Kriegsmarine Teil I

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Die U-Boote der Kriegsmarine zwischen 1935 und 01.09.1939 (Teil 1)

Eine Fülle von in- und ausländischer Literatur ist über die U-Boote der Kriegsmarine im Zweiten Weltkrieg geschrieben worden und immer wieder erscheinen neue Bücher und Aufsätze über die deutschen U-Boote dieser Zeit. Sehr schwierig wird es hingegen, Darstellungen zum Aufbau einer deutschen U-Bootwaffe und zu der Ausbildungs- und Übungstätigkeit der deutschen U-Boote in der Zeit vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges am 01.09.1939 zu finden. Der Internet-Kundige endet nach dem Eintippen entsprechender Stichworte bei „Google“ und anderen Suchmaschinen nach nur wenigen Treffern sofort wieder bei den epischen Angeboten von Literatur, Artikeln und Bilden zum Geschehen im U-Bootkrieg 1939-1945.

Da es nur wenige Gesamtdarstellungen über die ersten Jahre der U-Bootwaffe der Kriegsmarine gibt, oft nur als einleitende Kapitel von Gesamtdarstellung zum U-Bootkrieg ab 1939, ist man gezwungen, sich durch ältere, meist noch in der Zeit 1935-1945 geschriebene Bücher und Artikel in Zeitschriften und Periodika wie „Köhler´s Flottenkalender“, „Nauticus“ oder solcher in der in- und ausländischen Tagespresse dieser Jahre zu arbeiten, um etwas über die frühen Jahre der U-Boote der Kriegsmarine zu erfahren.

Nachfolgend soll deshalb ein kurzer Überblick über den konzeptionellen Rahmen, den Aufbau und das Ausbildungs-und Übungsgeschehen bei der jungen U-Bootwaffe der Kriegsmarine vor Beginn des Zweiten Weltkrieges erfolgen, dabei soll auch das Geschehen außerhalb der heimischen Gewässer betrachtet werden, einschließlich von Auslandsreisen der U-Boote. Es soll auch ein weiteres Mal dem Mythos nachgegangen werde, inwieweit die U-Boote in die Kriegsvorbereitungen des Deutschen Reiches unter Adolf Hitler eingebunden waren.

Rüstung

Bekanntlich war dem Deutschen Reich im Versailler Vertrag v. 28.06.1919 (formal in Kraft am 10.01.1920) nur noch eine Marine mit einer Kopfstärke von 15.000 und einer Gesamttonnage aller Komponenten der Flotte von nicht mehr als 144.000 to gestattetet. Wesentlich aber, dass sowohl die Entwicklung, als auch Bau und Betrieb von U-Booten ganz verboten worden war. Gleichwohl kam es zu verdeckten Aktivitäten des Deutschen Reiches, die vorhandenen Fähigkeiten in der U-Boot-entwicklung und -bau zu erhalten, dieses zumeist im Ausland, so z.B. in den Niederlanden, der Türkei, Finnland und Spanien.

Mit der Regierungsübernahme durch die NSDAP am 30.01.1933 beginnend wurden die Restriktionen des Versailler Vertrages in vielen Bereichen nicht mehr eingehalten, so auch im U-Bootbau. Dabei nahm die neue Reichsregierung Pläne zur Schaffung einer U-Bootflotte von zunächst 16 U-Booten (acht 500 to Boote und acht 800 to Boote) auf, die schon vor Januar 1933 formuliert worden waren, als Baubeginn dafür war der Herbst 1933 ange-dacht. Dennoch war die Schaffung einer U-Bootwaffe in den Flottenbauplänen immer nur eine nachrangige Ange-legenheit, das Schwergewicht der Rüstungsplanung lag auf dem Bau größerer Panzerschiffe und anderer Überwassereinheiten. Für die geplante U-Bootwaffe bedeutete dies andererseits die Konzentration auf zunächst den Bau von kleinen 250 to – Booten, um wenigstens bessere Stückzahlen zu erreichen. Zudem waren die Einsatzmöglichkeiten des U-Bootes durch die Fortentwicklung des Kriegsvölkerrechts stark eingeschränkt. Unter den neuen politischen Rahmenbedingungen ging die Schaffung einer U-Bootwaffe nun aber offen und rasch weiter: Schon am 02.02.1933 wurde die Einrichtung einer U-Bootausbildungseinrichtung, interessanterweise immer noch unter der unverfänglichen Bezeichnung „U-Bootabwehrschule (AUS)“, in Kiel-Wik zum 01.10.1933 angeordnet und ab Herbst 1933 sollte dann der Bau der ersten U-Boote bei den Deutschen Werken in Kiel (DWK) beginnen.

U-1 im Baudock bei den Deutschen Werken Kiel 1935
U-1 im Baudock bei den Deutschen Werken Kiel 1935

Tatsächlich wurde aber erst Ende 1933 beschlossen, bei der DWK eine Bauhalle für den damals immer noch getarnten Bau von U-Booten zu errichten, geplante Bauzeit pro U-Boot 5-6 Monate, im Mai 1934 wurde dieser Beschluss um weitere Bauhallen erweitert. Zwei weitere Werften, die Germania-Werft in Kiel und die Deschimag (AG Weser) in Bremen, wurden nun in der Kreis der U-Bootwerften aufgenommen, u.z. für den möglichen Bau der größeren U-Boote der Typen I A und VII A.

Trotz umfangreicher Vorbereitungen und Materialbeschaffungen wurden diese Maßnahmen aus politischer Rücksichtnahme bis Ende 1934 aber weiterhin geheim gehalten (Hintergrund: Die deutsche Fühlungnahme für ein deutsch-britisches Abkommen zum zukünftigen deutschen Flottenbau). Am 01.02.1935 waren dann die Vorbereitungen soweit gediehen, dass tatsächlich am 11.02.1935 bei den DWK die Kiellegungen für die Typ II A U-Boote U 1 bis U 6 erfolgen konnte.

Internationale Flottenabkommen

Der anfangs geheime und spätestens ab Anfang 1935 offene Aufbau einer deutschen U-Bootwaffe musste politisch und konzeptionell die internationalen Flottenabkommen als Teil der nach dem Ersten Weltkrieg international betriebenen Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik berücksichtigen, so z.B. die „Washingtoner Flottenkonferenz“ 1921/ 1922 und die, allerdings gescheiterte, Genfer Konferenz von 1927. Für jede militärstrategische U-Bootplanung bedeutete dies, besonders das am 22.04.1930 zwischen den großen Seemächten USA, Japan, Großbritannien, Frankreich und Italien abgeschlossene „Londoner Flottenabkommen“ hinsichtlich seiner Regelungen zum Handelskrieg mit U-Booten zu berücksichtigen, wo ein solcher nur nach Internationalem Kriegsvölkerrecht, d.h. nach Prisenordnung durchgeführt werden durfte. Dieses Abkommen wurde am 25.03.1936 in einem zweiten „Londoner Flottenabkommen“ um Regelungen zur Rüstungskontrolle erweitert und in Bezug auf den U-Bootkrieg streng nach Prisenordnung bestätigt, welches nun auch die Bezeichnung „Londoner U-Bootprotokoll“ erhielt. Das Deutsche Reich trat diesem Abkommen am 23.11.1936 bei, insgesamt unterzeichneten es am Ende 45 Staaten.

Neben diesen internationalen Abkommen war aber eine bilaterale Vereinbarung von Bedeutung, die ebenfalls rüstungskontrollpolitische Aspekte hatte, d.h. den U-Bootbau des Deutschen Reiches zumindest zeitweise bestimmen sollten. Nach ersten Fühlungnahmen im November 1934 und Beginn von formalen Verhandlungen ab 02.06.1935 kam es am 18.06.1935 zur Unterzeichnung eines deutsch-britischen Flottenabkommens, welches dem Deutschen Reich den Aufbau einer U-Bootflotte im Verhältnis 45:100 zur Tonnage der britischen U-Bootflotte erlaubte, gleichzeitig aber auch die Option auf bis zu 100 % der britischen U-Boottonnage zugestand.

Das Abkommen bedeutete auch völkerrechtlich das Ende des Deutschland im Versailler Vertrag auferlegten Verbots zur Entwicklung, Bau und Betrieb einer U-Bootwaffe. Damit war ein Bauprogramm von zunächst 36 U-Booten kleiner Größe (Ausnahme: das Typ VII Boot U 32) des Typs II sanktioniert, wenn auch de facto teilweise erst nachträglich. Die im Flottenvertrag zugestandene Option eines deutschen U-Bootbaus von bis zu 100% der britischen U-Boottonnage wurde Großbritannien dann schließlich, und zwar am 10.12.1938, in einer Note als gezogen mitgeteilt. Das deutsch-britische Flottenabkommen wurde dann am 17.07.1937 ergänzt und man vereinbarte einen gegenseitigen Austausch der Flottenbauvorhaben. Dennoch wurde das Flottenabkommen am 26.04.1939 formal gekündigt und der weitere Aufbau der U-Bootflotte erfolgte danach ohne jegliche Einschränkungen.

Aufbau

Mit dem Typ II A U-Boot U 1 wurde am 29.06.1935 das erste Boot der neuen U-Bootwaffe der Kriegsmarine in Kiel in Dienst gestellt. In rascher Folge liefen dann weitere U-Boote dieser Klasse zu, die ersten 6 U-Boote wurden der Schulflottille der damaligen „U-Bootabwehrschule“, später „U-Bootschule“ zugeordnet. Ab U 7 begann dann der Aufbau einer ersten Einsatzflottille, so dass schon am 28.09.1935 in Kiel mit zunächst 3 Booten die erste U-Bootflottille der Kriegsmarine unter dem Traditionsnamen „U-Flottille Weddigen“ durch den damaligen „Führer der U-Boote/ F.d.U“, Kapitän zur See Dönitz, in Dienst gestellt werden konnte. In rascher Folge liefen dann weitere U-Boote zu. An der Indienststellungs-Zeremonie nahm sogar der damalige Reichskanzler Adolf Hitler teil und ging dabei an Bord von U 7, wovon zahlreiche Fotoaufnahmen existieren. Bis zum 01.09.1939 wuchs die U-Bootflotte dann auf 57 U-Boote auf (Typen: 2 x I A, 6 x II A, 18 x II B, 6 x II C, 10 x VII A, 8 x VII B und 7 x IX) und es wurden mit diesen zulaufenden U-Booten mehrere Flottillen aufgestellt.

Praktische Übungen, Auslandsreisen und Einsatzausbildung

p177_1_03Der erste Kommandeur der neuen U-Bootwaffe, Karl Dönitz, beschreibt in seinen Memoiren nach dem Krieg auch die Aufbaujahre der U-Boote. So seien mit der Aufstellung der U-Bootausbildungsgruppe mit den ers-ten 6 U-Booten des Typ II und dem Aufbau der U-Flottille „Weddigen“ als erstem Einsatzgeschwader mit seiner Indienststellung am 28.09.1935 auch die Grundsätze der Ausbildung festgelegt worden, die u.a. für jede Besatzung die Mindestabsolvierung von 66 Unterwasser- und 66 Überwasserangriffen, gefolgt von einem ersten Torpedoschießabschnitt vorsah.

Hitler an Bord U-7 am 28.09.1935
Hitler an Bord U-7 am 28.09.1935

Der Idealplan für die Regelausbildung zum Erhalt der Einsatzbereitschaft sollte in einem Drei-Jahres-Zyklus immer aus einem Jahr reiner Ausbildung, im zweiten Jahr vornehmlich Manöver und im dritten Jahr Übungen mit Verlegungen in außerheimische Gewässer und Auslandsaufenthalte vor. Konzeptionell sollten die Einsatzarten Aufklärung, Ansatz gegen gegnerische Seestreitkräfte mit Torpedos, Bordartillerie und Minen sowie Handelskrieg nach Prisenordnung, sicher beherrscht werden. Auch wurde die „Gruppentaktik“ konzipiert und bald konsequent geübt. Die Ausbildung der neuen U-Boote und ihrer Besatzungen war gründlich und hart und nicht frei von Zwischenfällen. So kam es am 20.11.1936 in der Lübecker Bucht beim Torpedoschießabschnitt von U 18 zu einer Kollision mit dem Torpedoboot T 156, bei der U 18 mit einer Besatzung sank und 8 Männer dabei ihren Tod fanden. Das Boot wurde dann am 28.11.1936 gehoben, wieder instandgesetzt und am 30.09.1937 erneut in Dienst gestellt.

 

Einsatzausbildung

Der spanische Bürgerkrieg eröffnete der jungen U-Bootwaffe ungeahnte Möglichkeiten zur Ausbildung unter einsatzähnlichen Bedingungen. Wir haben dazu ausführlich in unserem Aufsatz „Deutsche U-Boote im spanischen Bürgerkrieg“ im November 2012 in unserem Internetauftritt berichtet. Nach dem Sondereinsatz „Ursula“ von U 33 und U 34 vom 21.11.-21.12.1936 nahmen dann vom April 1937 bis Mai 1939 insgesamt 14 U-Boote (U 14/ U 19/ U 25/ U 26/ U 27/ U 28/ U 29/ U 30/ U 31/ U 32/ U 33/ U 34/ U 35 und U 36) der Kriegsmarine an den internationalen Überwachungseinsätzen vor den spanischen Küsten teil, einige davon sogar mehrfach, zu den immer mehrere Wochen umfassenden Einsätzen unter Abstützung auf spanische Häfen abgeordnet. Die dabei genutzten Häfen waren dabei u.a. El Ferrol, Cadiz, Huelva, Algeciras und Ceuta in Nordafrika.

Das Ausbildungs- und Übungsgeschehen der U-Boote erfolgte im Rahmen der konzeptionellen Zielsetzungen der Kriegsmarine. Am 27.05.1936 erließ die Marineleitung eine „Vorläufige Kampfanweisung für die Kriegsmarine“, die den Beitrag der Kriegsmarine bei einer Kriegführung gegen die angenommenen Gegner Sowjetunion und Frankreich festlegten. Großbritannien wurde nicht als potentieller Kriegsgegner betrachtet. Die U-Boote sollten im Rahmen dieser Planung u.a. im Mittelmeer gegen französischen Seeverkehr vorgehen. Im Herbst 1936 wurde in einem „Kriegsspiel“ der Marineakademie (also einer heutigen „Planübung“) der Ansatz von U-Booten gegen französische Truppentransporte im Mittelmeer geübt, der dann nach 6 Wochen die Verlegung der U-Boote in die Nordsee zur Vereinigung mit der restlichen Flotte ermöglichte, um eine französischen Blockade der Nordsee zu verhindern. Erste Annahmen, dass bei einem Krieg mit Frankreich auch mit England als Gegner zu rechnen sei, sind von der Marineführung erst bei einem „Kriegsspiel“ am 12. April 1938 geäußert worden, aber zunächst nicht in konkrete Planungen umgesetzt worden. Andererseits zeigt die Übung auch den Willen der Marine, den Einsatz der U-Boote nicht auf die enge Nordsee zu beschränken, sondern die „Atlantikkriegführung“ und den „Seekrieg in den Weiten des Ozeans“ in ihre Einsatzausbildung aufzunehmen. Am 18.06.1937 wurde eine „Studie über Aufgaben der Seekriegführung 1937/38“ herausgegeben, die Grundlage für die „Kampfanweisung“ 1938 wurde, was die Einsatzausbildung auch der U-Boote steuerte.

U-28 beim Einlaufen in Spanien 1937
U 28 beim Einlaufen in Spanien 1937

Erstmalig im „Wehrmachtsmanöver“ im Herbst 1937 kam es in der östlichen Ostsee dann zu einer Erprobung der „Gruppentaktik“ gegen einen Übungs-Konvoi, wie sie in den ersten Kriegsjahren dann zum Regelver-fahren wurde. Ein Antrag von Dönitz Ende 1937, eine solche Übung dann mit den beiden Typ I und weiteren Typ II-Booten auch im Atlantik durchführen zu dürfen, wurde von Hitler persönlich nicht gebilligt, da dieser nicht den übrigen Einsatz der Kriegsmarine im span. Bürgerkrieg durch einen davon unabhängigen U-Boot-aufmarsch weiter im Atlantik gefährden wollte.

Vom 22.04. bis 05.05.1938 wurde in der Nordsee mit U-Booten der 1. U-Flottille (U 9/ U 13/ U 17/ U 19/ U 21/ U 23) und U-Booten der 3. U-Flottille (U 12/ U 14/ U 16/ U 18/ U 20/ U 22/ U 24) ein großes Manöver durchgeführt, in dem das Konzept des „Geführten Einsatzes“ mit dem Zusammenwirken von Aufklärung und Angriff in weiträumigen Operationen geübt wurde.

Im Mai 1939 wurde ein größeres Seemanöver westlich der Biskaya und vor der Iberischen Halbinsel durchgeführt, in welchem erstmalig in größerem Umfang die „Rudeltaktik“ geübt wurde. Daran nahmen insgesamt 15 U-Boote der Typen VII A und IX teil, dazu ein Tanker, ein Frachter, ein U-Boottender und ein Führungsschiff für die Übungsleitung. In der heißen Phase der Übungen vom 12. bis 15.05.1939 stellten die teilnehmenden Überwassereinheiten einen Konvoi dar, der dann durch eine Auffanglinie vom mehreren hundert Seemeilen Ausdehnung fahren musste, die von insgesamt 5 Gruppen á 3 U-Boote bewacht wurden. Die Übung zeigte bei den U-Booten zwar einigen Bedarf zur Vervollkommnung von „Rudel“-Operationen auf, Dönitz war insgesamt aber zufrieden mit den Übungsergebnissen.

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Der F.d.U. Kapitän zur See Dönitz bei Manövern 1938

Im Juli 1939 gab es eine weitere Großübung in der Ostsee, diesmal im Beisein des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine, Großadmiral Erich Raeder. Die vornehmlich der praktischen Erprobungen von Taktiken im Ansatz von U-Booten dienende Übung fand in ihren Ergebnissen dann Niederschlag im „Kommandanten-Handbuch“ für U-Bootkommandanten und war Grundlage für das Verhalten in den Unternehmungen der ersten Zeit nach Kriegsbeginn.


Text: Peter Monte – Fotos: Deutsches U-Boot-Museum