Der Kampf von U 405

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Der erbitterte Kampf zwischen dem US-Zerstörer Borie und U 405

Die Geschichte der U-Bootwaffe ist voll von tragischen Erlebnissen ihrer Besatzungen, die im I. und II. Weltkrieg überall auf den Meeren der Welt im Einsatz standen. Doch unvergleichbar zu allen Ereignissen steht der etwa einstündige, vernichtende Kampf zwischen dem US-Zerstörer Borie (DD-704) und dem Typ VII C U-Boot der Kriegsmarine U 405 bei Nacht und Sturm im Nordatlantik, etwa auf der halben Strecke zwischen Europa und Neufundland.

Korvettenkapitän Rolf-Heinrich Hopmann (3 von links) beim Kampf gefallen
Korvettenkapitän Rolf Henrich Hopman
(3 von links) beim Kampf gefallen

Kurz nach Mitternacht des 01. November 1943 erschien auf dem Radarschirm des amerikanischen Vierschornsteinzerstörers Borie, als Teil der Sicherungsgruppe des US-Flugzeugträgers Card, das wohlbekannte helle Pünktchen mit dem dünnen „Staub“ des Kielwassers dahinter: Ein U-Boot! USS Borie unter seinem Kommandanten, Lieutenant Charles Harris Hutchins, drehte sofort zu und erhöhte die Fahrt. Aber das U-Boot tauchte weg und es dauerte eine Weile, ehe es dem Verfolger gelang, die Fühlung im Horchgerät herzustellen. Die Borie lief näher, ortete und griff an, als der Abstand auf etwa 450 Meter verringert war.

Sämtliche Wasserbomben, die in den Racks des Zerstörers hingen, wurden geworfen. Und die Borie hatte Glück, der Wurf saß! Unter dem charakteristischen Rauschen und Zischen aus der Wasseroberfläche hervorbrechend, tauchte bald ein U-Boot auf. Schwer beschädigt und nicht mehr tauchklar musste es hoch, wenn es nicht in der Tiefe sein Ende hinnehmen wollte. USS Borie richtete seine 60-cm-Scheinwerfer auf das Ziel und eröffnete fast gleichzeitig aus allen Kalibern das Feuer. Zugleich ging der Zerstörer mit beiden Maschinen auf äußerste Kraft und setzte zum Rammstoß an.

Doch der Gegner vor der Borie war U 405, dessen Kommandant der in vielen Feindfahrten bewährte Korvettenkapitän Rolf Henrich Hopman wusste, was ein Kampf über Wasser mit einem Zerstörer bedeutete. Während die Geschützgranaten über den Turm des U-Bootes flogen und die Maschinengewehrwaffen ins Blech der Turmverkleidung feuerten, rannte die Geschützbesatzung des U-Bootes an die Bordkanone und schon blitzte es der Borie entgegen. Die ersten Granaten von U 405 rissen breite Löcher in die Flanken des Zerstörers, krepierten in Brücke und vorderem Maschinenraum. Dazwischen folgte die Leuchtspurmunition der Bord-Flak des U-Bootes. Dampf zischte, dazu Geschreie – Abschüsse der Geschütze und Rattern der Maschinengewehre. Im fahlen Schein von Mündungsfeuer waren sie zu sehen – Tote und Verwundete, dazwischen Befehle und noch mehr Geschrei.

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U 405 wehrte sich verzweifelt. Die Geschützbedienung war bereits gefallen, andere sprangen dazu und schossen weiter, bis eine amerikanische 10-cm-Granate das ganze Geschütz über Bord fegte. Das U-Boot lief hohe Fahrt und konnte parallel den Kurs zu dem unablässig feuernden Zerstörer halten, der allmählich von Steuerbord achtern aufkam, eindrehte und zum Rammstoß ansetzte. Im letzten Augenblick zog Hopman sein Boot hart nach Backbord herum, so dass der Zerstörer nicht vierkant, sondern nur in einem stumpfen Winkel von 30 Grad das Boot etwa zehn Meter hinter dem Bug traf und sich dabei auf das Vorschiff und schräg darüber hinaus schob. Wie zwei wild verkeilte Kämpfer blieben Zerstörer und U-Boot aneinander hängen, einer über den anderen.

Einige Matrosen der Borie schnappten sich MG’s und zersiebten weiter die Turmwand von U 405. Andere Soldaten des Zerstörers feuerten aus Gewehren, Pistolen, MP’s, Signalpistolen, oder was sie sonst zur Hand hatten, auf das U-Boot, während die beiden ineinander verkeilten Fahrzeuge in schwerer See, etwa sieben Meter hoch von Wellental zum Wellenkamm, knirschend und ächzend gegeneinander arbeiteten, so dass sich das Geräusch reißenden Stahls schaurig dem Gefechtslärm, dem Schreien und dem Schießen, beimischte.

In einem amerikanischen Kampfbericht über dieses Duell, dass von der US-Admiralität veröffentlicht wurde heißt es: „…Leutnant Brown hält Turm und Deck von U 405 unter einem Geschoßregen seiner ‚Tommy-Gun‘. Heizer Southwick – ein Meister im Messerwerfen, schleudert sein riesiges „Bowie“- Messer einem Deutschen in den Leib. Obermaat Walter C. Kruz schlägt einen deutschen Matrosen mit einem leeren 20-mm-Kartuschenkasten über Bord!“

p262_1_02Obwohl etwa dreißig U-Boot-Männer in diesem ungleichen Gemetzel fielen, in dem die Amerikaner von oben her auf sie einschossen, gab U 405 den Kampf nicht auf. Die deutschen U-Boot-Männer warfen mit Handgranaten, schlugen mit leeren Kartuschen zurück, feuerten mit Signalpistolen auf die Zerstörermatrosen. An dem stählernen Druckkörper des U-Bootes riss sich der in der hohen See hart arbeitende Zerstörer seine alte, in Jahrzehnten dünn gerostete Boden- und Seitenwände immer mehr auf. Die ganze Backbordseite war zerknüllt, zerfetzt und zerlöchert, und in den Heiz- und Kesselräumen schwappte bald das Wasser kniehoch. Nach etwa zehn Minuten Kampf Mann gegen Mann gelang es Korvettenkapitän Hopman, sein Boot mit äußerster Kraft zurück unter dem Zerstörer herauszuziehen. Aus etwa 300 Meter Entfernung eröffnete er sofort, mit den Waffen die noch geblieben waren, das Feuer, drehte hart einwärts, während die Borie mit größerem Drehkreis weiter außen mitdrehte, dabei eine neue Gelegenheit zum Rammen suchend. Dazwischen schoss U 405 einen Torpedo, der jedoch daneben ging. Zehn-Zentimeter-Granaten der Borie schlugen in den achteren Torpedoraum von U 405 nahe den Dieselabgasklappen ein. Auch der Zerstörer schoss einen Torpedo, der aber vorbeilief. Da das Heckrohr des U-Bootes gerade auf den Scheinwerfer gerichtet war, ließ ihn der Zerstörerkommandant löschen. Sofort versuchte das U-Boot in die schützende Dunkelheit abzulaufen. Aber die Borie folgte mit 27 Knoten Fahrt. Zugleich wurden Wasserbomben mit flach eingestellter Zündung zum Wurf bereit gemacht.

Trotz seiner Beschädigungen wollte der Zerstörer einen zweiten Rammversuch wagen. Er befand sich erneut auf Kollisionskurs mit U 405, als sich plötzlich der Bug des U-Bootes erneut hart herumschwang. Hopman versuchte, den Spieß umzudrehen und seinerseits den Amerikaner zu rammen. Zusätzlich schoss das U-Boot einen Torpedofächer, doch alle Torpedos waren Fehlschüsse. Der Seegang war einfach zu stark und zu hoch für die Torpedos. Trotzdem wäre das von Hopman angesetzte Manöver um Haaresbreite geglückt. Aber der Amerikaner machte ein geschicktes Abwehrmanöver und legte im letztem Augenblick: „Ruder hart Backbord“, gab an die Backbordmaschine den Befehl: „Volle Kraft zurück“ und ließ die Steuerbordmaschine stoppen. Die Borie drehte noch richtig herum und setzte U 405 eine Wasserbombenserie direkt vor dem Bug. Drei weitere Wabos, wenige Sekunden später geworfen, lagen ebenfalls genau deckend und hoben U 405 mittschiffs buchstäblich aus dem Wasser. Gestoppt – wie ein Geisterboot – blieb es knapp zwei Meter vor der Bordwand des Zerstörers liegen. War dass das Ende? Nein!

p262_1_03Noch einmal versuchte Korvettenkapitän Hopman sein Boot rückwärts zu ziehen! Aber die Borie drehte ebenfalls mit aller Kraft herum und überschüttete U 405 abermals mit einem Granathagel. Noch einen Torpedo schoss Borie, der aber erneut vorbeilief. In diesem Augenblick fegte ein 10-cm-Granatvolltreffer Korvettenkapitän Hopman und die Männer im Turm von U 405 über Bord. Ein Hagel von weiteren Treffern folgte. Jetzt erst, nachdem es kein Entkommen mehr gab, der Kommandant gefallen, das U-Boot ein Wrack und mehr als die Hälfte der Besatzung tot, die anderen verwundet, schossen die noch lebenden U-Boot-Männer weiße Sterne zum Zeichen, dass sie den Kampf einstellen. Um 02.57 Uhr in der Frühe des 01. November 1943, genau 72 Minuten nach der ersten Gefechtsberührung, sank U 405, den Bug voraus und explodierte kurz darauf unter Wasser. Ein paar der überlebenden Männer von U 405 schwammen noch in den Wellen. Aber es wurde keiner gerettet. Der Borie-Kommandant glaubte, Zeichen für die Anwesenheit eines anderen deutschen U-Bootes zu sehen und sah deshalb von einer Rettungsaktion ab.

Aber er hatte auch mit dem eigenen Schiff zu tun! Die dünnen Bodenplatten des Zerstörers an Vorschiff und Flanken hatten schwere Beschädigungen davon getragen. Einschusslöcher der Granaten von U 405 klafften überall im Schiff und in den unteren Räumen stand das Wasser. Gegen 09.00 Uhr morgens hatte sich der Zustand des Zerstörers derart verschlimmert, dass USS Borie hilflos in der immer raueren See trieb. Unablässig funkte der schwer beschädigte Zerstörer nach Unterstützung. Aber selbst herbei geeilte Hilfsschiffe konnten das Schiff nicht mehr retten. Gegen Abend, bei zunehmender See und stürmischen Wind, befahl der Kommandant: „Alle Mann von Bord“. Doch waren die Rettungsboote durch Granattreffer von U 405 zerstört oder von der stürmischen See zerschlagen worden. So musste die Zerstörerbesatzung ins eiskalte Wasser springen.

Einige Stunden später wurde das verlassene Wrack von USS Borie nach vier Torpedofehlschüssen des US-Zerstörers Barry schließlich durch Wasserbomben eines Bordflugzeuges des US-Trägers Card versenkt. In der Zwischenzeit suchten die Hilfsschiffe und übrigen Zerstörer der Trägergruppe nach noch schwimmenden Besatzungsangehörigen der Borie. Sie konnten noch sieben Offiziere und 120 Mann retten. Dreiunddreißig Seeleute des Zerstörers fanden bei dem Kampf mit U 405 und beim Untergang ihres Schiffes den Tod. Von der Besatzung des deutschen U-Bootes U 405 überlebte keiner – 49 Männer starben beim Untergang ihres Bootes.

Dieses erbitterte Gefecht zwischen einem Zerstörer der US-Navy und einem U-Boot der Kriegsmarine im November 1943 war, zusammen mit einem ähnlich heftig geführten Kampf am 06. Mai 1944 westlich der Kapverdischen Inseln zwischen dem US Zerstörer „Buckley“ und U 66, Grundlage für den US Spielfilm „Duell im Atlantik“ ( Im Original: „The Enemy Below“). Er kam in Umsetzung des 1956 erschienenen Romans gleichen Titel von D.A. Ryner 1957 mit der Regie von Dick Powell und Robert Mitchum als Kommandant Murell des US-Zerstörers Haynes sowie Curd Jürgens als Kommandant von Stolberg der deutschen U-Bootes in die Kino und gewann im 1958 in Hollywood einen Oscar für seine Spezialeffekte.

Text: Hans-Joachim Röll und Deutsches U-Boot Museum – Fotos Deutsches U-Boot-Museum

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