Die letzte Fahrt

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U 977 – Eine wirklich geheimnisumwobene letzte Fahrt?

Am 06.05.1943 wurde das Typ VII C U-Boot U 977 (Verdrängung getaucht 871 t, Länge 67,1 m, Breite 6,2 m, Geschwindigkeit aufgetaucht 17,7 kn, getaucht 7,6 kn, Reichweite 8.500 sm bei 10 kn, Besatzung 44-52 Mann, Bewaffnung 4 Bug- und 2 Hecktorpedorohre, Flugabwehrgeschütze) nach seinem Bau bei Blohm & Voss in Hamburg in Dienst gestellt. Nach seiner Erstausbildung verblieb das Boot bis Februar 1945 als Schulboot in der Ostsee, um dann, seit Ende Februar 1945 auch mit Schnorchel ausgerüstet, in eine Frontausbildung zu gehen, die es über Kiel nach Horten und Kristiansand in Norwegen brachte. Am 02.05.1945 verließ U 977 um 22.00 Uhr Kristiansand für eine Einsatzfahrt in den Englischen Kanal, auf der es am 04.05.1945 den Befehl des BdU an alle deutschen U-Boote zur Einstellung von Kampfhandlungen und bei offiziellem Kriegsende am 09.05.1945 noch in See stehend die Aufforderung zur Übergabe an die siegreichen Alliierten erreichte.

Hamburg am 06.05.1943 - Indienststellung von U 977
Hamburg am 06.05.1943 – Indienststellung von U 977

153 allerdings unterschiedlich einsatzbereite U- Boote der Kriegsmarine ergaben sich ab dem 05.05.1945 den Alliierten noch in See stehend oder in deutschen oder von Deutschland noch besetzten ausländischen Häfen, die tatsächliche Übergabe erfolgte dann bis Mitte Mai 1945, die in See stehenden Booten mussten teilweise noch längere Transits in alliierte Häfen absolvieren.

p228_1_01Die Kommandanten von 3 weiteren in See stehenden U-Booten beschlossen nach Befragen ihrer Besatzungen, Boot und Besatzung der Kapitulation in europäischen oder nordamerikanischen Häfen zu entziehen und ihr Heil in anderen Ländern zu suchen, mit Übergaben, je nach Boot, erst mehrere Wochen nach ihren Kameraden: U 1277 versenkte sich am 03. Juni 1945 vor der nördlichen portugiesischen Küste selbst und die Besatzung wurde in Portugal interniert, U 530 lief bis nach Mar del Plata in Argentinien und ergab sich dort erst am 10. Juli 1945, der bekannteste Fall ist jedoch der von U 977.

Nach dem Erhalt des Befehls zur Einstellung von Kampfhandlungen und wenige Tage später zur Übergabe, befragte der Kommandant, OLtzS Heinz Schaeffer, seine Besatzung, wie sie zur Kapitulation standen und machte dabei u.a. den Vorschlag einer Fahrt zur Internierung in Argentinien. Die Mehrheit der 48-köpfigen Besatzung stimmte dem Vorschlag auf eine Fahrt nach Argentinien zu. 16 Soldaten, die den Wunsch auf Rückkehr zu ihren Familien oder vorzeitiges Aussteigen gestellt hatten, wurden am 10.05.1945 vor der norwegischen Insel Holsenöy mit Schlauchbooten abgesetzt. In den folgenden 66 Tagen fuhr U 977 mit 32 Mann an Bord zunächst ununterbrochen im getauchten Zustand unter Schnorchelnutzung in südlicher Richtung in den Atlantik und die ersten 50 Tage brachten das Boot nicht viel weiter als vor die Atlantikküste Nordafrikas.

Der Kommandant von U 977 - Heinz Schaeffer
Der Kommandant von U 977 – Heinz Schaeffer

Die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord verschlechterten sich dabei zusehends, aber die Besatzung hielt durch. Erst bei den Kapverdischen Inseln wurde am 14.07.1945 in dann aufgetauchtem Zustand ein kurzer Erholungsstopp eingelegt. Unter den nun besseren Bedingungen der Überwasserfahrt ging es Richtung Argentinien, der Äquator wurde am 23.07.1945 bei 30° W passiert. Am 17.08.1942 schließlich lief U 977 gegen 11.00 Uhr Ortszeit, wiederum nach Befragen der Besatzung zu einer möglichen alterna-tiven Selbstversenkung vor der Küste, nach 108 Tagen und über 7.600 sm seit Verlassen von Kristiansand in den argentinischen Hafen von Mar del Plata ein und ergab sich den argentinischen Behörden.

Damit ging eine seemännisch und von der Menschenführung her ganz bewundernswerte Leistung zu Ende. Die Besatzung wurde zunächst interniert, dann aber, wie ihre Kameraden von U 530, in die USA in dortige quasi-Kriegsgefangenschaft (Der Krieg mit Deutschland war ja beendet) verbracht. Nach dem Rücktransport nach Europa und einer noch kurzen britischen Gefangenschaft wurden schließlich alle bis 1946 entlassen, zuletzt der Kommandant, da dieser immer wieder zu den Umständen der Fahrt von U 977 und den vermeintlichen Rätseln dahinter befragt wurde.

U 977 war das zweite deutsche U-Boot nach U 530, welches nach Kriegsende in Argentinien eingelaufen -und bald begannen die Gerüchte um dieses Boot und den angeblich wahren Grund seiner abenteuerlichen Reise zu wuchern. Im Juli 1945 hatte der nach Argentinien emigrierte ungarische Journalist Ladiszlav Szabó in der argen-tinischen Zeitschrift „Critica“ bereits eine Theorie zur möglichen Flucht Hitlers mit einem U-Boot nach Argentinien und weiter durch Patagonien in eine angeblich heimlich in der Antarktis errichtete „Festung“ namens „Neuschwa-benland“, auch „Neuberchtesgaden“ genannt, entwickelt, das Ganze vermutlich bestärkt durch die Ankunft von U 530.

Mit dem Einlaufen von U 977 erlebte diese Theorie eine ungeahnte Aufmerksamkeit und der Kommandant hatte in der Folge sowohl durch die argentinischen, als auch später US-amerikanischen und britischen Behörden längere Verhöre u.a. zu dem Vorwurf zu ertragen, er, der „Hitler-Verstecker“, hätte heimlich Hitler nach Argentinien transportiert. Für diese Verhöre kam Heinz Schaeffer in besondere Kriegsgefangenenlager der US-Amerikaner und Briten. Szabó und andere Verschwörungstheoretiker schmiedeten weiter an den Fluchtge-schichten um Hitler, 1947 erschien sein Buch „Hitler esta vivó (= Hitler lebt) und 2006 ein weiteres Machwerk „Hitler no murio en el Bunker“ (= Hitler starb nicht im Bunker).

Es empfiehlt sich ein Ausflug in das Internet, wo allein bei google zu diesen Stichworten hunderte von Treffern erfolgen, Höhepunkt: Ein angeblicher U-Boot Konvoi der Kriegsmarine mit Hitler und seinem Gefolge zur „Festung“ in der Antarktis. U 977 soll natürlich dabei gewesen sein. Die Gerüchte um die angeblich so geheimnisumwo-bene Fahrt von U 977 konnten zwar bald entschärft werden, u.a. durch die Logbuchaufzeichnungen von U 977 und simple Raum-Zeitkalkulationen, doch sie hielten sich in Argentinien weiter und erfuhren durch das Aufspüren von ehemaligen Größen der Nationalsozialisten in Südamerika immer wieder ein Aufleben.

Heinz Schaeffer verließ Deutschland übrigens schon bald wieder nach Argentinien und heiratete 1950 in Buenos Aires. Der Kommandant von U 977 hat seine Erlebnisse wenige Jahre nach Kriegsende in Buchform veröffentlicht.

Heinz Schaeffer: "U-977 - Geheimfahrt nach Südamerika, Linen Verlag, Wiesbaden 1950, in englischer Fassung "U-Boat 977" bei William Kimber 1952 in London erschienen. Das Buch ist in verkürzter Form auch als Taschenbuch "66 Tage unter Wasser - die geheimnisumwobene U-Boot-Fernfahrt nach Argentinien" beim Erich Pabel Verlag 1986 in Rastatt veröffentlicht worden.

In der SPIEGEL-Serie „einestages“ wurde am 24.08.2011 die Geschichte von der angeblich so geheimnisvollen Fahrt von U 977 erneut dargestellt, die auch Verwendung in unserer Zusammenfassung gefunden hat.

Fp228_1_05azit:

Um das Dritte Reich und das Ende seiner Führung gibt es bis heute im anglo-amerikanischen Raum immer wieder die abenteuerlichsten Geschichten und Verschwörungstheorien. Natürlich bleibt die tatsächlich erfolgte, über 100 Tage währende Fahrt von U 977 nach Kriegsende nach Argentinien dabei nicht ungenutzt und es wird diese Fahrt zu gerne mit der ebenfalls tatsächlich, allerdings auf andere Weise erfolgten Flucht einiger national-sozialistischen Größen nach Südamerika verbunden. So fängt man bei der Spitze an, nämlich Adolf Hitler selbst und packt dann vielleicht noch das eine oder andere wertvolle Beutegut dazu, das bringt die Schlagzeilen und fördert den Verkauf von Artikeln und Büchern.

Alles das ist selbstverständlich ein wohl nie ganz zu tötender Mythos, der Kommandant hat ihn mit seinem Buch eigentlich umfassend beantwortet. Doch allein die Vorstellung des „Führers“ über 100 Tage unter solchen Bedingungen auf einem U-Boot sagt den gesunden Menschenverstand eigentlich klar genug: „Blödsinn“. Und, war da nicht der Selbstmord Hitlers am 30.04.1945 in Berlin und die danach mehrfach durchgeführten gerichtsmedizinischen Untersuchungen seiner Überreste mit seiner einwandfreien Identifizierung? Deshalb sollten wir beruhigt den Deckel der Akte U 977 ein für alle Mal zuklappen und allen weiterem Pflegen des Mythos um dieses U-Boot widerstehen können.

Text und Bildmaterial – Deutsches U-Boot-Museum

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