Geheimnisvolle Fracht
Wir beginnen die neue Serie mit U 234 und seiner letzten Fahrt.
Das getaucht rund 2.100 t verdrängende und fast 90 m lange U-Boot U 234 war nach seiner Indienststellung als großer Minenleger am 02.03.1944 ein danach noch einmal für Transportaufgaben zwischen Europa und Japan umgebautes U-Boot des Typs X B, dafür besonders wegen seiner Reichweite von über 18.000 sm bei 10 kn und seinem gewaltigen Stauraum von über 200 t Fracht im Boot und in den umgewandelten Minenschächten geeignet.
Am 25.03.1945 lief U 234 aus Kiel aus und legte zunächst Zwischenstopps in Horten, Larvik und Kristiansand in Norwegen ein, um dann am 15. April 1945 endgültig mit Ziel Japan auszulaufen. Am 19. Mai 1945 traf U 234 im US Marinestützpunkt Portsmouth ein, nachdem es bei der allgemeinen Einstellung der Kampfhandlungen nach seiner Kapitulation in See gegenüber dem amerikanischen Zerstörer USS Sutton (DE 771) am 14.05.1945 zunächst am 16.05.1945 in die Casco Bay in Maine eskortiert worden war.
An Bord befanden sich eine von vielen Geheimnissen umwitterte Fracht aus strategischen Gütern für den Kriegsalliierten Japan, darunter nachweislich eine Reihe von seltenen Rohstoffen, Konstruktionspläne von deutschen Flugzeug- und Raketenentwicklungen und Versorgungsgüter für die deutsche Botschaft in Tokio. Diese Fracht war in der Literatur und Geschichtsschreibung danach eine Quelle für zum Teil abenteuerliche Spekulationen, ja es gab nach Motiven der Fahrt von U 234 dazu in Erstausstrahlung im ZDF am 21.03.1997 einen vielbeachteten Fernsehfilm mit prominenten Schauspielern („Das letzte U-Boot“) und am 30.12.2002 in Erstausstrahlung eine seitdem öfter wiederholte SPIEGEL-TV-Dokumentation („U 234 – Tödliche Fracht“). Die Spekulationen über die Fracht, deren geplante Verwendung in Japan und deren Verbleib in den USA wurden weiter genährt durch die Gäste, die an Bord von U 234 mitfuhren, darunter ein deutscher Luftwaffengeneral, zwei japanische Offiziere und zwei Messerschmidt-Ingenieure.
Die Mythen um U 234 halten sich teilweise hartnäckig bis heute. Hauptbestandteile dieser Mythen sind die nachweislich 560 kg Uranium-Oxyd an Bord, die angeblich ein japanisches Atombomben-Programm unterstützen sollten und in Teilen sogar in der Atomwaffenproduktion der USA (angeblich sogar Bestandteil der US-Atombomben im August 1945 auf Hiroshima und Nagasaki) geendet haben sollen, sowie angeblich zerlegte V 2-Bauteile, mindestens eine (es werden teilweise sogar bis zu drei Flugzeuge genannt) komplette, aber zerlegte Me 262, und Teile von Me 163, Me 309 und Me 323, die in den USA dann entsprechende Entwicklungs-programme nachhaltig beschleunigt haben sollen. Die Me 262 Teile sollen angeblich am 16.05.1945 heimlich in Casco Bay entladen, danach auf dem US-Testflugplatz Wright Field in Dayton, Ohio mit Hilfe der Messerschmidt-Ingenieure von U 234 zusammengebaut und erfolgreich geflogen worden sein.
Ein US-amerikanischer Marinehistoriker hat die bis heute umfangreichste und seriöseste Untersuchung zu dieser letzten Fahrt von U 234 vorgelegt, aber auch er bleibt bei einigen Aspekten, insbesondere den der Fracht an Bord, im Vagen oder liegt tatsächlich falsch.
(Joseph Mark Scalia: Germany´s Last Mission to Japan – The Failed Voyage of U-234, veröffentlicht im Jahr 2000 bei der Naval Institute Press in Annapolis, USA als erweiterte Magisterarbeit seines Studiums von 1994 bis 1997. Die deutsche Ausgabe: In geheimer Mission nach Japan – U 234, dazu erschien 2002 im Motorbuchverlag und 2005 bei Ullstein als Taschenbuch)
Auch hat ein Zeitzeuge, der Oberfunkmeister an Bord von U 234, Wolfgang Hirschfeld, seine Erinnerungen an diese letzte Fahrt als Buch veröffentlicht, in seiner Erzählung aber entweder nur sehr vage oder eindeutig spekulierende Angaben zur Fracht an Bord von U 234 gemacht.
(Wolfgang Hirschfeld: Das letzte Boot, 1989 bei Universitas Verlag im München erschienen)
Was sind die Erkenntnisse von heute?
Die Gründe für die Mitnahme von besonderen Passagieren auf dieser Fahrt sind weitgehend aufgeklärt, viele von diesen haben sich nach dem Krieg auch dazu erklärt. Um diese gibt es deshalb heute auch keine größeren Ge-heimnisse mehr, gleichwohl tauchen gelegentlich neue Interpretationen auf.
Die uns bekannte Ladeliste von U 234 für seine letzte Fahrt nennt das Uranoxyd und sie führt u.a. auch Konstruktionspläne für Flugzeuge und Raketen an. Über die tatsächliche Bestimmung des Rohstoffes Uranoxyd in Japan und seine Verwendung in den USA gibt es dagegen bis heute keinerlei öffentlich zugängliche Dokumente, d.h. alles darüber Gesagte ist reine Vermutung. Anders als die nachweislich mehreren Kisten u.a. mit Konstruktionszeichnungen für Flugzeuge und Raketen sind die für den Transport angeblich zerlegten Teile von Flugzeugen oder Raketen jedoch nicht in den bisher bekannt gewordenen Ladelisten aufgeführt, zudem ist das Stauen solcher Teile in den beengten Verhältnissen an Bord und bei den Maßen der verwendeten Transportbehältnisse, einschließlich der Minenschächte, auch nur schwer vorstellbar.
Sofern nicht unveränderte Geheimhaltungsauflagen um den angeblichen Transport von Flugzeug- und Raketenteile existieren, müssen alle Aussagen dazu ebenfalls als reine Spekulation zurückgewiesen werden. Das Ermitteln der tatsächlichen Ladung wird insbesondere dadurch erschwert, dass selbst in der Geschichtsschreibung renommierter Autoren offenbar ungeprüft abgeschrieben wird, so dass sich Mythen um die letzte Fahrt von U 234 durch wiederholtes Behaupten scheinbar sozusagen selbst beweisen. Wir vom U-Boot-Archiv können nur appellieren, gesundes Misstrauen beim strammen Behaupten von solchen Mythen walten zu lassen und diesen möglichst durch auf klaren Fakten beruhenden Angaben zu begegnen.
Text und Bildmaterial – Deutsches U-Boot-Museum