Die Skaftfellingur und U 464

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Im April 2017 erreichte das Deutsche U-Boot-Museum über uboot-recherche.de eine Anfrage aus Island. Die Betreiberin eines Museums in Vík im Süden der Insel, in dem die Skaftfellingur ausgestellt wird, erkundigte sich nach Bildern von U 464 und seinem Kommandanten KptLt. Otto Harms sowie den Bootsbättern von U 464 für ihre Ausstellung. Das Museum tritt unter https://www.facebook.com/skaftfellingurmuseum/ bei Facebook auf.

Das isländische Schiff Skaftfellingur hatte am 20.08.1942 die Besatzung von U 464 nach dessen Versenkung durch ein US-Flugboot südlich von Island gerettet. Ein Mitglied der isländischen Besatzung wurde dafür noch kurz vor der Jahrtausendwende von der Deutschen Marine und dem Verband deutscher U-Boot-Fahrer bei einem Flottenbesuch von deutschen U-Booten in Island geehrt.

So viel war von vorn herein bekannt und machte diese Anfrage schon zu mehr als einer Routineanfrage. Dem Deutschen U-Boot-Museum war schnell klar, dass wir die angeforderten Unterlagen unentgeltlich als Zeichen der immer noch bestehenden Dankbarkeit und Anerkennung für die Rettung stellvertretend für deutsche U-Boot-Fahrer zur Verfügung zu stellen und einen weiteren Kontakt nach Island knüpfen wollten.

Bei der Bereitstellung der Bootsblätter stach unter diesen dann ein Artikel in der 48. Ausgabe des englischen Magazins „Warship“ vom Oktober 1988 ins Auge. In der Überschrift ist von einem „minor mistery“, einem „Rätselchen“ des zweiten Weltkrieges die Rede, das nach dem Autor des Artikels in Ungereimtheiten zwischen einer isländischen und einer amerikanischen Quelle zur Versenkung von U 464 und der Rettung seiner Besatzung bestünde. Die isländischen Quelle sei ein Bericht des Kapitäns der Skaftfellingur, nach dem die deutsche U-Boot-Besatzung nach der Rettung mit einem MG und einem Gewehr in Schach gehalten worden sei. Nach der amerikanischen Quelle, ein nicht näher beschriebener alliierter Bericht, hätte die U-Boot-Besatzung die Skaftfellingur gekapert und sich bereits auf dem Rückweg nach Norwegen oder Deutschland befunden, als diese von zwei britischen Zerstörern gestellt wurde.

Auch die renommierte Website uboat.net gibt auf ihrer Seite zu U 464 an, dass, hier nach deutschen Quellen, unter anderen eine Version der Ereignisse existiere, bei der die U-Boot-Besatzung die Skaftfellingur gekapert hätte und nur von herbeilaufenden englischen Zerstörern daran gehindert worden wäre, zurück nach Deutschland zu fahren. Die Plausibilität dieser Version wird allerdings von der Website selbst schon angezweifelt.

Dies ist für das Deutsche U-Boot-Museum Mythos genug, vor dem Hintergrund der Anfrage aus Island zu versuchen, die näheren Umstände der Versenkung von U 464 und der Rettung seiner Besatzung durch die Skaftfellingur durch verschiedene Quellen zu beleuchten und so dieser Geschichte auf den Grund zu gehen. Das Skaftfellingur-Museum stellte uns dankenswerter Weise eine Abhandlung über das Schiff und seine Geschichte zur Verfügung. In ihr sind auch ausführlichere, lange nach den Ereignissen getätigten Aussagen des Besatzungsmitglieds Andrés Gestsson über die Rettungsaktion, enthalten. Mit diesen und anhand eines ausführlichen britischen Berichts über die Vernehmung der Kriegsgefangenen von U 464 soll im Folgenden rekonstruiert werden, was sich am wahrscheinlichsten am 19. und 20.08.1942 im Seegebiet südlich von Island zugetragen hat um so dieses „Rätselchen“ des 2. Weltkrieges um die Skaftfellingur und U 464 zu erhellen.

U 464 – KptLt. Otto Harms

Lesen Sie hier: Die Geschichte von U 464

Am 14.08.1942 verließ das deutsche Versorgungs-U-Boot U 464 Bergen zu seiner ersten Versorgungsfahrt in den Nordatlantik. Sein Kurs führte es nördlich der Färöer-Inseln durch den Rosengarten, ein so im U-Boot-Jargon bezeichnetes, von den Briten stark vermintes, großes Seegebiet nördlich der Britischen Inseln in den offenen Nordatlantik. Bei Tag fuhr das Boot in 70 m getaucht, um vor gegnerischen Flugzeugen und Minen geschützt zu sein, nachts marschierte es zum Aufladen seiner Batterien aufgetaucht. Als es sich am 20.08. südlich von Island befand blieb es, anders als die vorhergehenden Tage bei Tagesanbruch noch an der Oberfläche, anstatt zum Unterwassermarsch zu tauchen.

Das amerikanische Flugboot – Lt. Robert B. Hopgood

Am 20.08.1942 um 02:54 Uhr Ortszeit startete ein PBY-5A-1 Catalina-Flugboot der Patrol Squadron VP-73 der US-Navy von seinem Stützpunkt am Skerja-Fjord unmittelbar westlich von Reykjavik. Die Order für die 8-köpfige Besatzung unter dem Piloten Lt. Robert B. Hopgood lautete, eine britische Einsatzgruppe, die sich auf dem Marsch zu einer Minenoperation in der Dänemarkstraße (Operation SN73) befand, im Seegebiet südlich von Island zu eskortieren. Dieser Einsatz fand unter relativ schlechten Wetterbedingungen statt. Es war bedeckt mit starken Winden, schwerer See und vermehrt auftretenden Regenböen.

Eine PBY-5A 1943 über den Aleuten

Nach einer Flugzeit von knapp über zwei Stunden wurde in der Nähe des Rendezvous-Punktes kurz vor dem erwarteten Eintreffen der Einsatzgruppe um 05:01 Uhr ein isländischer Fischer gesichtet. Kurze Zeit später kam in etwas unter 5 km Entfernung ein Umriss in Sicht. Zuerst nahm die Crew der Catalina an, dass es sich um einen Zerstörer der Einsatzgruppe handelte und feuerte Signalraketen als Erkennungssignal ab. Bei einer Entfernung von ungefähr 2 km und einer Flughöhe von 150 m konnte das Objekt dann als langsam aufgetaucht fahrendes U-Boot identifiziert werden. Das Flugboot verringerte darauf hin seine Höhe und setzte zum Angriff an. Es warf seine gesamte Bombenladung von 6 Mark XVII-Wasserbomben auf das U-Boot ab. Eine Bombe löste jedoch nicht aus und verblieb am Flugzeug. Jeweils eine der abgeworfenen Bomben explodierte an der Back- bzw. Steuerbordseite vom U-Boot, während drei von ihnen auf seinem Deck einschlugen. Als Wasserbomben ohne Aufschlagzünder detonierten diese natürlich nicht, da sie ihre eingestellte Tiefe von 8 m noch nicht erreicht hatten. Dies sollte sich ändern, nachdem die Bomben von der Besatzung des Bootes kurze Zeit später hastig ins Wasser geworfen worden waren. Durch die Explosion dieser Bomben entstand an Bord des U-Bootes zusätzlich zu den Beschädigungen der beiden unmittelbar explodierten Bomben noch weiterer schwerer Schaden. Nach Abwurf seiner Bombenlast begann die Catalina über dem U-Boot zu kreisen und eröffnete das Feuer aus seinen Maschinengewehren vom Typ Browning M2 (.50 cal= 12,7 mm) und M1919 (.30 cal=7,62 mm). Auch auf dem U-Boot wurden die Flakgeschütze bemannt und das Feuer auf das Flugboot eröffnet, das, nachdem es einen Kreis in den Wolken geflogen war, zu einem weiteren Angriff auf das U-Boot ansetzte. Dieses war durch die Bomben stark beschädigt, es hatte Schlagseite nach Steuerbord, verlor große Mengen Öl und steuerte unregelmäßige Kurse. Sein Flakfeuer war allerdings noch relativ genau, so dass die Catalina gebührenden Abstand zu ihrem Ziel halten musste und daher das Zielen mit Leuchtspurmunition seiner MGs kaum noch möglich war. Lt. Hopgood entschloss sich daher, außerhalb der Flak-Reichweite des U-Bootes in den Wolken Fühlung zu halten und per Funk Überwasserstreitkräfte herbeizurufen. Um 05:29 Uhr meldete die Catalina die Position des U-Bootes an seinen Stützpunkt. Als das U-Boot gegen 06:00 Uhr in eine Regenflage fuhr, verlor die Catalina den Kontakt und nahm wieder Kurs auf die britische Einsatzgruppe, welche sie gegen 06:30 Uhr erreichte. Per Lichtsignal teilte die Catalina dann die Position des Angriffs auf das U-Boot mit. Nach einer Stunde forderte sie beim Kommandeur der Einsatzgruppe einen Kreuzer an, um das etwa 10 Meilen entfernte, beschädigte U-Boot zu jagen und möglicherweise auch aufzubringen. Die beiden Zerstörer der Einsatzgruppe HMS Castleton und HMS Newark erhielten darauf hin den Befehl das U-Boot zusammen mit der Catalina zu jagen.

PBY-5As des Geschwaders VP 73 kehren 1942 in ihren Stützpunkt bei Reykjavik zurück. Fotos: US-Navy

Um 08:26 Uhr erreichten die beiden Zerstörer den Ort des Geschehens. Die See war von Öl bedeckt und einige Wrackteile schwammen umher, daher nahm man an, dass das U-Boot inzwischen gesunken sei und vermeldete dies per Funk. Kurz darauf kam dann ein mit Menschen überfülltes, isländisches Fischerboot in Sicht. Die Castleton ging längsseits um mit seinem Kutter die U-Boot-Besatzung zu übernehmen, während die Newark das Prozedere deckte. Um 09:36 Uhr befanden sich alle Männer des U-Bootes an Bord der Castleton. Danach kehrten beide Zerstörer mit großer Fahrt zu ihrem Verband zurück und konnten um 13:20 Uhr ihre Positionen im Sicherungsschirm der Einsatzgruppe wieder einnehmen.

Lt. Hopgood und seiner Besatzung wurde nach diesem Einsatz die Versenkung von U 464 zugesprochen. Sie erhielten zunächst vom damaligen Stützpunktkommandanten Cmdr. Daniel V. Gallery ein von ihm privat auf deutsche U-Boote ausgesetztes Kopfgeld von 20 $. Schon zu dieser Zeit begann Gallery, sich die Aufbringung eines deutschen U-Bootes zum Ziel zu setzen, welches er mit U 505 am 04.06.1944 schließlich auch verwirklichen sollte. Für seinen heldenhaften Einsatz, den Angriff auf das U-Boot nach Abwurf der Bomben nur mit Bord-MGs trotz Flakfeuer des U-Bootes fortgesetzt zu haben, wurde Lt. Hopgood das Navy Cross, die zweithöchste amerikanische Tapferkeitsauszeichnung nach der Medal of Honor, verliehen.

Die Skaftfellingur – Kapitän Páll Þorbjörnsson

Am frühen Morgen des 20.08.1942 befand sich das ca. 60 t große, isländische Fischerboot Skaftfellingur mit seiner Ladung von Fisch auf Eis in stürmischer See auf dem Weg von den Westmännerinseln südlich vor Island nach Fleetwood, einem englischen Hafen 60 km nördlich von Liverpool. Das nur knapp über 10 m lange Holzschiff war im Jahre 1918 von einer Aktiengesellschaft im südisländischen Verwaltungsbezirk Skaftafell bei einer dänischen Werft erworben worden. Mit der Skaftfellingur, von den Engländern vereinfacht auch „Shaft Felling“ genannt, sollten Waren und auch Passagiere zwischen dieser, auf dem Landweg nur schwer zugänglichen Region Islands und der Hauptstadt Reykjavik transportiert werden. Mit Heimathafen Reykjavik und mit wechselnden Besatzungen erfüllte die Skaftfellingur diese Aufgabe rund 20 Jahre lang, bis der Bau einer Straße von Reykjavik ins Skaftafell das Frachtaufkommen auf dem Seeweg drastisch reduzierte. Sie wurde daher an einen der größten Unternehmer der Westmännerinseln verkauft, der sie zur Fischerei und zum Transport von Fisch von Island nach Fleetwood, einem größeren Fischereizentrum an der Westküste Englands einsetzte. Mit Ausbruch des 2. Weltkrieges wurde diese Route besonders lukrativ, da ein erheblicher Teil der isländischen Fischereiflotte von diesem Zeitpunkt an zu Transportzwecken in britischen Diensten stand, allerdings wegen der Kriegshandlungen auch mit einem erhöhten Risiko verbunden, wie beispielsweise einige Angriffe deutscher U-Boote auf isländische Fischereifahrzeuge belegen.

Unter seinem Kapitän Páll Þorbjörnsson war die Skaftfellingur kurz nach Mitternacht am 19.08.1942 von den Westmännerinseln zu einer dieser Fischtransportfahrten in See gestochen. Nach ereignislosen ersten 24 Stunden wurde sie von einem alliierten Flugzeug, der Catalina von Lt. Hopgood überflogen, das Lichtsignale sendete, die an Bord der Skaftfellingur allerdings nicht entziffert werden konnten. Die Skaftfellingur hatte übrigens kein Funkgerät an Bord. Kurz nach 06.00 Uhr am 20.08.1942 kam steuerbord voraus ein Objekt in Sicht, das zunächst für ein Rettungsboot gehalten wurde. Bei näherer Betrachtung stellte es sich dann als U-Boot heraus, dessen Nationalität durch das Fehlen von Hoheitsabzeichen aber nicht bestimmt werden konnte. Die Besatzung wurde an Deck befohlen. Die Skaftfellingur ging auf der Luvseite längsseits zum U-Boot. Dessen Schlagseite sowie seine Beschädigungen sprangen sofort ins Auge und so wurden Vorbereitungen getroffen, die U-Boot-Besatzung aufzunehmen.

Zuerst wurde versucht, ein kleineres Rettungsfloß an einem Seil zum U-Boot herüber zu lassen. Der Knoten am Seil löste sich aber und so trieb das Floß ab. Darauf hin begab sich die Skaftfellingur auf die Leeseite von des U-Bootes. Die isländische Besatzung begann Seile zum U-Boot herüber zu werfen, die aber zunächst nicht von der U-Boot-Besatzung aufgenommen wurden. Die Deutschen begannen dann aber ins Wasser zu springen und mussten Mann für Mann von den Isländern aufgefischt werden. Da die Männer im Wasser zusehends auseinander trieben nahm die Rettungsaktion trotz der Mithilfe der bereits an Bord genommen Deutschen bei schlechtem Wetter knapp 2 Stunden in Anspruch. Bevor U 464 schließlich durch Öffnen der Flutventile gegen 08:15 Uhr versank, sprang KptLt. Harms als letzter Mann ins Wasser, nachdem er noch die Reichskriegsflagge gesetzt hatte.

Die Besatzung von U 464 wurde freundlich von den Isländern aufgenommen. Sie versuchte sich so gut wie möglich auf dem völlig überfüllten kleinen Schiff zu verteilen. Einige der Männer waren durch längere Zeit im kalten Wasser in sehr schlechtem Zustand und dem Erfrieren nahe. Sie wurden von Kapitän Þorbjörnsson mit Schnaps und heißem Kaffee versorgt. Ein Mitglied der Besatzung von U 464 sprach fließend Isländisch, weitere Besatzungsmitglieder zumindest einige Brocken, so dass man sich zumindest rudimentär verständigen konnte. Gelegenheit, tiefere Bande zu den Isländern zu knüpfen oder vielleicht sogar den Plan zu fassen, die Skaftfellingur zu kapern und mit ihr zurück nach Norwegen zu fahren, dürfte die Besatzung von U 464 nicht gehabt haben, da keine 15 Minuten nach dem Sinken des U-Boots und dem Ende der Rettungsaktion bereits die beiden britischen Zerstörer auf der Bildfläche erschienen und die Deutschen in Kriegsgefangenschaft nahmen. Kapitän Þorbjörnsson soll nach Abgabe der U-Boot-Besatzung gegenüber den Allierten seine Erleichterung darüber zum Ausdruck gebracht haben, seine Passagiere nun los zu sein. Ihn beschlich unter Umständen doch ein mulmiges Gefühl bezüglich der Waffen an Bord der Skaftfellingur, einem Gewehr mit 5 Schuss und einem Maschinengewehr mit 90 Schuss Munition, die er unmittelbar nach Sichtung von U 464 laden und in seiner Kajüte bereitlegen lassen hatte. Später beim Wuling an Bord fielen diese Waffen dann in deutsche Hände. Sie wurden aber anscheinend nur kurz interessiert in Augenschein genommen und nicht gegen die Isländer gerichtet.

Nach Entlassung durch die britischen Zerstörer setzte die Skaftfellingur wieder Kurs auf Fleetwood. Dort angekommen meldete Kapitän Þorbjörnsson die Vorkommnisse des 20.08.1942 den zuständigen Marinebehörden. Er wurde sofort zum Verhör einbestellt und sein Schiff von der britischen Militärpolizei vom Kiel bis zur Mastspitze gründlichst durchsucht. Sämtliche Gegenstände, die die Deutschen an Bord gelassen hatten, wurden konfisziert. Nach einigem Hin und Her und dem Verfassen eines schriftlichen Berichtes wurde Kapitän Þorbjörnsson schließlich von den britischen Marinebehörden entlassen.

Die Skaftfellingur verbrachte den Rest des Krieges damit, auf seiner angestammten Route zwischen den Westmännerinseln und Fleetwood Fisch und andere Güter zu transportieren. Nach dem Krieg verkehrte sie zwischen isländischen Häfen. Wenn es nichts zu transportieren gab, wurde die Skaftfellingur auch zur Fischerei genutzt. 1959 brachte eine neue, moderne Verkehrsverbindung, dieses Mal in Form eines Linienverkehrs mit einer modernen Fähre zwischen Reykjavik und den Westmännerinseln, die Skaftfellingur wie Mitte der 30er Jahre um ihr Frachtaufkommen. Sie wurde 1960 auf Land gelegt und nachdem sie 1962 und 63 noch zum Transport von Fisch nach England und Dänemark eingesetzt wurde, im Oktober 1974 endgültig außer Dienst gestellt. Auf Land gelegt war die Skaftfellingur von da an dem rauhen isländischem Klima sowie auch Vulkanasche schutzlos ausgesetzt und verfiel zusehends. Dennoch zog sie einige Besucher der Westmännerinseln als Touristenattraktion an.

1997 suchte die damalige Eigentümerin der Skaftfellingur, die isländische Künstlerin Sigrun Jönsdottir nach noch lebenden Besatzungsmitgliedern von U 464, um sie mit zwei noch lebenden Rettern zusammenzubringen und ihnen Gelegenheit zu geben, sich für die Rettung zu bedanken. Ein Solches Treffen kam zwar nicht zustande, der zweite Ingenieur der Skaftfellingur Jón Hjálmarsson wurde aber am 01.07.1999 stellvertretend für die gesamte isländische Crew bei einem Empfang im Rahmen eines Besuches von deutschen U-Booten mit ihrem Begleitschiff in Reykjavik ausgezeichnet und geehrt.

Die Skaftfellingur im Jahre 2017

Im Jahr 2000 wurde die Skaftfellingur gereinigt und mit schützenden Planen versehen. Im Jahre 2001 wurde sie per Sattelschlepper zum weiteren Verbleib nach Vík, der südlichsten Gemeinde Islands, gebracht. Dort wurde das inzwischen stark zerfallene Schiff konserviert und in einer eigenen Halle untergebracht, wo es in eine kleine Austellung eingebettet heute als Museumsschiff zu besichtigen ist.

Fazit:

Das „Rätselchen“ bestand, wie beschrieben, aus Ungereimtheiten zwischen den Aussagen von Kapitän Þorbjörnsson und einem alliierten Bericht. Der Autor des Artikels in der „Warship“ verzichtet zwar in dem Magazin auf eine genaue Quellenangabe, allem Anschein nach handelt es sich aber auch um den britischen Vernehmungsbericht der Besatzung von U 464. In diesem ist allerdings keine Rede davon, dass die U-Boot-Besatzung die Skaftfellingur übernommen hätte. Es hätte bei den britischen Zerstörern lediglich gewisse, Verdachtsmomente gegen die Skaftfellingur gegeben, auf die aber nicht näher eingegangen wird. Einige Besatzungsmitglieder hätten zudem ausgesagt, dass Kapitän Þorbjörnsson angeblich dazu bereit gewesen wäre, die Deutschen zurück nach Norwegen zu bringen.

Bei dem erwähnten Bericht von Kapitän Þorbjörnsson handelt es sich wahrscheinlich um den, welchen er noch in Fleetwood für die britischen Marinebehörden abfassen musste. Gegenüber den Alliierten wollte er sicher die gegen ihn bestehenden Verdachtsmomente ausräumen. Seine Fahrlässigkeit, die feuerbereiten Waffen der Skaftfellingur bei der Bergung der deutschen Schiffbrüchigen offen an Bord herumliegen zu lassen, wollte Kapitän Þorbjörnsson den britischen Marinebehörden sicherlich auch nicht unbedingt auf die Nase zu binden und so ersann er sich für die Alliierten wohl die Geschichte von der mit Waffen auf dem Vorderdeck in Schach gehaltenen deutschen U-Boot-Besatzung, die allerdings schon damals von den britischen Marinebehörden stark angezweifelt wurde. Da man aber gegen Kapitän Þorbjörnsson nichts weiter in Hand hatte, ließ man von ihm ab.

Die diesem „Rätselchen“ zugrunde liegenden Ungereimtheiten zwischen diesen zwei Quellen rühren also daher, dass eine dieser Quellen, Kapitän Þorbjörnssons Bericht, erstunken und erlogen ist. Die andere Quelle, der Vernehmungsbericht, wurde vom Autor des Warship-Artikels anscheinend in Teilen fehlinterpretiert und so entstand die Legende der deutschen Kaperung der Skaftfellingur, die auf der Seite uboat.net bis heute Bestand hat.

Die Aussagen von Andrés Gestsson anderseits lassen sich sehr gut mit dem alliierten Vernehmungsbericht in Einklang bringen. Es gibt zwar einige zeitliche Diskrepanzen zwischen dem minutiösen alliierten Bericht und den eher vagen Zeitangaben von Gestsson. Diese lassen sich aber am ehesten dadurch erklären, dass er zum einen während der damaligen Ereignisse anscheinend nicht auf die Uhr geschaut hat und ihn zum anderen möglicherweise seine Erinnerung bei der Tätigung seiner Aussagen lange nach Krieg ein wenig trog. Die Angaben in britischen Vernehmungsbericht hingegen sind z.T. auf die Minute genau. Sie entstammen den Kriegstagebüchern der beteiligten Einheiten, so dass diesbezüglich eher ihnen als Gestssons Aussagen Glauben geschenkt werden sollte.

Wenn die Besatzung von U 464 tatsächlich die Männer der Skaftfellingur überwältigt und das Schiff übernommen hätte, hätte dies mit Sicherheit seinen Niederschlag in den Quellen gefunden. Dies ist aber nicht Fall und so darf auch die Kaperung der Skaftfellingur als Legende angesehen werden.

Weblinks:

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Quellen:

  • Arnþór Helgason und Sigtryggur Helgason: Saga Skaftfellings VE.33, Reykjavik 2002
  • H. C. Hutson: The Loss of U 464 – A minor mistery of World War II, in Warship Ausgabe 48, London 1988

Text: Kai Steenbuck – Fotos: Deutsches U-Boot-Museum, US-Navy