Die Robert L. Holt
U 69 und die Versenkung des britischen Dampfers Robert L. Holt
Anfang April 1941 tauchte beim B.d.U. die Frage auf, ob ein U-Boot des Typs VII C für weitläufige Unternehmungen, z. B. bis zur afrikanischen Westküste, eingesetzt werden könnte. Die Seekriegsleitung in Berlin war daran interessiert, den Seekrieg möglichst weit auszudehnen, um möglichst viele britische Streitkräfte, auch in diesen Gewässern, durch den Zwang zur Geleitzugsicherung zu binden. Neben vielen technischen Verbesserungen hatten die damals erst neuen Boote vom Typ VII C auch einen größeren Brennstoffvorrat und stärkere Motoren, sie konnten auch größere Fahrstrecken bewältigen als die älteren Boote vom Typ VII A oder B. Vorteilhaft war auch die schmale und niedrige Silhouette eines VII C-Bootes.
Die Seekriegsleitung in Berlin hatte vor allem Interesse an der Verminung der wichtigen Häfen Tokoradi und Lagos an der afrikanischen Westküste. Nach der Zustimmung des B.d.U. zu diesem Plan wurde Kapitänleutnant Jost Metzler und U 69 für diese Sonderaufgabe vorgesehen, der alle Voraussetzungen dafür mitbrachte. Als ehemaliger Handelsschiffsoffizier hatte er gute nautische Kenntnisse und große seemännische Erfahrung, sowie eine hervorragend eingefahrene Besatzung, die auch die Schwierigkeiten einer langen Unternehmung bewältigen konnten.
Am 05. Mai 1941 legte U 69 von Lorient zu seiner insgesamt dritten Unternehmung ab. Ziel war die westafrikanische Küste. Das Boot war gut gerüstet und vorbereitet. Es befanden sich nur wenige Torpedos an Bord, die Hauptladung bestand aus Minen. Damit gab es nur eingeschränkt Möglichkeiten, Schiffe mit Torpedos anzugreifen. Die wichtigste Aufgabe des Bootes lautete: Die Häfen von Takoradi im heutigen Ghana und von Lagos im heutigen Nigeria mit Minen zu sperren und den Hafen von Accra im heutige Ghana zu erkunden.
Doch schon im Anmarsch in das westafrikanische Seegebiet versenkte das U-Boot zwei Schiffe. Das erste, der britische Dampfer Robin Moor mit 4.999 BRT wurde am 21. Mai 1941 von U 69 gestoppt und entsprechend der Prisenordnung mit einem Torpedoschuss und 30 Schuss aus der 8,8-cm-Kanone versenkt. Am selben Tag noch wurde auch der britische Dampfer Tewkesbury mit 4.601 BRT durch einen Torpedo und Artillerie beschädigt und kurz nach Mitternacht des 22. Mai mit einem Torpedofangschuss versenkt.
Danach führte Jost Metzler die ihm zugetragenen Sonderaufgaben der Verminung mit großer Geschicklichkeit durch und es gelang der Besatzung von U 69 tatsächlich am 27.05.1941 mit 4 Minen die Einfahrt von Takoradi und am 28.05.1941 mit 8 Minen die Einfahrt von Lagos zu verminen, wobei das nächtliche, unerkannte Eindringen in den Hafen von Lagos eine ganz besondere Leistung darstellte. Die Wirkungen der beiden Minensperren blieben jedoch überschaubar. Nur am 04. Juni 1941 lief der 2.879 BRT große britische Leichter Robert Hughes auf eine, der von U 69 im Hafen von Lagos gelegten Minen und sank.
Nach Ausführung der Minenlegeoperation torpedierte U 69 am 31.05.1941 im Hafen von Accra den britischen Dampfer Sangara mit 5.445 BRT. Das Schiff sank nach dem Treffer über den Achtersteven, bei einer Wassertiefe von nur zehn Metern, auf Grund. Das Vorschiff ragte noch aus dem Wasser. Die Sangara wurde später gehoben und repariert, aber erst 1947 wieder in Dienst gestellt. Auf dem Rückmarsch bekam U 69 am 27.06.1941 Kontakt an dem Geleitzug SL 76. Beim ersten Angriff um 01.19 Uhr schoss das U-Boot einen Torpedo auf sein anvisiertes Ziel, das jedoch verfehlt wurde. Aufgrund der kurz darauf vernommenen Detonation vermutete man einen Treffer auf ein dahinter fahrendes Schiff. Um 01.49 Uhr erfolgte der zweite Anlauf auf den Konvoi. Diesmal traf es den britischen Dampfer River Luga mit 5.423 BRT, der wenig später sank. Der letzte mitgeführte Torpedo wurde dann um 02.37 Uhr abgefeuert und versenkte den britischen Dampfer Empire Ability mit 7.603 BRT. Damit waren alle an Bord von U 69 befindlichen Torpedos verschossen und der Rückmarsch wurde fortgesetzt.
Am 30.06.1941 konnte dann im mittleren Atlantik erfolgreich eine Nachversorgung durch den deutschen Tanker Corientes erfolgen. Insgesamt war es am Ende aber gelungen, durch das konsequente Einhalten einer ökonomischen Fahrtstufe, wenn es taktisch-operativ auch möglich war, die für ein Typ VII C U-Boot relativ große Distanz von Frankreich nach Westafrika und zurück mit verhältnismäßig geringem Verbrauch an Brennstoff zu überwinden.
Am Nachmittag des 02. Juli 1941 kam auf dem nördlichen Kurs zurück ein Dampfer in Sicht, der Kurs Süd steuerte. Zuerst waren nur eine schwache Rauchwolke und gelegentliche Mastspitzen zu sehen. Da eine ruhige See vorherrschte, beschloss Metzler den Dampfer zu verfolgen. Er wollte ihn in der Nacht mit Artillerie angreifen. U 69 folgte dem Dampfer im aufgetauchten Zustand und behielt die Mastspitzen in Sicht. Die Geschwindigkeit des Dampfers betrug zwölf Seemeilen. Inzwischen waren die Vorbereitungen für ein Artilleriegefecht getroffen und die Geschütze klar gemeldet worden. Für das Gefecht stand das 8,8-cm-Geschütz auf dem Vorschiff und die 2-cm-Fla-Kanone auf der achteren Brücke zur Verfügung. Außerdem gab es neben dem MG-34 noch ein weiteres MG vom Typ MG/30, ein Heeresmodell. Oberleutnant zur See Hans-Jürgen Auffermann, der I. Wachoffizier, übernahm die Leitung des Artilleriefeuers. U 69 verfolgte den Dampfer im Abstand von drei- bis fünftausend Metern und behielt ihn deswegen durchgängig in Sicht. Trotz der in Nachtsicht geübten Seeleute konnte der Namen des Schiffes aber nicht identifiziert werden. Metzler wollte mit den Angriff noch warten, bis der Mond unterging. So bestand genügend Zeit den Feuerüberfall vorzubereiten. Seit mehr als zehn Stunden verfolgten sie den Dampfer nun bereits.
Kurz nach dem Untergang des Mondes erhöhte der Kommandant die Geschwindigkeit des Bootes und verringerte den Abstand zu dem Schiff zunächst auf tausend Meter. In der zunehmenden Dunkelheit fuhr der Dampfer sorgfältig abgeblendet, dennoch war die Silhouette des Dampfers bei abnehmender Entfernung gut zu erkennen. „Klar zum Artilleriegefecht“, befahl Jost Metzler entschlossen und bald nach Abschluss der Vorbereitungen dann: „Feuer frei!“ Metzler erhöhte die Geschwindigkeit von U 69 und verringerte damit die Entfernung zum Dampfer auf unter achthundert Meter.
Das Artilleriefeuer von U 69 war präzise und vom Dampfer kam zunächst keine Gegenwehr. Die Über-raschung schien gelungen zu sein. Das 8,8-cm Geschütz feuerte in kurzem Abstand abwechselnd Salven mit Spreng- und Brandmunition ab. Offenbar war der Funk-raum des Schiffes bereits durch die ersten Salven getroffen worden, denn der U-Boot-Funker melde-te:“Dampfer hat kein Funk-Notsignal abgesetzt!“
Inzwischen hatte man auf der U-Bootbrücke aber festgestellt, dass das Schiff doch erheblich bewaffnet war. Es wurde je ein Geschütz, größeren Kalibers, auf dem Vorschiff und dem Heck ausgemacht.
Und nun erwiderte der Dampfer auch das Feuer, aber keines seiner Geschosse traf U 69. Im Gegenteil, sein Artilleriefeuer lag so ungenau, dass man auf der Brücke des U-Bootes annahm, alle Einrichtungen der Feuerleitanlage des Dampfer wären bereits zerstört worden, so dass kein gezieltes Geschützfeuer mehr möglich war.
Nach einer kurzen Feuerpause wechselte Metzler die Angriffsseite. U 69 ging um das Heck des Dampfers herum und nahm ihn auf der anderen Seite unter Feuer. Rasch wurden mehrere Treffer in der Wasserlinie erzielt, wobei auch der Kesselraum getroffen wurde. Sofort war das typische Abblasen von Dampf zu hören und eine große Dampfwolke war zu sehen. Inzwischen machte das Schiff kaum noch Fahrt. Die Geschütze des Dampfers schienen zerstört oder konnten nicht mehr bedient werden. Als letzte Gegenwehr versuchte der Handelsschiffskapitän das U-Boot zu rammen, was aber wegen der nur noch geringen Fahrt des Schiffes nicht gelang. U 69 war nun so nahe an den Dampfer herangekommen, dass man mit bloßem Auge die Aufbauten des Schiffes im Detail erkennen konnte, diese waren durch die Artillerietreffer des U-Bootes weitgehend zerstört. Das Schiff brannte fast über seine ganze Länge und lag gestoppt in der See. Durch die Treffer an der Wasserlinie sank das Schiff langsam über das Heck. Irgendwelche Lebenszeichen der Besatzung waren nicht mehr zu erkennen. Metzler ließ das Feuer einstellen. Der Frachter bot ein Bild völliger Zerstörung. Alle Aufbauten waren zerfetzt und es stand von vorne bis achtern in Flammen. Auch die Masten waren umgeknickt und der Schornstein durchlöchert.
Am Morgen des 03.07.1941 verließ U 69 das brennende und im Sinken begriffene Schiff. Kapitänleutnant Metzler musste damit rechnen, dass feindliche Seestreitkräfte oder Flugzeuge jeden Augenblick eintreffen konnten.
Nach dem Gefecht wurde der Verlauf der Aktion als Bericht im Kriegstagebuch festgelegt. Die Frage nach der Identität des Schiffes konnte nicht geklärt werden, dafür aber eindeutig dessen Bewaffnung. Der Frachter war mit mindestens vier Geschützen bestückt, je ein Geschütz an Bug und Heck, zwei weitere in der Nähe der Brücke, aus denen auch auf U 69 kurzfristig gefeuert wurde. Zudem war das Schiff noch mit einigen leichten Bofors Fla-Maschinenkanonen bewaffnet. Im Kriegstagebuch von U 69 ist für das Gefecht folgender Munitionsverbrauch angegeben:
102 Schuss 8,8-cm Sprenggranaten
34 Schuss 8,8-cm Brandgranaten
220 Schuss MG C/30 (2-cm)
400 Schuss MG 34
U 69 setzte den Rückmarsch fort und traf am 08. Juli 1941 in St. Nazaire ein. Erst nach dem Kriege erfuhren die wenigen Veteranen, die von U 69 vor dessen Versenkung durch die Wasser-bomben des britischen Zerstörers HMS Fame am 17.02.1943 vor Neufundland wegkommandiert worden waren und den Krieg überlebt hatte, welches Schiff U 69 in der Nacht vom 02. auf den 03.07.1941 versenkt hatten. Es war der britische Dampfer Robert L. Holt mit 2.918 BRT unter seinem Kapitän John Alexander Kendall. Der Frachter fuhr im Ballast und wurde am 27.08.1941 von den Briten als vermisst angegeben. Die Schiffscrew bestand aus 42 Mann, dazu kamen noch acht Soldaten für die Bedienung der Bordgeschütze. Außerdem fand mit dem Untergang der Robert L. Holt der britische Vizeadmiral Norman Atherton Wodehouse mit seinen fünfköpfigen Stab den Tod, der bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges reaktiviert wurde, um vornehmlich als Konvoi-Kommodore zu dienen, zuletzt den Konvoi OB 337, der zuvor aufgelöst worden war und die Robert L. Holt dann nur noch als Einzelfahrer weiterfuhr. Keiner der 56 Männer an Bord der Robert L. Holt überlebte den Untergang des Schiffes. Der Dampfer sank im deutschen Marinequadrat DH 5544, was etwa der ungefähren Position 24° 15´Nord / 20° 00 West entspricht und im Seegebiet westlich der Westlichen Sahara und südlich der Kanarischen Inseln liegt.
Text: Hans-Joachim Röll und Deutsches U-Boot Museum, Bilder: Deutsches U-Boot Museum