiens und nach Japan durch, verblieben dann aber nach der deutschen Kapitulation im Mai 1945 als von Japan übernommene U-Boote (UIT 24 wurde zu I-503 und UIT 25 zu RO-504) ab Februar, bzw. März 1945 endgültig für Reparaturen im japanischen Kobe.

Treffen der Boote U 511 (oben links), U 178 (vorn), U 183 und U 168 - von links nach rechts
Treffen der Boote U 511 (oben links), U 178 (vorn), U 183 und U 168 – von links nach rechts

Die zu bewältigenden Entfernungen zwischen Europa und Südostasien waren gewaltig, und liegen je nach letztem Auslauf- und erstem Anlaufstützpunkt zwischen 11.200 sm und 12.500 sm, die von den U-Booten gemeldeten Fahrtzeiten liegen zwischen 84 Tagen (U 511) und 171 Tagen (U 188).

Nachdem schon die japanischen U-Boote ab 1942 im Wesentlichen Transportfahrten zwischen Fernost und deutschen Stützpunkten in Frankreich und zurück durchgeführt hatten, wurden nach der Aufgabe von Transportfahrten mit deutschen Handelsschiffen als Blockadebrecher Ende 1943 auch die Fernfahrten der deutschen U-Boote zwischen Frankreich und Südostasien und zurück ab Mitte 1944 als einzig mögliche direkte Verbindung zwischen den Kriegsverbündeten Deutschland und Japan zunehmend für Transporte von kriegswichtigen Materialien umgewidmet.

Die überlieferten Ladungen auf den japanischen U-Booten reichten bei den Fahrten von Fernost nach Frankreich von Personal (von einer ganzen U-Bootbesatzung, zu Spezialpersonal, bis zu prominentem Spitzenpersonal) über Konstruktionszeichnungen japanischer Waffentechnik, bis hin zu kriegswichtigen Rohstoffen und anderen Güter wie Kautschuk, Zinn, Wolfram, Zink, Molybden, Chinin, Opium, Kaffee und sogar Tonnen von Goldbarren. Auf der Rückfahrt dieser U-Boote wurden dann neben wichtigem Personal vor allem deutsche Rüstungstechnik, von Bauteilen für Antriebsanlagen bis hin zu Konstruktionsunterlagen für Radar-, Raketen- und Flugzeugtechnik, aber u.a. auch Torpedos und, sehr bemerkenswert: auch Schlüsselgeräte „Enigma“, mitgeführt.

p237_1_03Auf den deutschen U-Booten wurde neben einigem Spezial- und Spitzenpersonal ebenfalls ähnliches, kriegswichtiges Material mitgenommen. Auf den Fahrten nach Fernost waren dies vor allem wieder deutsche Waffentechnik in Form von Bauteilen und Konstruktionsunterlagen, aber auch Rohstoffe von großer Bedeutung für Japan, wir haben schon an anderer Stelle zu den Blei- und Quecksilberladung und die ungewöhnliche Mitnahme von Uranoxyd berichtet. Auf den Rückverlegungen nahmen diese U-Boote dann, ähnlich wir auf den japanischen U-Booten, neben Personal vor allem Rohstoffe mit Bedeutung für die deutsche Kriegswirt-schaft mit, insbesondere Rohgummi (Kautschuk) mit. Die Mengen der Transportgüter auf den deutschen und japanischen U-Booten reichten von etwa 80 t bis zu einem Bereich von etwa 250 t. Zählt man alle heil durchgekommenen Fahrten mit Fracht zusammen, so fällt auf, dass etwa ein Viertel dieser Fahrten die Strecke Südostasien – Europa, aber dreiviertel der Fahrten die Strecke Europa – Südostasien umfassen. Auf den Fahrten von Fernost nach Europa wurden neben zahlreichem Spezialpersonal für Ausbildungszwecke in Deutschland vor allem Rohstoffe transportiert, während die umgekehrte Strecke ganz überwiegend dem Transport von Waffentechnik und Konstruktionsunterlagen diente.

Genau um diese Transportfahrten ranken sich etliche Mythen. Zum Teil erst viel später wurde bekannt, wer als Passagier auf diesen U-Booten mitgefahren war und welche Ladung sie an Bord hatten. So begannen sich zahlreiche Gerüchte zu entwickeln, warum diese Personen an Bord waren und welche Zweckbestimmung die zusätzliche Ladung hatte. Spektakulär z.B. die Übergabe des Führers der „India Independence Movement“, des Inders Netaji Subash Chandra Bose, seines Adjutanten und zwei japanischen U-Bootspezialisten am 26.04.1943 vor Mozambik im Indischen Ozean von U 180 auf das von Südostasien herangekommen japanische U-Boote I-29. Oder die noch in den letzten Kriegsmonaten 1945 von der erst im Dezember 1944 aufgestellten Dienststelle „Marinesonderdienst Ausland“ organisierten beiden Transportfahrten der U-Boote U 864 und U 234 mit Auslaufen am 07.02.1945 (U 864), bzw. 15.04.1945 (U 234) von Norwegen aus nach Japan mit ihrer bemerkenswerten Mitnahme von interessanten Passagieren, von deutschen und japanischen U-Bootspezialisten über Raketen- und Flugzeugingenieure bis hin zu jenem Generalleutnants Ulrich Kessler auf U 234 als angeblich neuem Luftwaffenattaché an der deutschen Botschaft in Tokio.

U 180 beim Treffen mit jap. I-29
U 180 beim Treffen mit jap. I-29

Auch die Ladungen geben bis heute Anlass für z.T. abenteuerliche Theorien zu ihrem Bestimmungszweck, dabei im Mittelpunkt die Konstruktionsunterlagen und sogar angeblichen Bauteile für deutsche Raketen- und Flugzeugtechnik auf mehreren Booten sowie die 560 kg Uranoxyd auf U 234. Gerade letzteres wird dann schnell zu gewagten Aussagen zum angeblichen Stand von Entwicklungen einer Atombombe in Deutschland und Japan genutzt.

Fazit:

Die Aufrechterhaltung einer direkten Seeverbindung zwischen der Kriegsalliierten Deutschland, Italien (bis September 1943) und Japan hatte vornehmlich politische Bedeutung und geschah in Umsetzung der Vereinbarung zur Zusammenarbeit zwischen den Achsenmächten. Der Umfang des jeweils transportierten, kriegswichtigen Materials darf jedoch nicht überschätzt werden, hatte dies doch wohl kaum kriegsentscheidende Wirkung und kann deshalb bestenfalls als „wichtig“, insgesamt aber eher als „symbolisch“ für den guten Willen zur Umsetzung des Abkommens betrachtet werden. Wenn überhaupt, sind von einiger Bedeutung nur die mitgeführten Konstruktionsunterlagen zu und Teile von Waffen und Gerät, wie Antriebsanlagen, Flugzeug- und Raketentechnik, sowie die Mitnahme von bestimmtem Spezial-Personal zu bewerten, die besonders im Fall Japan eine nicht unbedeutende Hilfeleistung des Deutschen Reiches darstellten.

Gleichwohl, die gegenseitigen „Gaben“ kamen viel zu spät und in einem so geringen Umfang, dass sie angesichts der Kriegslage in Europa und im pazifischen Raum keinen nennenswerten Nutzen mehr gebracht haben. Somit sind zwar Untersuchungen um die möglichen Auswirkungen dieser Transportgüter für die jeweiligen militärischen Fähigkeiten der Verbündeten Deutschland, Italien (bis September 1943) und Japan zu begrüßen, die darum entstandenen und teilweise immer noch bestehenden Gerüchte, insbesondere die Mythen um deutsche Entwicklungsarbeit und Materialien für mögliche japanische Düsenflugzeuge, Raketen, ja sogar Atombomben sollten aber als solche verworfen werden.

Quellen:

 

  • Robert K. Wilcox: Japan´s race against time to build its own atomic bomb, Marlowe 1995
  • Rohwer/ Hümmelchen: Chronik des Seekrieges 1939-1945, Stalling, München 1968
  • Jochen Brennecke: „Haie im Paradies“, Heyne, München, 1993.

Text und Bildmaterial: Deutsches U-Boot-Museum

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