Strandgut – Oktober

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U-Boot-Wrack aus dem 1. Weltkrieg im Nordkanal endeckt

Bei Arbeiten für die Verlegung der unterseeischen Hochspannungsleitung Western Link ist das britische Unternehmen Scottish Power in der Irischen See auf das Wrack eines deutschen U-Bootes aus dem ersten Weltkrieg gestoßen. Die sich noch in Bau befindliche Stromautobahn Western Link soll bei einer Gesamtlänge von 422 km, von denen sich 385 unter Wasser befinden, erneuerbare Energien von Schottland durch den Nordkanal und die Irische See nach Wales transportieren. Das Projekt, das voraussichtlich 1,1 Milliarden Euro kosten wird, ist die weltweit erste unterseeisch verlegte 600 kV Gleichstromleitung.

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Sonaraufnahme des gefundenen U-Boot-Wracks. Bild: Scottish Power

Bei Vermessungsarbeiten für Western Link wurde das Wrack Mitte Oktober im Nordkanal ca. 50 km nordwestlich von Stranraer in 104 m Tiefe entdeckt. Scottish Power ließ Multibeam-Sonaraufnahmen anfertigen und legte diese dem Historiker und Meeresarchäologen Innes McCartney von der Universität Bournemouth zur Begutachtung vor. Dieser kommt zu dem Schluss, dass es sich bei dem gefundenen U-Boot um eines des Typs UB III handeln würde, dessen einzelne Einheiten nur durch – wenn auch sehr hoch auflösende und detaillierte – Sonarbilder nicht zu unterscheiden seien. Somit könne nur durch nähere Untersuchungen durch Taucher möglicherweise festgestellt werden, um welches Boot es sich handelt. Die Fundstelle des Wracks befände sich zwischen zwei überlieferten Untergangsstellen von UB III-Booten: SM UB 82 und UB 85.

Gestrandete UB III-Boote bei Falmouth, im Vordergrund UB 86

Das Wrack ist wahrscheinlich n i c h t UB 85

UB 82 sank nach den Unterlagen des U-Boot-Archivs am 17.04.18 40 km nordwestlich der Fundstelle des Wracks durch Wasserbomben von zwei Trawlern.

Auf seiner zweiten Feindfahrt unter seinem Kommandanten Kptlt. Günther Krech wurde UB 85 nach Aussagen von Überlebenden der Besatzung, die dem U-Boot-Archiv vorliegen,  am 30.04.1918 im nördlichen Firth of Clyde nach einer Tauchpanne aufgegeben und versenkt. Zunächst vom Admiraltry Drifter HMS Coreopsis II gestellt und unter Beschuß genommen tauchte das Boot zunächst weg, erlitt aber einen schweren Wassereinbruch über das nicht ganz geschlossene Turmluk und musste dadurch durch Notanblasen auftauchen, was das Boot in der Folge zunächst tauchunklar machte. An der Oberfläche wurde es sofort von der Coreopsis II und mehreren anderen kleineren Kriegschiffen unter Feuer genommen und von seiner Besatzung aufgegeben.

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Der Canadian Drifter CD 27 als Beispielbild für einen Admiralty Drifter

Die HMS Coreopsis II ist nicht zu verwechseln mit der HMS Coreopsis, wie schon bei der Pressemitteilung von Scottish Power und damit auch bei allen über den Fund des Wracks berichtenden Medien geschehen. Bei der Coreopsis II handelt es sich um einen Admiraltry Drifter, ein sehr kleines Kriegschiff mit einer Verdrängung von 88 t. 1911 als ziviler Fischkutter gebaut wurde sie 1915 von der Royal Navy angemietet, mit einem 56 mm-Geschütz bewaffnet und für den Royal Naval Patrol Service in Dienst gestellt.  Der Namenszusatz II wurde erst nach der Indienststellung einer neuen HMS Coreopsis ab November 1917 geführt, da der Drifter das wesentlich kleinere Schiff war. Die neue Coreopsis war eine Sloop der späten Flower-Klasse der Royal Navy mit einer Verdrängung von 1.311 t, mithin um ein vielfaches größer. Diese Klasse von Kriegschiffen wurde entwickelt um wie normale Handelsschiffe aussehend Geleitzüge zu eskortieren. Die Schiffe wurden auch als Q-Ships oder U-Boot-Fallen bezeichnet . Die Aussagen der Besatzungsmitglieder von UB 85 beschreiben die angreifenden britischen Schiffe eindeutig als Fischkutter, ein Irrtum ist bei dem Größenunterschied zwischen Drifter und Sloop nahezu ausgeschlossen.

BRITISH SHIPS OF THE FIRST WORLD WAR (SP 148) HMS COREOPSIS. Copyright: © IWM. Original Source: https://www.iwm.org.uk/collections/item/object/205119280
Die als Handelsschiff getarnte Sloop HMS COREOPSIS. Bild: © IWM. Original Source: https://www.iwm.org.uk/collections/item/object/205119280

Die Coreopsis II war in Kirkcaldy am Nordufer des Firth of Forth stationiert und wurde hauptsächlich zum Legen und Warten von Netzsperren eingesetzt. Durch den Forth and Clyde-Kanal konnte sie zwar relativ schnell in den Firth of Clyde und damit zum überlieferten Versenkungsort von UB 85 dort gelangen. Wenn es sich aber bei dem im Oktober 2016 gefundenen U-Bootwrack um UB 85 handelt, müsste die Begegnung mit der Coreopsis II mitten auf dem Nordkanal stattgefunden haben, was angesichts des Einsatzzweckes dieses Drifters und den damit verbundenen sehr küstennahen Einsatzgebieten unwahrscheinlich erscheint.

Auch sind nicht von allen verloren gegangenen UB III-Boote die Versenkungsorte bekannt, manchmal besteht nicht einmal über das Seegebiet Gewissheit, wie beispielsweise bei UB 63, so dass man durchaus noch mehr Boote für das gefundene Wrack in Erwägung ziehen müsste.

Die Seeungeheuer-Legenden

Um UB 85 ranken sich allerdings, in den letzten Jahren gerade auch im Internet, Legenden über eine der Versenkung vorausgehende Attacke eines Seeungeheuers.

Die Legenden besagen, dass UB 85 nach ungewöhnlich wenig Widerstand von seiner Besatzung aufgegeben worden sei. Nachdem sie von der Coreopsis [sic!] aufgenommen worden wäre, hätte der Kommandant des Bootes ausgesagt, sein Boot sei in der Nacht zuvor von einem Seeungeheuer angegriffen worden. Als in der Nacht er mit einigen Besatzungsmitgliedern einen schäumenden Strudel backbord am Bug begutachten wollte, sei plötzlich eine Kreatur aus dem Wasser geschossen und hätte die Seite des Bootes so erklommen, dass es Schlagseite bekommen hätte. Der Kommandant hätte Bedenken gehabt, dass das Boot unter Schlagseite durch das offene Turmluk vollaufen könnte und hätte das Feuer aus Handfeuerwaffen eröffnen lassen, unter dem die Kreatur vom Boot abgelassen hätte und verschwunden wäre. Nach Beschreibung des Kommandanten hätte sie große Augen in einem verhornten Schädel und einen kleinen Kopf mit Zähnen, die Mondlicht glitzerten gehabt. Das Deckgeschütz sei demoliert und zerkratzt gewesen und die Schäden im Vorschiff so schwer, dass das Boot tauchunklar gewesen sei. Die Besatzung sei regelrecht erleichtert gewesen, in britische Kriegsgefangenschaft geraten zu sein, da sie sich dort quasi in Sicherheit befände.
Diese Legende ist wahrscheinlich schon kurz nach dem Krieg in England entstanden und wird seit dem von interessierten englischsprachigen Kreisen, die sich auch als Kryptozoologen bezeichnen auch im Internet wieder freudig aufgegriffen, ungeachtet der Tatsache, dass es keine nachprüfbaren Hinweise auf diese Geschichte gibt.

UB 85 ist indes nicht das einzige deutsche U-Boot des ersten Weltkrieges, das angeblich eine Begegnung mit einem Seeungeheuer gehabt hätte. Am 30 Juli 1915 versenkte U 28 ca. 60 sm südwestlich von Fastnet in Südirland den britischen Frachter Iberian (5.223 BRT) durch einen Torpedo. Der Kommandant von U 28, Kptlt. Georg-Günther Freiherr von Forstner, hätte nach einer Legende im Jahre 1933 ausgesagt, dass die Iberian besonders schnell gesunken sei und dass ca. 25 s nach dem Untergang eine gewaltige Unterwasserdetonation zwischen Trümmern eine Kreatur 20 m aus dem Wasser geschleudert hätte. Bei der Kreatur hätte es sich um ein ca. 20 m langes Salzwasserkrokodil mit vier Beinen, spitz zulaufendem Kopf und einem langen Schwanz gehandelt. Auch für diese Legende gibt es keinerlei Beweise, von Forstners Aussagen sind natürlich nicht offiziell aufgezeichnet worden. Bei den beiden Begegnungen mit mutmaßlichen Seeungeheuern handelt es sich quasi um Legenden zweiten Grades, da nur Legenden besagen, dass bestimmte Personen eine Legende erzählt hätten. Die typische mit einem Fragezeichen versehene Schlagzeile einer reich bebilderten Tageszeitung, die die Versenkung von UB 85 möglicherweise dem Seeungeheuer zurechnet, obwohl dies selbst der Legende nach nicht der Fall gewesen sei, zeigt zudem, wie sich Legenden bei der Weitergabe auch verändert werden können.

Weblinks:

Entdeckung des Wracks:

Die Legenden:

Israel plant den Kauf von drei U-Booten in Deutschland

Am Freitag, den 21.10.2016 bestätigte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter auf einer Regierungspressekonferenz, das Israel plane, drei weitere U-Boote bei ThyssenKrupp Marine Systems in Auftrag zu geben. Dazu würden noch „Abstimmungsgespräche auf verschiedenen Ebenen zur Auslotung einer möglichen deutschen Unterstützung einschließlich der Modalitäten einer finanziellen Beteiligung“ stattfinden.

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Ein U-Boot der Dolphin-Klasse bei der HDW in Kiel, von Bjoertvedt, CC BY-SA 3.0

Die Anfrage bezog sich auf einen zuvor veröffentlichten Artikel der israelischen Tageszeitung Ma’ariv, der berichtet, das Israel und Deutschland nach geheimen Verhandlungen vor der Unterzeichnung einer Absichtserklärung über den Kauf von weiteren 3 Booten der vom Ingenieurkontor Lübeck entwickelten Dolphin II-Klasse zum Gesamtpreis von 1,2 Milliarden Euro stehen. Die Boote mit Brennstoffzellenantrieb sollen wieder bei ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) in Kiel gebaut werden.

Aus dem israelischen Militär und der israelischen Wirtschaft sei Kritik an diesem Geschäft laut geworden. So sei es überhastet und ohne ausreichende Prüfung von möglichen günstigeren Alternativen vereinbart worden. Außerdem sei man der Ansicht, dass bei Ausüben von mehr politischem und wirtschaftlichen Druck ein günstigerer Preis hätte erreicht werden können und verwies dabei auf die Schwierigkeiten, in denen sich TKMS gerade befände (siehe Strandgut Juni). Befürworter halten dem entgegen, dass die Wartung und Logistik einfacher wären, wenn alle Boote vom gleichen Hersteller kämen. Außerdem sei auf die technologische Führerschaft Deutschlands im Gebiet der U-Boot-Konstruktion hingewiesen worden.

Auf deutscher Seite wird vor allem kritisiert, dass die Boote durch ihre 4 Rohre mit dem großen Kaliber 650 mm zum Abschuss von Nuklearwaffen genutzt werden könnten. Es seien außerdem Waffenexporte in eine Krisenregion außerhalb der Nato und stünden daher im Widerspruch zu sonstigen politischen Grundsätzen der Bundesregierung. Seit den 50er Jahren begründet die Bundesregierung Rüstungsexporte an Israel mit einer historischen Verantwortung Deutschlands für Israels Sicherheit, zu der sich die Bundesregierung nach Aussagen von Georg Streiter unverändert bekenne.

Quellen:

 

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